Review Caretaker – Providence

(Post Hardcore / Sludge / Progressive Rock) Auch wenn das Präfix „Post-“ in den letzten Jahren eine nahezu wahnwitzige Karriere gemacht hat und häufig als Ausflucht für die Kategorisierung eigentlich unkategorisierbarer Musik genutzt wird, gibt es durchaus „Post“-Bands, welche ein eigenes Genre zu prägen wussten und wissen. So werden häufig Fugazi oder At The Drive-In genannt, wenn es um Post Hardcore geht, Godspeed You! Black Emperor oder Explosions In The Sky als Paradebeispiele für Post Rock herausgestellt und Bands wie Neurosis, Cult Of Luna oder Tool als Post Metal bezeichnet. Man sieht: Das Wort „Post-“ sowie die daraus herausgebildeten Genres haben durchaus eine Daseins-Berechtigung. So etwas dachten sich wohl auch die Briten CARETAKER, welche auf ihrem Debütalbum „Providence“ Erinnerungen an die meisten der eben genannten Band heraufbeschwören und in ihrer Kombination von Post Hardcore, Sludge und Progressive Rock so individuell und spannend klingen wie lange keine „neue“ Band aus diesem Bereich.

Während das Intro „Thousand Yard Stare“ (und im gleichen Stile das später folgende Zwischenspiel „Providence“) mit tiefen, langsamen Gitarrenmelodien noch an Fall Of Efrafa erinnert, zeigt die darauf folgende dreckige Produktion, welche sich in „Marinet“ herausschält, bereits überdeutlich auf, wohin die Reise geht: Würden Fugazi Metal spielen und gemeinsam mit Neurosis eine Screamo-Band gründen, die sich gelegentlich James Maynard Keenan ins Boot holt und groß Botch auf ihren Verstärkern stehen hat, dann klänge das wohl ungefähr so wie das, was CARETAKER auf ihrem Debütalbum produzieren. Dieser weit hergeholte Vergleich zeigt, dass jederzeit klar ist, wer hier Pate steht, dennoch ununterbrochen unverkennbar CARETAKER am Werk sind. In der Produktion ist der Gesang bewusst auf einer Stufe mit den übrigen Instrumenten gehalten, und wechselt zwischen heißerem, teilweise schrillem Gekreische und verzweifeltem, schlingernden Wehklagen hin und her. Darüber mischt sich ein rotziger Bass, ein dezent gehaltenes, dafür unglaublich tight gespieltes Schlagzeug und eine Gitarre, die zwischen fetten, stark verzerrten Riffs und zerbrechlichen Melodien hin und her pendelt.

Gerade sobald sich ein nahezu klassischer Post-Hardcore-Part in die Synapsen eingebrannt hat, schalten CARETAKER auf einmal einen Gang runter, schaffen mit ihrer minimalen Instrumentierung durch unverzerrte Melodien und Rhythmus-Spielereien eine unglaubliche Atmosphäre, nur um diese im nächsten Moment wieder niederzureißen. Die verschiedenen Akzentuierungen lassen das Geschrei von Harry Goodchild und Seb Carrey noch deutlicher zur Geltung kommen, wie zum Beispiel im packenden „Impasse“. Die mächtigen Dampfwalzen-Riffs können allerdings auch im Vordergrund stehen, wie in der die Kombination von Neurosis-lastigen Riffs, beißendem Gesang, verzweifeltem Geheul und vertrackten Rhythmen im packenden „Rook“. Ihr Meisterstück haben sich CARETAKER allerdings bis zum Schluss aufgehoben, indem sie in „The Upper Air“ ein wahres Inferno zwischen Tool und Neurosis entfachen, welches zum Ende hin seine Melodie solange wiederholt, bis der gesamte Sound übersteuert und das daraus resultierende Feedback gewaltsam abgeschnitten wird.

Neben der unglaublichen Atmosphäre, die CARETAKER musikalisch erschaffen, sind auch die Texte vielschichtig, erzeugen individuelle Bilder im Kopf und entziehen sich einer eindeutigen Zuordnung. Die Art und Weise, wie die ungestüme, rohe Energie des Post Hardcore mit der Gewalt und schleppenden Zähigkeit von Sludge sowie der flächigen Atmosphäre von Post Rock auf „Providence“ kombiniert wird, ist schlichtweg atemberaubend und nichts Geringes als eine Meisterleistung.

Wertung: 9 / 10

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