Review Eisheilig – Auf dem Weg in deine Welt

Das ging ja schnell! Scheinbar wurde im Lager der Wittener Gothic-Metaller EISHEILIG kräftig an der Geschwindigkeitsschraube gedreht. Dies trifft allerdings nicht in erster Linie auf das Tempo der Songs, sondern vielmehr auf die wahre Veröffentlichungswelle der letzten Zeit; nachdem zwischen dem Zweitling „Die Gärten des Herrn“ und „Elysium“ fast drei Jahre lagen, dauerte es diesmal gerade etwas mehr als eines. Dies freut die Fans natürlich, die sich mit „Auf dem Weg in deine Welt“ jedoch zunächst mal arrangieren werden müssen. Denn es hat sich einiges getan im Ruhrpott. So verließ Gründungsmitglied und Chefgrimassenschneider Niklas Peternek die Band und ist inzwischen stolzer Vater. Ersetzt wurde er durch Markus Vogler, der sich künftig gemeinsam mit Schlagzeuger Dominik um die Rhythmusarbeit kümmern wird.

Die wesentlich auffälligere Änderung begegnet dem Hörer jedoch im Sound, der nach dem Motto „Never Change A Winning System“ wie immer im „Mohrmann-Studio“ vom Produzenten-Team Mohrmann, Mikus & Mikus (könnte auch eine Anwaltskanzlei sein) gezimmert wurde. Nach dem ausgesprochen harten, düsteren Vorgänger „Elysium“, welches morbide Themen in eine graue Welt malte, kommt man sich beim Hören von „Auf dem Weg in deine Welt“ vor, als säße man gemeinsam mit Johan Edlund auf eben der Blumenwiese, welche das Cover von Tiamats „A Deeper Kind Of Slumber“ ziert. Eine erstaunliche Leichtigkeit weht aus den Boxen und erfüllt den Raum mit einem tiefen Frieden, den man Dennis und Co. gar nicht zugetraut hätte. Aber was soll man schon tun, wenn alles Negative bereits gesagt ist? Anstatt gekünstelt auf Böse zu machen, lassen die Jungs lieber ihre Gefühle sprechen und das ist insofern gut, als das die CD absolut authentisch und ehrlich klingt. Dem Facettenreichtum tut dies freilich keinen Abbruch, so ist von langsamer Ballade bis zum flotten Rock- / Metalsong alles dabei, was das eisheilige Herz begehrt. Potentielle Chartbreaker (oder zumindest radiotaugliche Nummern) wie „Kein Land in Sicht“, „Wird alles gut“ oder der Opener „Wir leben“, welcher überraschend ruhig und direkt mit Gesang startet stehen wavige Klänge in „Steht auf!“ gegenüber und mit dem Abschlusstrack „Geh durchs Feuer“ findet sich doch noch ein typischer EISHEILIG-Song: hart, etwas schneller und mit anklagenden Lyrics, die sich gegen religiösen Fanatismus wenden. Ansonsten mag man sich beim Lauschen der Texte bisweilen verwundert die Augen reiben, denn nicht nur die Musik ist wesentlich aufgehellter, nein, auch die Texte versprühen eine positive Atmosphäre. Stärken wollen EISHEILIG den Hörer und sie tun dies mit Texten, die im Popbusiness eventuell den Stempel „Xavier Naidoo“ verpasst bekommen würden. Zentrale Themen sind Glaube an die eigene Stärke, das Licht am Ende des Tunnels, Aufbruch. Passend dazu hat Dennis sehr an seinem Gesangsstil gefeilt: dominierte früher eine hart-deutsche Aussprache, die die Band unverständlicherweise immer wieder in eine Ecke mit Rammstein gedrängt hat, singt er heute wesentlich weicher, viel melodiöser, was zu den Songs sehr gut passt.

Die Fans der ersten oder zweiten Stunde werden vermutlich dennoch am neuen Material zu knapsen haben; ich zähle mich selber zwar auch dazu, nehme für mich aber eine offene Position in Anspruch. Ich kann nur hoffen, dass sich dem recht viele Freunde guter Musik anschließen, denn Songs wie „Dein Stern“ (mein persönliches Highlight) oder das wunderschöne „Die dunkelste Stunde“ müssen einfach gefallen. Den alteingesessenen Fans sei zu ihrer Beruhigung versichert, dass die herrliche EISHEILIG-Melancholie nicht zu kurz kommt und keiner, der immer Fortschritt, Weiterentwicklung und die Abkehr von allzu gängigen Klischees fordert, soll sich beschweren, denn EISHEILIG tun genau dies. Lasst EISHEILIG also in Eure Welt, Ihr werdet es nicht bereuen.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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