Review Blind Guardian – Follow The Blind

Das Krefelder Herrenquartett Blind Guardian stand nach dem tollen Debütalbum „Battalions of Fear“ gewaltig in der Pflicht, um nicht augenblicklich zu einer unter vielen deutschen Metalbands erklärt zu werden. Also war dieses Album ohne Zweifel ein echter Prüfstein auf dem Weg dieser genialen Band, sich zur Spitze des deutschen Heavy Metal zu erheben.
Der Zweitling „Follow the Blind“ konnte zwar qualitativ nur teilweise an den starken Vorgänger anknüpfen, den kritischen Metalfans allerdings sehr wohl zeigen, das mit Blind Guardian in naher Zukunft zu rechnen sein würde (wie recht sie doch alle bekommen sollten…).

Doch nun zum Album selber. Beim Durchhören fällt auf, dass die Bandmitglieder ihre bereits von „Battalions of Fear“ bekannten Tugenden nochmals verfeinert haben. Starke Gitarrenarbeit der Axtmänner Andre Olbrich und Marcus „Magnus / Armin“ Siepen, wie immer tolles und schon recht variables Power-Drumming von Thomen „The Omen“ Stauch (welcher für mich heute im Übrigen zu den besten Drummern seines Genres gehört) und ein feines Näschen für eingängige Melodien, die zum Mit-Abgehen geradezu einladen. Shouter Hansi Kürsch hat sich in dem, seit „Battalions of Fear“ vergangenen Jahr zwar nicht wesentlich verbessert, doch war seine Sangeskunst dort auch schon recht ausgeprägt, wenn man bedenkt, dass er bis 1992, nachdem die BG ihre ausgedehnte Japan-Tournee beendet hatte, nie in den Genuss einer professionellen Gesangsausbildung kam.
Gegenüber dem Vorgänger muss man anmerken, dass sich der Sound der Band noch etwas weiter Richtung Speed Metal verlagert hat, ja fast schon als Thrash Metal bezeichnet werden könnte (Marcus selbst sagte auf dem BG-Board dereinst, dass die Band zu dieser Zeit viel Testament und ähnliches hörte…). Die Gitarren sind etwas schärfer als zuletzt, das Tempo etwas höher, die Songs fallen generell etwas härter aus, was nicht ungedingt als schlecht angemerkt sein soll.

Zu den Songs ist folgendes zu sagen: „Follow the Blind“ beherbergt einige echte Killersongs, die bis heute oft und mit schöner Regelmäßigkeit ins Live-Repertoire aufgenommen werden und auch von den Fans immer wieder gerne zelebriert werden. Allen voran ist das „Banish from Sanctuary“, das mit seinem kultigen Intro „Inquisition“ jahrelang jedes Blind Guardian-Konzert standesgemäß eröffnete (bis dann „War of Wrath“ „Into the Storm“ kamen…). Auch immer gerne gesehen ist „Valhalla“, ausgestattet mit einem Mitgröhl-Refrain reinsten Wassers, der sofort ins Blut geht. Übrigens feierte hier Deutsch-Metal-Legende Kai Hansen mit seiner unverkennbaren Kieksstimme das erste Gastspiel auf einer Blind Guardian-CD, und es sollte bei weitem nicht sein letztes sein.
Ebenfalls klar auf der Haben-Seite findet sich „Beyond the Ice“, ein schnörkelloses Instrumental-Feuerwerk, bei dem alle Bandmitglieder zeigen, wozu sie fähig sind, stetig unterfütternd von Thomens treibendem Highspeed-Drumming. Bis heute das beste Blind Guardian-Instrumental.
Der unbestrittene Star des Albums ist allerdings meiner Meinung nach das Titelstück. Schon der geniale Anfang zeigt dem Hörer, was er zu erwarten hat: Ein bretthartes Stück Speed Metal, ungewohnt düster für Blind Guardian-Verhältnisse. Auch Freunde der leichteren Kost kommen hier dank zaghaft eingestreuter Akustikgitarren-Parts voll auf ihre Kosten. Von vielen Fans der Band etwas verkannt, doch für mich gehört der Song zu den besten, die je ihren Weg auf eine Blind Guardian-CD gefunden haben. Top!!!

Das sehr hohe Niveau dieser Stücke kann leider nicht über die gesamte Länge der Platte aufrechterhalten werden. „Damned for all Time“, „Hall of the King“, „Fast to Madness“ sowie „Don´t break the Circle” (im Original von Demon) sind zwar weiß Gott allesamt keine schlechten Songs (dieser Begriff existiert im Wortschatz der Barden nicht!), fallen aber im Vergleich mit den obigen Killern und auch mit den meisten Songs der Vorgängerplatte um einiges ab. Gerade „Damned for all Time“, „Hall of the King“ und „Fast to Madness“ sind zwar immer noch gute Speed Metal-Bretter, leiden allerdings an einem Mangel an Aha!-Effekten, so dass ihnen die gewisse Blind Guardian-Magie verwehrt bleibt.
Am Ende des Albums lauert dann noch „Barbara Ann“, mit dem die Jungs zum ersten Mal ihre Verehrung für die Beach Boys kund tun. Kein unsterblicher Klassiker, aber speziell live immer wieder lustig und ideal zum Mitgröhlen.

Fazit: Auch Blind Guardians zweites Werk „Follow the Blind“ bietet Speed Metal klassischer Prägung, jedoch fließt zu allen Zeiten auch der unvergleichliche Blind Guardian-Stil durch die Lieder. Fünf extrem starken Songs stehen fünf weniger spektakuläre gegenüber.
Diese deutlichen Qualitätsschwankungen sind es letzten Endes auch, die mich dazu bringen, das Album als schlechtestes Guardian-Werk zu deklarieren. Fans deftigen Melodic Speed / Thrash-Metals können trotzdem beim Kauf keinen Fehler eingehen. Fans dieser unnachahmlich großartigen Band sowieso nicht.

Wertung: 7.5 / 10

Geschrieben am 31. März 2013 von Metal1.info

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