Review Spectaculatius – Das Narrenschiff

Auf den ersten Blick erschlagen SPECTACULATIUS einen fast mit der Anzahl der Songs des „Narrenschiffs“, doch sind drei der insgesamt 16 Songs nur ein Zwischenspiel bzw. das Intro, so dass im Endeffekt 13 Lieder übrig bleiben. Direkt auffällig am Anfang ist der Erzählgesang und die flotten, fröhlichen, leichten Melodien. Bis auf den Gesang erinnert das „Falkenlied“ an eine Oper, während bei „Viele liebe Grüße“ ein paar orientalische Elemente Einzug erhalten. Der Grundklang dieser beiden Stücke ist gleich, doch die Liedstruktur gänzlich verschieden. Mit „Der Wasserkrug“ erreicht das Album seinen ersten Höhepunkt, denn hier glänzen neben Flöten und Drehleiern im Hintergrund die Stilbrüche sowie die geschickt eingesetzten Pausen. Hinter „Wo der Dudelsack brummt“ verbirgt sich – wie man sich denken kann – ein instrumentales Dudelsackspiel, wobei die Vorlage von Johann Sebastian Bach stammt. Ein durchaus wohlklingendes und interessantes Experiment, das die CD zu ihrem nächsten Vorzeigestück überleitet, nämlich dem jiddischen „Lomir sich iberbetn“, zu dem es im durch und durch liebevoll gestalteten Booklet sogar eine Übersetzung gibt.

Bei „Wir schnitten die Saaten“ und „Zenner Greyner“ dichteten die Jungs von SPECTACULATIUS jeweils die dritte Strophe zu zwei verschiedenen historischen Vorlagen dazu, doch im Vergleich zu den vorherigen Arrangements bleibt hier leider nicht viel hängen. Der instrumentale „Bayrisch Welsche Bauerntanz“ setzt diesen Kurs zunächst fort, doch steigert sich im zweiten Teil zu einem flotten Tanzlied. Bei „Vier Musikanten“ handelt es sich um ein Sauflied, was man noch am ehesten von den Streunern kennt. Der Wechsel zwischen schnell und langsam sowie die Beschränkung auf Gesang und Dudelsack sind hier positiv zu werten. Mit „Vergangen ist der Winter“ machen SPECTACULATIUS schließlich das, was fast alle Mittelalterbands einmal in ihrer Karriere gemacht haben und nehmen die Carmina Burana als Vorlage. Unter dem Strich bleibt jedoch kein spannendes Hörerlebnis, sondern reine Durchschnittskost. Nach dem kurzen Zwischenspiel „Narrenschiff“ geht das Album schließlich mit „Ramnasouli“ in seine Endphase. Ramnasouli ist der Name einer Gemüsetasche in einem orientalischen Imbiss, wo Sven die Idee zu diesem Song hatte. Leider konnten weder er noch seine Kollegen die Notenschrift, so dass er kurzerhand bei sich zu Hause anrief und die Melodie auf den Anrufbeantworter sang. Coole Geschichte zu einem coolen Stück und wieder ein Plus für das Booklet, aus der diese Information stammt. Die letzten drei Lieder sind schließlich solide bis gute Mittelalterkost, wobei sich am „Leiermann“ wohl die Geister scheiden werden. Franz Schubert vertonte die Gedichtreihe von Wilhelm Müller für Klavier, doch erst jetzt wurde der „Leiermann“ von einem echten Leiermann mit einer Leier gespielt.

Fazit: Die erfrischend neuen Ideen beweisen, dass man noch viel mit Mittelaltermusik machen kann, woran man zunächst nicht denkt. Natürlich versuchen besonders kleinere Bands auf einem Album alles unterzubringen, was geht, so dass man hier aus meiner Sicht auf gut und gerne fünf bis sieben Stücke auch verzichten hätte können, ohne echte Abstriche zu machen. Doch die eindeutig zu bemerkende Innovationslust plus das sehr gute Booklet können Fans begeistern.

Wertung: 7 / 10

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