Review Nucleus Torn – Travellers

Zeitgleich mit „Andromeda Awaiting“ erscheint diese Tage auch das Compilation-Album „Travellers“ von NUCLEUS TORN. Hierbei wird dem Hörer das Frühwerk der Band zugänglich gemacht, an das bisher schwierig heranzukommen war – einen Ersteindruck gab es lediglich mit „Krähenkönigin III“ auf dem „Whom The Moon A Nightsong Sings“-Samplers, ansonsten war das Zeug zum Teil vergriffen oder auch, im Falle von „Leadless“ und „Lurking“, einfach überhaupt noch nie erschienen.

Mit der „Krähenkönigin“-Quadrologie startet „Travellers“ auch und schon auf den ersten Blick existieren doch einige markante Unterschiede zwischen der aktuellen avantgardistischen Albentrilogie aus „Nihil“, „Knell“ und „Andromeda Awaiting“ und diesem Material. So sind die vier Nummern beispielsweise ausschließlich mit einer Akustikgitarre performt, die sich in musikalischen Bereichen bewegt, wie sie heute gerne „Dark Folk“ genannt werden, um vom oft über-pathetischen Neo Folk einerseits und vom noch öfter über-fröhlichen Folk (Rock) andererseits abzugrenzen. NUCLEUS TORN wildern in Revieren, in welchen sich auch Empyrium zu „Where At Night The Wood Grouse Plays“-Zeiten oder Neun Welten heimisch fühlen. Schnyders Gitarrenspiel wirkt aber nochmal einen Tacken eleganter und durchdachter als das der Kollegen. So geht es oft ungeheuer abwechslungsreich zu, Motive werden zwar wiederholt aber immer wieder neu interpretiert und das ganze Flair wirkt häufig klassisch angehaucht („Silver“), was wiederum eine Gemeinsamkeit mit aktuelleren NUCLEUS TORN-Songs wäre.
Nach diesem „Silver“ folgt mit „Beggars“ auch der erste Song mit Gesang, für den sich Patrick Schaad verantwortlich zeigt, doch auch seine Gesangsspuren sind deutlich eher Easy-Listening als das, was er auf den aktuellen Alben der Band präsentiert (obwohl die abgrundtiefe Schwärze von „Knell“ hier bereits ab und zu durchscheint), im zweiten Teil des Songs können sich NUCLEUS TORN aber das erste mal nicht mehr zügeln und es gibt einen jener verschrobenen metallischen Ausbrüche zu hören, wie man sie ebenfalls von „Knell“ kennt. Und obwohl auch „Neon-Light Submussion“ und „Nucleus Torn“ noch harmlos und eingängig akustisch beginnen, zeigt sich doch, dass die Band ab diesem Zeitpunkt deutlich experimenteller vorging, häufig gehen die Songs in seltsame E-Gitarren-Patterns über, die atmosphärisch übergangslos zwischen lyrischen Klangmalereien (in „Traveller’s Rest“ sogar mit deutlichen Pink Floyd-Bezügen) und verstörenden Albträumen pendeln. Und desto weiter das Album fortschreitet, desto mehr solcher Elemente sind vorhanden (einen kleinen Höhepunkt an Experiment gibt es in „Leadless“ mit verpielter Saxophon-Dominanz.)

„Travellers“ ist eine schöne Scheibe für alle, die mit dem avantgardistischen Werdegang NUCLEUS TORNs nicht so viel anfangen können und das Ganze lieber gemäßigt genießen, denn gerade die erste Hälfte des Albums ist doch sehr hörerfreundlich ausgefallen. Interessant ist die Compilation für diese Hörer vielleicht aber gerade durch den Umstand, dass der schrittweise Einzug der experimentellen Elemente dokumentiert ist und somit vielleicht nachvollziehbarer wird. Aber selbst wer mit der Truppe eigentlich nichts am Hut hat, bekommt hier 12 Nummern des „etwas anderen“ Dark Folk zu hören, die eine Anschaffung in jedem Fall wert sind.

Keine Wertung

Publiziert am von Marius Mutz

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