Review The Gathering – The West Pole

  • Label: Psychonaut
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Rock

Ein geographisches Ding der Unmöglichkeit setzen uns die holländischen Urväter der alternativen Rockmusik, THE GATHERING, mit “The West Pole” vor. Gemessen an den Wandlungen, die die Band in den letzten Jahren vollzogen haben, kommt trotz des einschneidenden Ereignisses einer neuen Frontfrau ein erstaunlich – zumindest für THE GATHERINGs Verhältnisse – konventionelles Album dabei heraus.

Die Spatzen hatten es schon lange von den Dächern gepfiffen, dass Frontmieze Anneke van Giersbergen nach dreizehn Jahren ihren Ausstieg bekannt geben würde. Zunächst war der Plan, mit verschiedenen Vokalakrobatinnen zu arbeiten, so dass es auch zum Einsatz zweier Gastsängerinnen kam. Silje Wergeland von den Norwegerinnen Octavia Sperati machte dann aber doch das Rennen bezüglich der Position der dauerhaften Frontfrau, so dass dieses nicht unwichtige Detail dann auch geklärt war. Was erwartet man nun vom neunten Studioalbum der Holländer, welche sich in der Vergangenheit doch genau dadurch auszeichneten: sie machten Dinge, die gemeinhin als unerwartet galten. Sie wiederholten sich nicht, erfanden sich beständig neu, nahmen dabei aber auch beständig an Härte und Drang ab, welche sie zu Gunsten von entspannter Atmosphäre und chilligen Rocksounds zurückfuhren.

In etwa so kann man auch „The West Pole“ beschreiben, wodurch sich der „Vorwurf“ des konventionellen Albums erklärt. Man spielt wieder in allen Facetten der Kunst mit der Atmosphäre, platziert harte Gitarren an den Stellen, an welchen es nötig ist, nimmt teilweise den Fuß vollkommen vom Gas und kann sich auf die wunderbare Stimme der neuen Sängerin verlassen. Mit Blick auf zukünftige Veröffentlichungen kann man der Band schon jetzt nur gratulieren, denn das Potential, welches Silje hier abruft, ist ziemlich enorm. Dabei hat man nicht einmal das Gefühl, als wenn sie es schon vollkommen ausgeschöpft hätte, in ihrer Stammband hat sie gezeigt, dass sie auch auf wesentlich härtere Riffs sehr passabel singen kann.

Von wirklich harten Songs kann man im Fall von „The West Pole“ freilich nicht reden, aber es ist schon auffällig, dass gerade die etwas flotteren Stücke wie etwa der Titeltrack spannender, dynamischer und lebendiger klingen. Das sehr bedächtige „No Bird Call“ fällt somit ein wenig zu deutlich hinter anderen großartigen Momenten wie „Pale Traces“ oder den sehr gitarrenorientierten „Treasure“ und „All You Are“ ab. Eine rühmliche Ausnahme bietet das wunderbare, aber leider auch sehr kurze „You Promised Me A Symphony“. Ein Piano spielt eine schöne Melodie mit ziemlich wenigen Tönen – was zeigt, wie man aus wenig sehr viel machen kann – die Vocallinie kann man mit Fug und Recht als zerbrechlich bezeichnen, ein doch häufig etwas überstrapazierter Begriff, der hier seine volle Daseinsberechtigung genießt.

So geht es nun dahin, dass neue Album von THE GATHERING, welches gewiss nicht mehr so polarisieren wird wie die Werke zu Beginn der Post-Metal-Ära. Insgesamt weiß man inzwischen, was man erwarten kann. Unter dem Strich ist es meiner Meinung nach ein gutes Rockalbum, das mit Sicherheit die Fans der letzten Scheiben wie „Home“ oder „Souvernirs“ zufrieden stellen wird. Die Metalpuristen der ersten und zweiten Stunde wird man erneut nicht zurückgewinnen, aber es ist auch nur schwer vorstellbar, dass dies das Ziel war. Letztlich fehlt vielleicht ein wenig die entscheidende Konsequenz, um aus vielen guten Songs auch ein ganz starkes Album zu machen.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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