Interview mit Jörg von der Fecht, Haye Graf von Bleeding

Nach einer 2012 in Eigenregie veröffentlichten EP haben die norddeutschen Prog-Metaller von BLEEDING dieser Tage ihr Debüt „Behind Transparent Walls“ veröffentlicht, das von beeindruckender Qualität ist. Grund genug, um mit der Band über ihre musikalischen Einflüsse und das Verhältnis von Text und Musik zu reden.

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Hallo in den Norden. Ihr habt jüngst euer Debüt „Behind Transparent Walls“ veröffentlicht und soweit ich das überblicke, waren die Reaktionen durchgehend positiv bis euphorisch. Habt ihr mit so etwas gerechnet?

Unsere Demo EP von 2012 wurde ja auch schon für uns überraschenderweise fast durchweg positiv bewertet. Von daher hätte man natürlich mit den jetzigen Reaktionen rechnen können. Tatsächlich ist es aber so, dass wir uns darüber keinen großen Kopf machen und erst Recht nicht versuchen, dahingehend zu komponieren.

Da ihr als Band in der Szenenlandschaft noch recht neu seid, wäre es schön, wenn ihr euch kurz vorstellen könntet: Wer steht hinter BLEEDING? Und aus welchen Gründen habt ihr euch für diesen Bandnamen entschieden?

Ursprünglich wurde Bleeding von Jörg von der Fecht, Marc Nickel und Haye Graf gegründet, die auch die EP eingespielt/programmiert haben. Inzwischen haben wir unsere beiden kompetenten Kollegen Marc Kriese und Michael Leska ins Boot geholt, sodass sich jetzt jeder auf sein angestammtes Instrument konzentrieren konnte. Für „Bleeding“ haben wir uns letztendlich entschieden, weil wir die Band bei einem Psychotic-Waltz-Konzert gegründet haben und weil „Bleeding“ so ein schöner plakativer Begriff ist. You can actually bleed everything: Blood (offensichtlich), lyrics, music, thoughts…

Das Infoschreiben zu eurem Debüt nennt Bands wie Psychotic Waltz, Sieges Even und sogar die heute in weiten Kreisen vergessenen Depressive Age als musikalische Vergleiche zu euch. Fühlt ihr euch mit diesen Referenzen treffend charakterisiert?

Teil, teils. Wir sind manchmal schon überrascht, mit welchen Bands wir verglichen werden. Aber das ist alles natürlich subjektiv objektiv (lacht). Man achtet zum Beispiel auf den Gesangsstil (System Of A Down, Depressive Age), auf die Gitarren (Blind Guardian, Sanctuary, Anacrusis) oder auf die Atmosphäre (Psychotic Waltz). Und dann kommt sowas eben zustande. Sinnvoll sind solche Aussagen, wenn man das Ganze etwas übergeordneter betrachtet. Bands wie Depressive Age, Psychotic Waltz oder System Of A Down (die drei, mit denen wir am häufigsten verglichen werden) machen ja auch nicht immer dieselbe Musik. Hört Euch „First Depression“ im Gegensatz zu „Symbols For The Blue Times“ an. Dazwischen liegen Welten, auch wenn man sofort erkennt, welche Band das ist. Und wenn wir in der Hinsicht verglichen werden oder deshalb mit dem Stempel „progressiv“ belegt werden, weil wir eben nicht four to the floor, Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Solo, Refrain machen, dann ist das vollkommen in Ordnung für uns.

p.s: Wie kann man Depressive Age vergessen?bleedinginterview

Auf „Behind Transparent Walls“ finden sich keine Stücke eurer 2012 erschienenen EP. Wieso habt ihr euch dagegen entschieden, auf diese Songs zurückzugreifen und spielt ihr mit dem Gedanken, sie vielleicht auf anderem Wege noch einmal zugänglich zu machen?

Warum sollten wir darauf zurückgreifen, wenn wir genügend neue Songs haben? Die Songs werden ja auch weiterhin erhältlich sein. Und tatsächlich stehen sie ja auch für einen anderen Abschnitt der Band. Wir finden sie aber immer noch voll geil, von daher werden wir sie auch weiterhin live spielen.

Mit „Behind Transparent Walls“ habt ihr eine ziemlich kreative und zugleich auffallend routiniert klingende CD aufgenommen. Wie lange habt ihr an dem Album gearbeitet?

Was das Songwriting betrifft, sind die Songs zum Teil sehr schnell in einem vorzeigbaren Stadium gewesen. So viel Bearbeitung war dann gar nicht mehr nötig. Es gab aber auch Songs, die in drei verschiedenen Versionen vorlagen und letztendlich hat es keine davon auf das Album geschafft. Von daher ist schwierig, eine genaue Zeitspanne zu nennen. Das gleiche gilt fürs Recording, das wir alle zuhause gemacht haben. Immer wenn Zeit war, hat man sich rangesetzt. Da hatte es unseren Schlagzeuger und unseren Basser eher noch am schlimmsten getroffen, auch wenn beide einen geilen Job abgeliefert haben! Vor allem Michi, der als letztes dazugestoßen ist und in relativ kurzer Zeit die weitestgehend festgelegten Sachen einspielen musste. Diese Arbeitsweise werden wir mit dem folgenden Album (wofür das Songwriting tatsächlich schon begonnen hat) allerdings etwas ändern.

Neben der Musik scheinen mir bei euch die Texte eine enorm wichtige Rolle zu spielen – was in der Rock- und Metal-Szene häufiger nicht der Fall ist. Würdet ihr sagen, dass Text und Musik gleichwertig nebeneinander stehen?

Grundsätzlich ist unsere Arbeitsweise so, dass am Anfang die Musik steht und zu dieser Musik dann die Texte entwickelt werden. So gesehen gibt es zumindest vom zeitlichen Ablauf her eine gewisse Hierarchie zwischen Text und Musik. Die Frage nach der Gleichwertigkeit ist schwer zu beantworten, würden die Texte ohne die Musik funktionieren? Sicherlich nur sehr bedingt. Würde die Musik mit anderen Texten funktionieren? Auf alle Fälle! Also würde ich sagen 1:0 für die Musik, womit ich natürlich auf keinen Fall sagen möchte, dass die Texte unwichtig wären, im Gegenteil!
Welche Themen Cover-400treiben euch um, wovon handeln eure Songs?

Die Themen sind vielfältig und aus verschiedensten Quellen gespeist, wie z.B. die ganz persönliche Erfahrung im Umgang mit einer Person, die an Demenz leidet („Fading World“) wie auch einer eher allgemein gehaltenen Medienkritik „(Infinite Jest“), jedenfalls alles weitab von sowohl Drachen und Schwertern als auch irgendwelchen Sci-Fi- Themen.

In eurem Song „Infinite Jest“ heißt es: „We spend our money / on junk and crap“. Wie stellt man als Künstler sicher, dass man nicht selbst zum Inventar einer seelenlosen Unterhaltungsindustrie, sprich des „Infinite Jest“ wird?

Die Antwort weiß ich nicht, wir sind als Gruppe (noch) viel zu klein, als dass sich uns diese Frage stellen würde. Bei uns und auch bei unserer Plattenfirma Pure Steel läuft alles über die Freude am Tun und nicht über irgendwelche kommerziellen Interessen, aber letzten Endes ist das meiner Meinung nach auch bei den meisten erfolgreicheren Bands der Fall, eine seelenlose Industrie kann ich, zumindest in unserem Segment, gar nicht erkennen.

Würdet ihr sagen, dass das Musik Machen auch eine Art ist, sich seiner selbst und seiner Stellung in der Welt ein bisschen klarer zu werden?

Definitiv! Musik machen ist Flucht, Musik machen ist Selbst-Reflexion, Musik machen fördert das Selbstbewusstsein und nicht zuletzt macht Musik machen auch nicht gerade dümmer.

Auf eurer Homepage habt ihr vor Kurzem nach „ambitionierten Filmern“ gesucht, um euch bei dem Dreh eines Videos zu unterstützen. Seid ihr mittlerweile fündig geworden und könnt ihr schon etwas über die Idee zu dem Video erzählen?

Wir haben zwei, drei Kandidaten, aber das wird sich alles auf einem Low- bis No-Budget-Niveau abspielen. Weswegen es nicht schlecht werden muss, aber jetzt schon etwas anzukündigen, weckt eventuell falsche Erwartungen. In unseren Köpfen sind mindestens schon drei Videos fertig, es hapert nur noch an der einigermaßen ansehnlichen Umsetzung, haha. Wenn sich übrigens noch jemand angesprochen fühlt, darf er/sie sich gerne bei uns melden!
Bandpic without Logo verkleinertStehen bei euch größere Live-Pläne im Raum, um euer Album auch auf der Bühne zu präsentieren?

Wir würden gerne noch ein paar Live-Sachen machen, aber größere Tourneen über Wochen wird es bei uns in absehbarer Zeit nicht geben. Haben ja alle noch einen Job und Familien in der Parallelwelt.

Wir sind fast am Ende des Interviews angekommen. Ich möchte mit euch noch kurz das Metal1-Brainstorming durchspielen. Sagt uns einfach kurz und knapp, was euch zu den folgenden Begriffen einfällt:

Facebook: Der Antichrist. Fluch und Segen.
Realität: schon mal von gehört…
Psychotic Waltz: Wir waren schneller! PW haben bei oben erwähntem Konzert ein neues Album angekündigt, wir haben inzwischen schon 1 ½ veröffentlicht. Trotzdem grandiose Band, wir lieben sie!
Freitagabend: Sind wir doch ehrlich: Sofa!

Herzlichen Dank, dass ihr euch für unsere Fragen Zeit genommen habt. Die abschließenden Worten gehören euch.

Vielen Dank für das interessante Interview! Wir werden auch weiterhin die Musik machen, auf die wir Bock haben, und wenn wir damit auch noch andere Menschen glücklich machen können, ist das doch schon mehr als man erwarten darf. Peace out!

Publiziert am von Manuel Förderer

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