Interview mit Frost von 1349

Nach zwei fast schon experimentellen Alben besinnen sich 1349 mit “Massive Cauldron Of Chaos” ihrer Kernkompetenzen und setzen wieder ganz auf aggressiven, rohen Black Metal. Vollends zu überzeugen weiß das Resultat jedoch nicht, der Unterhaltungswert des Materials wie auch der Sound des Albums sind streitbar. Ein unterkühltes Gespräch mit Schlagzeuger Frost.

1349-logo

 

Euer neues Album, „Massive Cauldron Of Chaos“, ist unlängst erschienen – bist du soweit zufrieden?
Sogar sehr. Auf dem Album präsentieren wir 1349 auf einem höheren Level als je zuvor.

Wie würdest du das Feedback auf die Scheibe bislang zusammenfassen?
Das Feedback, das wir von Freunden, Kollegen, Journalisten und anderen bislang bekommen haben, was ausnahmslos sehr, sehr gut – und ich finde das auch durchaus angemessen: Das Album ist ein verdammtes teuflisches Juwel!

Nach zwei fast schon progressiven Alben macht ihr jetzt einen Schritt zurück zu euren Wurzeln. Warum diesmal keine Experimente?
1349 Press Picture 1Ich finde nicht, dass wir in irgendeiner Weise zurück zu unseren Wurzeln gehen, außer vielleicht, dass wir uns wieder auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren. Musikalisch, hinsichtlich unserer Performance und auch, was den Sound angeht, haben wir unseren Weg, unsere Entwicklung weiterverfolgt und ein Album vorgelegt, das härter und fetter klingt als jede andere CD aus unserer Diskographie. Wenn man keine Experimente braucht, um das erwünschte Resultat zu erzielen oder die Band voran zu bringen, warum sollte man sich dann darauf einlassen? Wir sind immer gewillt, etwas zu wagen, wenn es sich richtig anfühltaber wir experimentieren nicht herum, nur um experimentell zu sein.

Persönlich finde ich den Sound des Albums dieses Mal zu brav. Vor allem dem Schlagzeugsound fehlt es an Biss, die Becken haben kaum Sustain und die Bass-Drum klingt sehr steril. War das so beabsichtigt und wenn ja: Was war die Idee dahinter?
Ich frage mich, ob du das Album vernünftig angehört hast. Ich finde den Sound des Albums sehr kraftvoll und roh, voller Grausamkeit, wilder Energie und Schwärze. Das Schlagzeug klingt knackig, treibend und donnernd … und die Attitüde der Performance wird sehr deutlich.
Gerade die Bassdrums haben genau das Level an Attack, das man braucht, damit sie sich durch die Wand aus Gitarren und Bass durchsetzen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und auch die Becken klingen genau, wie ich sie haben wollte. Wir haben extra viele extrem sorgfältig platzierte Raummikrophone genutzt, um ihnen den nötigen Raum und Hall zu geben.
Was den Gitarrensound angeht, war die Idee, ein scheinbar fast vergessenes Prinzip zu beherzigen, nämlich eine sehr harte Trennung zwischen der Lead- und der Rhythmusgitarre im Sound. Ich fand es immer schon klasse, wie die beiden total verschiedenen Gitarrensounds auf „Under The Sign Of The Black Mark“ von Bathory ineinandergreifen – eine fette, griffige und stark verzerrte Rhythmusgitarre, und eine dünnere, klarere, fast ätherische Lead. Kombiniert ergeben sie ein grandioses Werkzeug, um gleichermaßen Atmosphäre und rohe Brutalität auszudrücken. Das ist einfach ein perfektes Konzept für Black Metal, aber kaum eine Band nutzt das. Also dachten wir uns, es wäre an der Zeit, das mit 1349 auszuprobieren, und ich muss sagen, ich bin sehr zufrieden damit, wie es funktioniert hat. So kommt auch der Bass deutlich besser durch als je zuvor – etwas, das mit bisher oft gefehlt hat. Dieser Kniff, den wir auf die Gitarren und den Bass angewendet haben, hatte natürlich auch einen Effekt auf den Schlagzeugsound, weil es am Ende natürlich darum geht, wie alles zusammen klingt. Und damit sind wir am Ende angekommen: Der Schlagzeugsound wurde entsprechend angepasst, um im Kontext so gut als möglich zu klingen, und ich finde, das hat geklappt. Das Schlagzeug hat jede Menge Power und die Musik klingt als Ganzes wie eine Einheit.

1349 Press Picture 5 Color. Photo by Jorn Veberg

In unserem letzten Interview, damals im Satyricon-Kontext, hast du folgende Aussage zu Protokoll gegenben:
„Wir sind diese ganzen Alben leid, die diese unzähligen Blastbeat-Passagen und Fills nur um ihrer selbst Willen haben. Dieses ganze übertriebene Herumgespiele, das am Ende klingt, als wären Schreibmaschinen ein essenzieller Teil des Soundgefüges. Auch wenn dabei am Schlagzeug viel passiert, hört es sich nicht schnell an … es fühlt sich nicht intensiv an und schon gar nicht lebendig.“
Was unterscheidet „Massive Cauldron Of Chaos“ von diesem Typ CD, den du damals kritisiert hast?
Die Musik, die Produktion, die Attitüde, die Energie, das Feeling … insofern eigentlich alles.

Daran, dass du bei Satyricon einen sehr reduzierten Drumstil pflegst, hat man sich mittlerweile gewöhnt. Dieses Mal beschränkst du dich aber auch bei 1349 auf ein reduziertes, geradliniges Schlagzeugspiel. Warum?
Diese Frage sagt viel über dich und dein Musikverständnis aus, aber wenig über mein Schlagzeugspiel. Ich nehme mal an, du setzt voraus, dass ich dir in dieser Aussage zustimme? Nun, dann lass mich dir sagen, dass ich deine Vorstellung von einem „reduzierten, geradlinigen Schlagzeugspiel“ nicht teile. Wenn es um 1349 geht, sind die Schlagzeug-Arrangements, die ich komponiere, immer eine Kombination aus inspirierten, kreativen Lösungen und intuitivem oder instinktivem Spiel. Und der Spirit der Band im Songwriting-Prozess spielt dabei zumeist eine wichtige Rolle – das war bei diesem Album nicht anders.
Ein Punkt, mit dem ich bei den Drums auf diesem Album besonders zufrieden bin, ist, dass sie über den gesamten Albumverlauf einen sehr guten Swing oder Groove haben, der einen Teil dazu beiträgt, die Musik so lebendig wirken zu lassen – und das wiederum macht das Album stärker und bedrohlicher als alles, was 1349 bislang abgeliefert haben. Das Schlagzeug wurde geschrieben, um zur Musik und zum Spirit der Band zu passen, und es ist dieses Mal weder geradliniger, noch komplexer als früher. Meiner Meinung nach bloß etwas besser, präziser und kraftvoller.

1349 Press Picture 2 Color. Photo by Jorn Veberg

Wie entsteht ein typischer 1349-Song, verglichen mit einem Satyricon-Stück? Entscheidest du hier beispielsweise alleine, was du spielst?
Ich empfinde 1349 und Satyricon als zwei komplett unterschiedliche Welten – sowohl was den musikalischen Stil angeht, als auch dahingehend, wie die Bands arbeiten. Satyricon sind zu einem hohen Maß um die Kreationen und die Richtungsvorgabe eines genialen Komponisten herum aufgebaut, während 1349 eine Band ist, bei der wir alle vier uns mit allem, was wir haben, einbringen – geführt von unserem Instinkt und einem sehr starken Bandspirit. Wir haben auch einen sehr guten Komponisten in unseren reihen, aber wir sind alle vier sehr stark in den Kompositionsprozess eingebunden.
1349-Songs basieren in der Regel auf den Gitarrenspuren von Archaon, zu denen ich rhythmische Strukturen entwerfe. Manchmal begebe ich mich auf lange Spaziergänge durch die Wälder, um mit den Themen und Ideen eins zu werden, und es kann Wochen oder auch Monate dauern, bis mir die richtige Idee kommt. Manchmal jamme ich aber auch einfach bestimmte Themata mit Archaon oder der gesamten Band im Probenraum und mir kommt intuitiv die richtige Idee für Schlagzeugspur. Manchmal strukturieren wir die Songs dann auch noch um, aber überraschend oft gelingt es uns, Songs mit minimaler verbaler Kommunikation, Analyse oder Analyse zu schreiben. 1349 funktioniert auf mysteriöse Weise. Und das, mein Freund, ist kein Klischee, sondern schlicht die Wahrheit.

In unserem letzten Interview hast du auch erwähnt, dass Black Metal nicht konservativ sein soll und dass du stets versuchst, neu zu definieren, wofür der Begriff steht. Wie passt diese Attitüde zu einem sehr bodenständigen Album wie „Massive Cauldron Of Chaos“?
1349 Massive Cauldron Of Chaos FRONTCOVERWie bereits gesagt funktioniert 1349 nach anderen Prinzipien und Regeln als Satyricon. Dennoch folgen wir auch bei 1349 einem grundlegend fortschrittlichen Prinzip. Wir verlangen stets von uns, dass wir unsere Fertigkeiten von Album zu Album steigern. Wir versuchen aktiv, uns weiterzuentwickeln. Seit unserem Debüt „Liberation“ haben wir unsere Essenz aus Bösartigkeit, Rohheit und Düsternis schrittweise, Album für Album, um immer neue Qualitäten bereichert. Immer mit dem Ziel, unsere Ausdruckskraft zu verstärken.
„Massive Cauldron Of Chaos“ ist beispielsweise das erste Album, auf dem wir es wirklich geschafft haben, dass die Songs grooven. Das hat unserer Musik einen überraschenden Zuwachs an Intensität und Vitalität verschafft – das ist ein echter Schritt nach vorne. Unsere Erfahrungen haben uns auch ermöglicht, diesmal ein deutlich ausdrucksstärkeres, gefestigtes Album zu schreiben als wir es früher gekonnt hätten. Was für 1349 wichtig ist, ist, dass wir unseren musikalischen Ausdruck stets frisch, inspiriert und kraftvoll halten. Es ist nicht notwendigerweise unser Ziel, uns mit jedem Album neu zu erfinden – auch wenn das etwas ist, was wir wohl auch machen.

Eine letzte, allgemeinere Frage: Wie „heißen“ 1349 eigentlich wirklich? Sprecht ihr die Zahl 1349 englisch oder norwegisch aus?
Es ist eine Zahl – oder genauer ein besonderes Jahr. Insofern kann es so schwer doch nicht sein, oder? Wenn wir Norwegisch sprechen, sprechen wir sie norwegisch aus, wenn wir Englisch sprechen, englisch. Wenn du den Namen auf deutsch aussprichst, wenn du Deutsch sprichst, ist doch trotzdem noch eindeutig, worauf du dich beziehst. Es geht doch nur darum, einen Bezug zu kommunizieren.

Vielen Dank für deine Zeit – zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Deutschland: Das deutsche Thrash-Trio. Riesling. Weltkriege. Zugspitze. Touren.
Ebola: Unkontrollierbare Krankheit mit pandemischem Potential. Isolation. Eine neue Seuche.
Dein Lieblingsalbum 2014: Gibt es bislang nicht.
IS: Auch eine Seuche, in menschlicher Gestalt. Thanatos. Blindheit.
Herbst: Inspirierende Waldspaziergänge. Kreative Ideen. Rauhreif am Morgen. Erdgeruch. Rotwein.

Vielen Dank für das Interview!

1349 Press Picture 3 Color. Photo by Jorn Veberg

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