Review Vanden Plas – Christ 0

Mit „Beyond Daylight“ machten die Rheinland-Pfälzischen Progmetaller VANDEN PLAS im Jahre 2002 mächtig von sich reden: Das Album wurde mit Lobeshymnen und Höchstnoten nur so überhäuft – was zur Folge hatte, dass die Band nicht nur im benachbarten Ausland, sondern endlich auch in der eigenen Heimat die Aufmerksamkeit bekam, die sie verdient. Dass der Nachfolger „Christ 0“ dann vier Jahre Schaffenszeit in Anspruch nahm, lag vor allem daran, dass die Band in zahlreiche Theater- und Musicalarbeiten eingebunden war. So wirkte man bei „Jesus Christ Superstar“ mit und brachte die Andy Kuntz Soloscheibe „Abydos“ auf deutsche Bühnen. Von einer wirklichen Pause kann also nicht die Rede sein!

Den Konzeptcharakter des Vorgängers hat man auf dem neuen Album noch ein Stückchen weiterentwickelt: Einzelne Songs stehen nicht unter einem Oberthema, sondern erzählen eine Geschichte, die auf dem Roman „Der Graf von Monte Christo“ von Alexandre Dumas basiert. Auch musikalisch ist durchaus eine Entwicklung festzustellen, auch wenn diese eher im Detail als im Grundsound der Platte zu finden ist. Die neuen Songs klingen durchweg härter und noch epischer, der Anteil tiefgestimmter Gitarren hat deutlich zugenommen. Schlagzeuger Andreas Lill bemüht häufiger als sonst die DoubleBass, dies jedoch in einer solch variantenreichen Art und Weise, dass man sich jedes Mal aufs neue drauf freut. Keyboarder Günter Werno sorgt neben ein paar Soli vor allem für wichtige, ergänzende Farbtupfer, die dem Sound der Platte erst die richtige Tiefe und Atmosphäre verleihen. Wichtigstes Aushängeschild der Band ist aber immer noch Sänger Andy Kuntz, der zwar eine durchaus gewöhnungsbedürftige und recht unmetallische Stimme hat, gerade dies jedoch macht den Reiz an seinem Gesang aus. Er ist aus der Masse der Progmetalsänger herauszuhören, hat seinen eigenen Stil und intoniert die eigentümlichen VANDEN PLAS-Melodien auf mitreißende Art und Weise. Zwei oder drei Durchläufe braucht es auf jeden Fall, um diese als catchy und einprägsam zu empfinden – der erste Hördurchgang kann schnell in dem Eindruck enden, dass sich gesanglich alles auf einer Ebene bewegt. Das wird sich jedoch mit steigendem Konsum der Platte schlagartig ändern und schon bald möchte man genau diese Melodien nicht mehr missen!

Die Band schafft es auch im Jahre 2006 perfekt, das Attribut „progressive“ nicht allzu bierernst zu nehmen. Zwar ist das Material von „Christ 0“ so progmetallisch wie niemals zuvor von VANDEN PLAS gehört, die Songs setzen jedoch in erster Linie auf ein harmonisches Gesamtbild und abwechslungsreichen Sound. Gefühl, Stimmung und Melodien stehen hier ganz eindeutig vor instrumentalem Show-Off und Dauerfrickelei. Optimale Beispiele für solch ein Soundgewand finden wir in dem geradezu fantastischen „Silently“, das den Hörer mit seinem zunächst melancholisch-schönen Refrain in den Bann zieht, den man aber im Laufe des Stückes zu einer wahren Epic-Hymne in rasender Geschwindigkeit ausbaut. Ebenso gelungen sind ist das bombastische Titelstück, welches auch die Platte eröffnet. Hier wird Dramatik, Spannung und Geschwindigkeit aufgebaut und mündet in einem mitreißenden, flotten und headbangkompatiblen Track. Mit „Postcard To God“ geht es genau so weiter. „Fireroses Dance“ ist eine sehr gelungene Ballade, anfänglich nur von einem sanften Piano und Andy Kuntz unkitschiger Stimme getragen, entwickelt man zum Mittelteil zunehmend Drive und Epik. An dieser Stelle sei auch auf den Klassikchor des Pfalztheaters Kaiserslautern hingewiesen, der das ganze Album hindurch, vor allem aber in „Christ 0“ und dem Longtrack „January Sun“ eine wichtige Rolle einnimmt. Er sorgt zu einem großen Teil für den symphonischen, dramatischen und epischen Sound der Platte. „January Sun“ ist neben „Silently“ auch der Track, der auch nach etlichen Hörduchläufen immer noch neue Nuancen offenbart. Zwar fallen die anderen Tracks diesen beiden Songs gegenüber nicht ab, aber kompositorisch sind diese Lieder schon eher Kunstwerke als bloß nur Musik. Der Refrain von „January Sun“ wird eure Gehörgänge so schnell nicht wieder verlassen. Hier stimmt einfach alles: Die Streicherparts, die modernen Gitarrenriffs, das kraftvolle Schlagzeug, aber auch Kuntz ruhiger Gesang und die klassischen Pianoläufe. Mit dem hymnischen „Lost In Silence“ wird dann der offizielle Teil des Albums in schönem Midtempo besiegelt. Als Bonustrack gibt es noch „Gethsemane“, welches aus dem „Jesus Christ Superstar“-Musical stammt und ansprechend in ein (prog)metallisches Kleid verpackt wurde, wobei der Gesang hier musicaltypisch sehr pathosbeladen rüberkommt.

Nach insgesamt 67 Minuten ausgesprochen geschmackvoller Unterhaltung steht entgültig fest, dass VANDEN PLAS mit ihrem aktuellen Album alles richtig gemacht haben und an ihr mit „Beyond Daylight“ selbstauferlegtes Level anknüpfen können. Besonders hoch rechne ich es der Band an, dass man es trotz des hohen Bombastfaktors schafft, sich aus allzu kitschbeladenen Sounds rauszuhalten. Ob ihr nun den Vorgänger oder doch das aktuelle Werk bevorzugt, dürfte vor allem an eurem eigenen Geschmack liegen. Für mich jedenfalls hat „Christ 0“ alles, was ein sehr gutes Progmetal-Album haben muss, Langzeitspaß inklusive. Eine ausgesprochene Kaufempfehlung!

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert