Review Enslaved – Ruun

  • Label: Tabu
  • Veröffentlicht: 2006
  • Spielart: Black Metal

ENSLAVED melden sich anno 2006 zurück – und das äußerst eindrucksvoll. Äußerlich wird auf die Fortführung von „Isa“ gesetzt, ist doch auf beiden Covern eine weiße Rune zu sehen. auch musikalisch führt man den eingeschlagenen Weg fort, ist experimentieller geworden. „Ruun“ klingt soundtechnisch ein wenig gemäßigter, doch das liegt vermutlich einfach an dem Konzept und daran, dass ENSLAVED viele Melodik-Parts auf genanntem Album integriert haben. Es führt sie endgültig fort von reinem Black Metal, den man auf dem Vorgänger noch eindeutiger hören konnte.

Das heisst nun nicht, dass der Black-Metal-Anteil hier gering ist, sondern lediglich, dass jener komplexer als zuvor erscheint und mit den ruhigen, verweilenden Parts eine Symbiose eingeht, um die nächste Stufe zu erklimmen. Generell ist alles durchdacht, komplex und atemberaubend arrangiert: Dezente, aber effektiv eingesetzte Keyboardklänge, die die Musik atmosphärisch ummalen; Gitarrenmelodien, die teils ausschweifend durch die Musik ziehen und doch so nah an der Thematik des Albums bleiben. Denn eben jene Melodiebögen sind es, die die Vielfalt der lyrischen Thematik aufzeigen. Zugleich tragen sie eine einnehmende Stimmung in sich und geleiten den Hörer in andere Welten, wenn er sich der Musik hingibt. Doch gehen wir einzeln auf die Stücke ein – zusammen sind sie kaum greifbar, kaum in Worte zu fassen.

„Entroper“ beginnt mit einer sehnsüchtigen, erwartungsvollen Melodie, bevor ENSLAVED dann mit einem insgesamt sehr metallischen Song auftrumpfen. Durchgehend krächzt Grutle, beziehungsweise wird erst gegen Ende von klarem Gesang abgelöst, der Bass wummert im Hintergrund und verleiht dem Song Kontur. Hieran schliessen sich unter anderem „Fusion Of Sense And Earth“ und „Ruun“ in der gleichen energischen Machart an: Sie gehen insgesamt betrachtet kontrollierter aggressiv zu Werke, behalten die ganze Zeit über ihre Grundstimmung bei. Auf der anderen Seite haben wir Lieder wie beispielsweise „Path Zo Vanir“ oder „Tides Of Chaos“. Jene scheinen sich mehr mit den daraus resultierenden Konsequenzen und Schicksalen zu beschäftigen. So versinkt der Hörer in „Path To Vanir“ in seinen Gedanken, dort bieten ENSLAVED stückweise ruhige, träumerische Momente, bevor dann die Gitarren jegliche Zurückgezogenheit zerreissen und Platz machen für harsche Gefühlsausbrüche – eine grandiose Stelle. „Tides Of Chaos“ trägt einen mystischen Unterton in sich, der den Hörer einnimmt, ihn geradezu magisch anzieht. Hinzu kommen die Gitarrenläufe, die dem Song helfen, eine ganz spezielle Wirkung zu entfalten.

Und das war erst die erste Hälfte der Scheibe! In der zweiten Hälfte stellt „Essence“ eine wunderschöne Abwechslung zwischen harschem Sang und träumerisch klarem Gesang dar. „Api-vat“ wiederum wird von einem seltsam anmutenden, dadurch aber an Reiz gewinnenden Riff eingeleitet, welches den Song noch interessanter macht, als er ohnehin schon ist. „Heir To The Cosmic Seed“ beginnt wieder einmal fremdartig, man beschränkt sich hier zudem auf klaren, gefühlvollen Gesang. Die Musik steuert einen melancholisch-angehauchten Grundtenor bei – der Hörer leidet mit.

„Ruun“ ist ein intensives Erlebnis, atmosphärisch, geheimnisvoll, tragisch – einfach formuliert: ein sehr gutes Album. Es führt den Hörer in fremde Welten, jagt ihm den ein oder anderen Schauer über den Rücken, lässt ihn in Verzückung geraten. ENSLAVED gehen gezielt zu Werke, jeder Griff sitzt, sie bestätigen nur das, was man schon von ihnen kannte: ihre Klasse. Es gibt nicht viele Platten mit dieser Ausstrahlung.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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