Review Corvus Corax – Cantus Buranus II (DVD)

CORVUS CORAX – auch bekannt als die Könige der Spielleute – gelten als die Institution für traditionelle mittelalterliche Musik. Diesem Ruf wird die Band mit ihrer neuesten CD/DVD-Veröffentlichung erneut gerecht. Mit „Cantus Buranus II“ wagten sich die Berliner zum zweiten Mal an die Aufführung eines hochkomplexen Werkes, namentlich der „Carmina Burana“ aus den „Liedern der Benediktbeurer“. Diese ca. 150 Jahre alte Sammlung zählt zu den wichtigsten und bekanntesten Quellen der mittelalterlichen Dichtung, die bereits dutzendfach (u.a. von In Extremo) vertont wurde. Allgemeine Bekanntheit verdanken sie besonders der Interpretation von Carl Orff. Nun aber genug des historischen Exkurses und zurück in die Gegenwart.

Einfache Songs, mit Dudelsäcken und Trommeln unterlegt, wären eine Option gewesen, um das Liedgut zu vertonen – Corvus Corax entschieden sich allerdings für einen monumentalen Epos, der mit „Cantus Buranus II“ in die nächste Runde geht. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.
Der Live-Auftritt in der Münchner Olympiahalle ist in vollem Umfang auf der DVD vertreten. Einzelne Stücke oder Episoden eigenständig zu bewerten fällt schwer, da der Fokus ganz eindeutig auf dem gesamten Werk liegt. Dessen Inszenierung gerät ganz im Orff’schen Stil sehr dunkel und ernst. Hinzu kommen fragwürdig eingesetzte Lichteffekte, größtenteils über den Köpfen der Protagonisten, und eine unglückliche Kameraführung. Welchen Sinn hat eine Totale, bei der 80 Prozent des Bildes schwarz ist?
Es mag der künstlerische Aspekt sein, der im Vordergrund steht, doch die Präsentation gerät trotz verschiedener Kostüme und Bühnenelemente dröge. Neben der Musik ist einzig eine Art Papiermond erwähnenswert, der in der zweiten Konzerthälfte über die gut gefüllte Arena hinweg fliegt und den künstlerischen Aspekt noch einmal unterstreicht. Für mich war dies eindeutig zu viel Pathos…
Die Tonqualität ist hingegen wie schon bei der inzwischen zwei Jahre alten Studioversion von „Cantus Buranus II“ über jeden Zweifel erhaben ist – die passende Ausstattung vorausgesetzt. Für eine gute Live-CD ist das ausreichend, für eine gute Live-DVD hingegen nicht.

So herrscht während des gesamten Auftritts erstaunlich wenig Bewegung rund um die Trommeln und Dudelsäcke. Dafür ist das Böhmische Sinfonieorchester Prag in all seiner Instrumentalbandbreite beinahe omnipräsent und die Solisten halten sich auffällig oft im Hintergrund. Ohne Ansagen oder anderweitige Unterbrechungen wird das Liedgut präsentiert, vereinzelt noch mit Unterstützung von Sopranistin Ingeborg Schöpf. Lediglich die plumpen weißen Texteinblendungen mit den Songtiteln fallen dabei aus der Reihe.
Hinzu kommen verständliche Timingprobleme zwischen den Beteiligten: So sind Chor, Orchester und Band wie bereits bei „Cantus Buranus I“ nicht immer vollständig synchron. Allerdings dürfte das mit Dirigent, Monitorring und der großen Anzahl individueller Musiker, die größtenteils in keinem direkten Kontakt zueinander stehen, generell unmöglich zu bewerkstelligen sein.

Im Gegensatz zur Olympiahalle zeigt der Bonusteil mit den Auftritten von Corvus Corax auf dem Summer Breeze und in China wie ein begeisterungsfähigeres Publikum aussieht. Es ist durchaus beeindruckend zu sehen, welche Akzeptanz sich die Musiker mit ihrer Interpretation der „Carmina Burana“ erspielt haben. So gab es „Cantus Buranus I“ in der Uraufführung auch in Wacken zu sehen.

Was von der „Cantus Buranus II“-DVD bleibt, sind unter dem Strich einige interessante Instrumente und vereinzelte Arrangements, die zum Hinhören, aber nicht unbedingt zum Hingucken einladen. Ansonsten gibt es leider viel Leerlauf und eine spürbare Neigung der Musiker zu Dramaturgie. Vielleicht hätte Orff es so gewollt, aber im Jahr 2010 bietet die Bandbreite der musikalischen Inszenierungsmöglichkeiten mehr und vor allem optisch attraktivere Optionen.

Wertung: 4.5 / 10

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