Review Riverside – 02 Panic Room (EP)

Die aufstrebenden polnischen Artrocker RIVERSIDE sind wirklich ein hart arbeitendes Team und mit allen Wassern gewaschen: Nach zwei Touren im vergangenen Jahr, begannen sie die Arbeit an ihrem dritten Studioalbum, spielten dann im März dieses Jahres einige Konzerte in ihrem Heimatland, Deutschland und der Niederlande – vermutlich um dem Studioalltag zu entkommen und das neue Material schon mal live vorzutesten. Jetzt, drei Monate später, wird bereits mit Hochdruck an der Promotion zum neuen Material, das voraussichtlich im September unter dem Titel „Rapid Eye Movement“ erscheint, gearbeitet. Genau genommen heißt das: Sieben Shows als Special Guest bei niemand anderem als den Progmetal-Königen Dream Theater stehen an. Für die Band wohl die Möglichkeit, sich einem breiten Publikum vorzustellen. Und als wenn das nicht genug wäre, verkauft man auf den Konzerten natürlich auch schon neues Material, das aufs Studiowerk heiß machen soll: „02 Panic Room“ ist die Vier-Track-EP, die Marius Duda & Co. uns servieren. Das Mahl schmeckt und ist bekömmlich und doch anders, als erwartet.

Insgesamt 18 Minuten lang bekommen wir einen Ausblick auf den RIVERSIDE-Sound von 2007, wahrlich nicht ohne auch einen Schritt in die Vergangenheit zu tun. Soll heißen: Neben der Singleauskopplung „02 Panic Room“, die zusätzlich zur Albumversion auch noch in einem Remix präsentiert wird, gibt es mit „Back To The River“ jenen Mix aus Improvisation, Song und Pink Floyd-Zitat, mit dem die Band im vergangenen Jahr immer ihr Konzert begonnen hat. Man startet aus dem Nichts, baut Instrumentalschicht um Instrumentalschicht auf, schafft es wie immer vorzüglich, Spannung und Atmosphäre kreieren und garniert den Song zum Ende hin mit einem „Shine On You Crazy Diamond“-Zitat – das hier etwas verhaltener angedeutet wird, als noch auf den Konzerten. 6 ½ Minuten vergehen wie im Fluge. Entspannung und Wohlklang erfüllen den Hörer.

Nun aber zum spannendsten Teil dieser EP: Den drei neuen Nummern. Beginnen wir mit dem Instrumental „Lucid Dream IV“, welches, wie der Titel schon verrät, der quasi-Nachfolger der „Reality Dream“-Instrumentaltrilogie ist. Immer wieder gibt es versteckte Anspielungen auf die Vorgänger, immer wieder werden Motive angerissen oder leicht verändert aufgegriffen. Musikalisch passt sich der Track ebenfalls an seine Vorfahren an: Er startet mit markantem Bass- und HiHat-Spiel, wechselt dann zu einem sehr melodischen, einprägsamen Gitarrenlead im typischen RIVERSIDE-Stil und gipfelt in einem schroff und hart abrockenden und derbe groovenden Mittelteil. Auffällig hier ist, das die Produktion gegenüber dem letzten Studioalbum etwas verwaschener, weniger prägnant und kernig rüberkommt. Nichtsdestotrotz eine tolle Nummer, bei der ich mich wirklich frage, warum sie nicht auf dem Studioalbum erscheinen wird. Nichts wirklich Neues also im Hause RIVERSIDE?

Falsch gedacht: Die Singleauskopplung „02 Panic Room“ serviert uns dann zwar RIVERSIDE-Stimmung par excellence, allerdings mit nicht unwesentlichen musikalischen Veränderungen. In ziemlich genau vier Minuten paart man hier monotone Stampfrhythmen aus der Dose mit sphärischen Keyboards und erzeugt so eine sehr technoide, kühle, apokalyptische Atmosphäre. Bass und Rhythmusgitarre spielen ebenfalls arg monoton auf, lediglich einige typische melodische Gitarreneinsprengsel lockern den perfekten, leblosen Soundkosmos auf. Das ist alles kalkuliert und kühl. Was dabei jedoch auf der Strecke bleibt, sind vor allem progressive Soloabfahrten und eine interessante, abwechslungsreiche Instrumentierung. Auf Soli müssen wir leider gänzlich verzichten. Dafür bekommen wir bisher nicht bekannte Streicher aus dem Keyboard. Nicht, dass ich diesen neuen Sound nicht fortschrittlich oder gar mies finde, allerdings entwickelt man sich hier schon sehr in den Ethno-/New Age-/New Artrock-Bereich, was mich beinahe etwas erschreckt. Manchmal erinnert mich der Sound an die Soundbasteleien von Porcupine Tree. Mariusz Duda & Co. sind sicherlich große Bewunderer von Steven Wilson und seiner Band, dennoch würde ich es nicht wirklich begrüßen, wenn man sich ihnen immer mehr annähert. Ich hatte eigentlich mit einem härteren, eher metallastigen Album gerecht. Aber natürlich lässt ein Song noch keinen Rückschluss auf ein ganzes Album zu. „02 Panic Room“ erinnert an seiner Gesamtheit aber eher an Songs wie „Stuck Between“ von der EP „Voices In My Head“. Der Sound kommt neu und frisch rüber, mir ist allerdings aus Zufall aufgefallen, dass beispielsweise Pink Floyd in ihrem Song „Keep Talking“ mit sehr ähnlichen Mitteln arbeiten. Klar, wirklich neu ist heute kaum noch etwas, dennoch etwas schade.

Der Remix des Songs am Ende der EP gefällt mir dann erstaunlicherweise eine ganze Spur besser. Grundlage ist hier ein etwas dumpferer, weicherer Rhythmus und ein dauerhaft wiederholtes Sprachsample sowie weiche Sphärensounds. Die gesamte Produktion und der Sound kommen wärmer, verträumter, verwaschener rüber. Der Gesang von Mariusz wird stellenweise verzehrt, auf die schroffen Rhythmusgitarren wird gänzlich verzichtet, dafür gibt es schöne Akustikgitarreneinsprengsel. Eine wirklich gelungene Version, die die eigentlich sehr schönen Strophen des Tracks noch viel besser zur Geltung bringt. Der Refrain ist zwar nicht schlecht, kann aber im perfektionistischen Soundbild nicht wirklich bestehen.

Fazit: Alle, die wissen wollen, wie es mit Riverside weitergeht und nicht mehr bis September abwarten können, sollten bei „02 Panic Room“ zugreifen. Für den Fan gibt es hier mit „Back To The River“ und „Lucid Dream IV“ auf jeden Fall zwei gelungene Schmankerl. Bleibt nur zu hoffen, dass „Rapid Eye Movement“ in seiner Gänze progressiver und frickeliger ist und nicht so sehr auf Atmosphäre baut. Die Tracks, die RIVERSIDE im März als Vorgeschmack live zum Besten gegeben haben, deuten aber eher darauf hin, dass der Weg von „02 Panic Room“ weiterverfolgt wird. Wir werden sehen!

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