Interview mit Simon von Embercrow

Die deutschen Gothic-Rocker EMBERCROW haben mit ihrem jüngst erschienenen Debütalbum „Blacklight Wanderers“ einen Teil der Lücke geschlossen, die sich im deutschen Düsterbereich in den letzten Jahren aufgetan hat. Grund genug, mit Simon, Sänger und Gitarrist der Band, ein paar Worte zu wechseln. Dabei wusste er auf sehr symphatische Art und Weise von Werdegang und Zukunftsplänen zu berichten.

Logo-2013

Die meisten unserer Leser werden mit euch wohl noch nicht das Vergnügen gehabt haben. Stelle EMBERCROW doch bitte mal ganz kurz vor.
Moin, wir sind Embercrow aus Hamburg und spielen melancholische Musik zwischen Rock und Metal. Uns gibt es bereits seit 2004. Aufgrund vieler Line-Up-Wechsel und der damit verbundenen fehlenden Kontinuität würde ich den eigentlichen Startschuss für die Band in der heutigen Form allerdings erst im Jahre 2008 verorten. Ab diesem Zeitpunkt hatten wir zum ersten Mal für längere Zeit ein stabileres Line-Up, welches auch stilistisch bewusst in eine bestimmte Richtung gearbeitet hat. Das Ergebnis ist nach einer EP und einer Single nun unser vorliegendes Debüt-Album „Blacklight Wanderers“. Ich hoffe, eure Leser leihen uns ein aufgeschlossenes Ohr.

Stellt der Bandname irgendeine Assoziation zum Phoenix dar, der aus der Asche wiedergeboren wurde oder welche Bedeutung messt ihr dem Namen zu?
Anfangs haben wir lediglich einen Namen gesucht, der relativ kurz und prägnant ist und außerdem die Stimmung unserer Musik gut charakterisiert. Darüber hinaus sollte er im Logo gut zu visualisieren sein. Heutzutage, wo die meisten coolen Bandnamen bereits vergeben sind, gar nicht so einfach.
Es haben uns im Laufe der Zeit allerdings schon weitere Leute mit einer ähnlichen Deutung wie du angesprochen und ich finde dieses Motiv ziemlich passend. Die Embercrow quasi als düstere Variante des Phoenix, die aus den Schatten und den Flammen emporsteigt. Schön klischee-behaftet, aber trotzdem cool (lacht). Zumal die Phoenix-Symbolik von Tod und Wiedergeburt auch hervorragend zu vielen Inhalten unseres Albums passt. Aber dazu später mehr.

Embercrow - Interview 2013 I

Ihr habt euch bewusst zu eurer Spielart entschieden, sich wohl wissend, dass man im Gothic Rock / Metal auf ziemlich ausgetreten Pfaden unterwegs ist. Wie groß kann euer Beitrag sein, diese Pfade wieder etwas salonfähiger zu machen?
Oha, schwierige Frage. Ich finde es immer extrem schwer, sein eigenes Schaffen in einen gesamtmusikalischen Kontext einzuordnen. Das können meist externe Hörer/Beobachter besser. Und die Frage, ob wir uns auf ausgetretenen Pfaden bewegen oder unser Stil gerade angesagt ist oder nicht, spielt für uns auch ehrlich gesagt keine große Rolle. Wir machen einfach die Musik, die wir selber gern hören und hoffen, dass es anderen Leuten auch gefällt. Ich weiß, das sagt jede zweite Band von sich im Interview, aber so ist es nun mal.
Und wenn wir vielleicht ein wenig dazu beitragen können, dass man beim Begriff Gothic Rock / Metal wieder eher an Paradise Lost oder Katatonia denkt, als an kajalbemalte Bengelchen, die eigentlich seichten Poprock spielen oder Trällerelsen-Bombast-“Metal“, dann hätten wir auf jeden Fall einen guten Beitrag geliefert (lacht).

Manche eurer Songs erreichen durchaus unübliche Liedlängen, trotzdem verliert ihr den Song als solchen nicht aus den Augen. Ist dieser Balanceakt schwierig zu bewältigen?
Über die Länge eines Songs machen wir uns bei Songwriting wenig Gedanken, deshalb empfinden wir es eigentlich nicht als Balanceakt. Letztendlich zählt nur, was der einzelne Song an sich benötigt, bis man das Gefühl hat, er ist „fertig“. Ob das nun nach dreieinhalb Minuten der Fall ist oder erst nach acht, ist unwichtig und kaum planbar.
Damit es interessant bleibt, versucht man lediglich instinktiv, über die Albumdistanz eine ausgewogene Mischung hinzubekommen zwischen eher einfach arrangierten Songs und Liedern, die vom Aufbau her ein wenig komplexer sind. Wir sind keine sehr technische Band und versuchen den Fokus daher bewusst eher auf abwechslungsreiches und flüssiges Songwriting zu legen, als auf Instrumentalakrobatik. Insofern freut es uns natürlich, wenn du findest, dass uns das ganz gut gelingt.
Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass 3/4 von uns noch in einer Doom-Band spielen und wir von daher sowieso ein anderes Verhältnis dazu haben, was „normale“ Songlängen sind (lacht).

Ich finde, dass die Instrumente viel Raum zur Entfaltung haben und die Musik nicht vor allem durch den Gesang dominiert wird. Wie viel Absicht steckt dahinter?
Sehr viel, denn für uns ist der Gesang lediglich ein weiteres Instrument und als solches bekommt er auch nicht mehr oder weniger Gewichtung als die anderen Instrumente. Instrumentierung, Gesang und Text zusammen sollen im Idealfall eine bestimmte Stimmung erzeugen. Beim Arrangieren stehen daher, wie bereits gesagt, stets die Bedürfnisse des Songs im Fokus, denen sich natürlich auch der Gesang unterzuordnen hat.

Blacklight Wanderers

Als alter Freund von Lake Of Tears muss ich natürlich auf euer Cover „Return To The Outer Realms“ eingehen. Insgesamt gesehen natürlich eine recht ungewöhnliche Wahl, wie kam es dazu?
Das ist einfach zu beantworten: Ich bin riesiger Lake Of Tears – Fan, die Band begleitet mich schon seit ihrem ersten Album. Speziell die textliche und musikalische Verknüpfung zwischen den beiden Songs  „Upon The Highest Mountain“ und „The Path Of The Gods (UTHM Part 2)“ fand ich schon immer cool und als sich abzeichnete, dass bei uns ein längerer Song mit dem passenden Vibe entsteht, habe ich einfach dreist beschlossen, so eine Art inoffiziellen dritten Teil zu schreiben. Daher würde ich bei unserem Song auch eher von einer Hommage als von einem Cover sprechen. Musikalisch ist es größtenteils ein eigener Song von uns, auch wenn natürlich einzelne Themen bewusst aufgegriffen werden. Textlich habe ich Bausteine aus den beiden LOT-Songs neu arrangiert und aus der Perspektive eines Außenstehenden dargestellt, der sich zu einer Spurensuche in die „Outer Realms“ aufmacht. LOT-Kopf Daniel Brennare scheint das ganze zumindest OK zu finden, er hat uns auf jeden Fall seine Erlaubnis für den Song gegeben (lacht).

Die Songtitel klingen allesamt interessant und „nach mehr“. Wovon handeln die Texte und gibt es ein durchgehendes Konzept?
Ein durchgehendes Konzept gibt es nicht, aber einen roten Faden, der sich durch viele Texte des Albums zieht. Es geht oft um den ewigen Kreislauf zwischen Leben und Tod und welch unwichtige Rolle der einzelne Mensch darin eigentlich spielt. Darauf bezieht sich auch der Plattentitel. Jeder Mensch durchwandert sein Leben als flüchtiger Schatten innerhalb des großen Ganzen. Wenn man z. B. keinen religiösen Glauben oder ähnliches hat, der einem einen Sinn auch über das Leben hinaus vorgibt, dann kann einen die vermeintliche Zwecklosigkeit unseres Daseins schon manchmal nachdenklich machen. Motive wie Sinnsuche, Zweifel und auferlegte Zwänge und wie man mit ihnen umgeht, ziehen sich daher durch die Texte. Ich versuche das Ganze allerdings stets in kleine Geschichten einzubetten und benutze dabei gerne Metaphern und Personifizierungen. Im Optimalfall bieten die Texte dem Hörer eine zusätzliche Ebene innerhalb des Songs, falls sich jemand aber nicht dafür interessiert oder sie nicht mag, dann kann ich auch damit leben (lacht).

Recht gelungen ist auch das Artwork. Kannst du ein paar Worte dazu verlieren (was sagt es aus, wie passt es zum Konzept des Albums etc.)?
Das Artwork stammt von Jakob von InnerSun Media, ein guter Kumpel der Band, der zudem auch einige Backing Vocals beigesteuert hat. Wir haben ihm die Idee hinter dem Albumtitel und die Textinhalte erklärt und ihm dann weitgehend freie Hand gelassen. Das Ergebnis hat uns alle total begeistert. Es visualisiert perfekt den Inhalt des Albums, indem es quasi die Bandmitglieder als „Blacklight Wanderers“ zeigt.

Ich finde „Blacklight Wanderers“ erfreulich frisch und unverkrampft, das gewisse Maß an Eigenständigkeit ist vorhanden. Gibt es trotzdem Vorbilder, denen ihr nacheifert?
Vielen Dank für die Blumen! Wirkliche Vorbilder, nach denen man gezielt zu klingen versucht, gibt es nicht. Aber natürlich wird man von dem inspiriert, was man selber gerne hört. Wenn jemand bei uns Einflüsse von Bands wie Lake Of Tears, Amorphis, Paradise Lost, Katatonia oder Anathema ausmacht, so werden wir das mit Sicherheit nicht abstreiten. Auch 70ies-Elemente von Bands wie etwa Black Sabbath oder Deep Purple haben bei uns bestimmt Spuren hinterlassen. Darüber hinaus versuchen wir einfach ab und an, ein wenig über den stilistischen Tellerrand zu schauen, um uns so ein gewisses Maß an Eigenständigkeit zu erarbeiten. Das musikalische Rad neu erfinden kann man eh nicht mehr, aber die bekannten Zutaten so zusammenschmeißen, dass etwas Cooles dabei rauskommt sehr wohl.

Wovon lasst ihr euch sonst inspirieren?
Inspiration kann von nahezu überall her kommen. Bücher, Filme, das Weltgeschehen, persönliche Gespräche und Erfahrungen, das Leben halt. Eine Gemeinsamkeit ist lediglich, dass es meistens düstere, traurige oder nachdenkliche Dinge sind, die mich kreativ anregen. Jetzt muss ich selber fast ein bisschen lachen, weil das so nach schlechtem Klischee klingt, daher muss ich kurz ausführen: Wir sind in der Band alle sehr fröhliche und unkomplizierte Typen, die gerne und viel auch außerhalb des Kellers lachen (lacht). Lediglich in musikalischer Hinsicht ist es zumindest bei mir einfach so, dass mich „fröhliche“ Musik tendenziell einfach nicht so anspricht, wie im weitesten Sinne melancholische. Klar, dass sich das dann auch in der eigenen Musik und den Texten widerspiegelt.

Was gibt es zu Live-Aktivitäten zu berichten? Seid ihr als recht junge Band in diesem Bereich besonders aktiv oder liegen da (noch) zu viele Steine im Weg?
Da legst du den Finger ein wenig in die Wunde. Wir haben in der Vergangenheit weniger live gespielt, als wir gerne gewollt hätten. Das lag zum einen an unseren Line-Up-Problemen und den damit verbundenen eher halbherzigen Bemühungen um Auftritte, zum anderen hatten wir aber auch ein wenig Pech und haben ohne das richtige Vitamin-B nicht so richtig einen Fuß in die Tür bekommen, was vernünftige Gigs angeht. Das ist sehr schade, denn bei den Konzerten, die wir gespielt haben, waren die Reaktionen meistens äußerst positiv. Wir hoffen also, dass wir in Zukunft öfter live zu erleben sein werden und werden unsere Bemühungen in diesem Bereich auch definitiv verstärken. Falls das hier also Booker, Veranstalter oder sonstige Interessierte lesen, winke ich heftigst mit dem Zaunpfahl: Meldet euch gerne bei uns!

Embercrow - Interview 2013 II

Ein kurzer Ausblick in die Zukunft, wo soll die Reise mittelfristig mal hingehen?
Ich sage mal so: Wenn wir mit Embercrow in der Lage wären, regelmäßig neue Musik zu veröffentlichen und live zu spielen und sich dabei genug Leute für unser Tun interessieren, um nicht auf Dauer finanziell drauflegen zu müssen, das wäre schon ganz nett (lacht). Ich denke aber so oder so, dass wir der Musik erhalten bleiben werden, wir machen das alle schon recht lange und können gar nicht anders.

Gut, mit den Fragen wäre ich durch, zum Abschluss möchte ich dich noch mit dem traditionellen Metal1-Wortspiel konfrontieren, was fällt dir als erstes zu den folgenden Begriffen ein:
Bundestagswahl: Ich persönlich habe da jedes Mal das Gefühl, mich lediglich für das kleinste Übel entscheiden zu können. Nichtwahl ist für mich aber auch keine Alternative, in anderen Ländern sterben Menschen für die Möglichkeit, überhaupt ihre Stimme abgeben zu dürfen. Von daher Jammern auf hohem Niveau.
Phantomtor: Dass der Videobeweis immer noch nicht zugelassen ist, ist eine Farce. Ansonsten sehr erheiternd, wenn man nicht gerade Hoffenheim-Fan ist.
NSA-Skandal: Komplett unakzeptabel natürlich, aber wenig überraschend. Und glaubt ernsthaft irgendwer, dass die Bundesregierung das nicht sowieso wusste und selber davon profitiert hat?
Herbst: Die beste Jahreszeit um Embercrow zu hören.
Winter: Ebenfalls sehr gut geeignet, um Embercrow zu hören (lacht) Davon ab, vielleicht etwas überraschend, nicht gerade meine favorisierte Jahreszeit.

So, das war es dann endgültig, vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten. Die letzten Worte gehören dir.
Wir bedanken uns bei euch für euer Interesse und dieses Interview. Hat Spaß gemacht! Ich hoffe, euren Lesern auch. Wir freuen uns über jeden Support, danke an alle Unterstützer der Embercrow!
Ach und checkt neben uns unbedingt auch mal Crimson Swan an. Elegischer (Death-)Doom, bei dem euch einige Nasen nach diesem Interview vielleicht bekannt vorkommen (lacht). Und supportet generell den (lokalen) Underground, indem ihr Sachen von kleineren Bands kauft und zu deren Konzerten geht. Es gibt ne Menge Perlen abseits der großen Promobudgets zu entdecken!

Publiziert am von Jan Müller

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