Interview mit Simon und Olli von Finsterforst

Eine Speerspitze des deutschen Düster-Undergrounds ist zurück. FINSTERFORST beglücken ihre Fans dieser Tage mit dem vierten Album „Mach dich frei!“. Im Interview äußern sich Gitarrist Simon und Sänger Olli zum Album, zur Kritik an Klischees, zu langen Songs und plaudern zu guter Letzt auch noch aus der kulinarischen Ecke.

Finsterforst transparent

Euer viertes Album „Mach dich frei“ ist soeben erschienen. Obligatorisch ist natürlich die Frage: Seid ihr mit der Scheibe ganz und gar zufrieden?
Simon: Absolut! Wir sind sehr stolz auf die Platte und es freut uns, dass bisher weitgehend sehr positives Feedback an uns dringt.

Ich selber kenne mich mit eurem Backkatalog nicht sonderlich gut aus. Wie würdest du „Mach dich frei“ in euer Schaffen einordnen? Was macht die Platte besser als frühere Werke?
Olli: Ich denke man kann die Platte als konsequente Weiterentwicklung dessen bezeichnen, was wir auf „Rastlos“ gemacht haben. Von der Stimmung her zwar anders, aber in Sachen Songwriting und Umsetzung sind wir überall den kleinen Schritt weiter gegangen. Das macht die Platte auch besser, wir haben vor allem Feinschliff betrieben und vielleicht auch die eine oder andere Länge vermieden, die es auf „Rastlos“ gab. Ich will den Vorgänger aber nicht kleinreden, das war ebenfalls eine geile Platte, auf die wir mächtig stolz sind.

Finsterforst Interview 2015 I

Was macht für euch den Reiz aus, Songs mit Spielzeiten von über 20 Minuten zu schreiben? Selbst wenn man drei Lieder daraus machen würde, hätten sie ja noch eine opulente Spielzeit…
Simon: Ein Song ist dann fertig, wenn der Sinn vorhanden ist. Ob dieser von jedem als verstehbar oder verständlich angenommen wird, ist eine andere Sache. Ich persönlich bestehe gerade bei FINSTERFORST auf eine etwas tiefere, härtere und schwerere Stimmung, welche dich in verschiedene Welten und Gemütszustände versetzen kann. Das ist doch wie mit dem Essen: Während so mancher auf die schnelle Spaghetti-Bolognese-Variante schwört, gibt es halt auch Leute, die etwas mehr Abwechslung in Sachen Genuss verlangen und auch brauchen – ein Salat als Einstieg zum Beispiel, gefolgt von einer göttlichen Haxe, welche dann zum Schluss eventuell noch mit einem Dessert abgerundet wird. Dazu gibt’s Rotwein oder ein bis vier Weizen. Wer so ein Menü in drei Einheiten teilen will, der soll das tun – jedem Songwriter soll seine Freiheit gegeben sein. Egal, ob der Track zwei oder 30 Minuten dauert: Hauptsache, es fetzt!

Generell ist heutzutage eine „Value For Money“-Einstellung begrüßenswert, besteht aber bei über 70 Minuten Material nicht die Gefahr, langweilig zu werden oder sich zumindest zu wiederholen?
Olli: Die Gefahr besteht natürlich, aber ich denke wir bieten genug Abwechslung. Die Fans bestätigen uns das auch. Das einzige „Problem“ ist eigentlich, dass du mit solcher Musik natürlich keine großen Massen ansprichst, denn das gibt die Aufmerksamkeitsspanne bei vielen einfach nicht her. Ich bemerke aber noch eine andere Gefahr einer solch langen Platte mit langen Songs. Je größer die Publikation, in der sie besprochen wird, desto deutlicher merkt man, dass der Rezensent sich nicht die Zeit nehmen konnte, das Album wirklich auf sich wirken zu lassen und es zu erforschen. Da schreibt dann mancher kleine Blogger ein besseres Review, weil er sich die Zeit nimmt, die das Album nun mal erfordert.

Wie kompliziert ist in diesem Zusammenhang die Auswahl der richtigen Sounds und des Mixes insgesamt? Drohen die kleinen Details manchmal unterzugehen?
Simon: Es ist verdammt schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. Es ist ja nicht so, dass wir eine schlichte Gitarren-Bass-Schlagzeug-Gesang-Besetzung am Start haben. Da ich die Musik schreibe, habe hauptsächlich ich auch schon im Vorfeld der Produktion meine klanglichen Vorstellungen im Kopf und weiß, in welche Richtung ich gehen will. Schon während des Kompositionsprozesses kommen mir die meisten Ideen bzw. Skizzen bzgl. etwaiger Soundmöglichkeiten. Für „Mach dich frei“ habe ich mich zum ersten Mal richtig ins Zeug gelegt, was die Ausarbeitung der synthetischen und orchestralen Arrangements betrifft. Der Mix war dann eine besondere Herausforderung für uns. Dank Christoph Brandes von den Iguana Studios wurde dieser aber mit Bravour gemeistert, wie ich finde. Klar, bei der komplexen Zusammensetzung von so vielen verschiedenen Soundwelten muss man hier und da ein paar „Kompromisse“ eingehen, welche aber meiner Meinung nach auf diesem Album – wenn überhaupt – sehr selten in Erscheinung treten.

Finsterforst Cover

Die Texte habe ich in dem Review dezent kritisiert, da sie mir insgesamt etwas aufgesetzt und klischeehaft vorkamen. Würdest du dies auf die deutsche Sprache schieben, bei der ein deutschsprachiger Redakteur vielleicht schneller Unebenheiten ausmacht?
Olli: Du bist auch nicht der einzige, der Kritik an den Texten übt. Das war mir beim Schreiben auch vollkommen klar und ich habe es sehr genossen, als am Release-Tag einer unserer Fans als erster eine der verräterischen Zeilen entdeckt und uns auf die Facebook-Seite gepostet hat. Ohne ins Detail zu gehen, in den Texten steckt sehr viel mehr Humor, als man uns zuschreibt und das Spiel mit den Klischees habe ich sehr bewusst gesucht. Es findet seit Jahren so eine Art Wettrüsten statt, was die Tiefe und Schönheit deutscher Texte angeht, allerdings findet man davon sehr viel in der Literatur wieder, oft sogar 1:1. Das ist mir zu lächerlich, da benutze ich lieber meine eigene Sprache und haue vordergründig richtig einen raus, während die zweite Ebene vielleicht bei vielen verloren geht. Wer mich persönlich ganz gut kennt, hat jedenfalls viel Freude an den Texten und ich habe nicht das Gefühl, mich mal grundreinigen zu müssen.

Vielleicht bleiben wir kurz beim „Drum-Herum“; welche Aussage hat das Coverartwork und wie verbindet es sich mit dem Gesamtkonzept?
Simon: Das Artwork sagt genau den Titel aus: „Mach dich frei“! Haha, von was du dich frei machen sollst, kannst nur du wissen.

Was würdest du als alter Szene-Hase jungen Bands empfehlen, die diese Spielart lebendig halten wollen? Braucht es überhaupt noch so viel Nachwuchs oder wären vielleicht mal neue Wege wichtig?

Olli: Einfach machen und vor allem abseits der ausgetretenen Pfade wandeln. Natürlich hat man als Klon einer erfolgreichen Band im ersten Moment mehr Erfolg, aber der ist dann auch sehr begrenzt und man langweilt sich irgendwann selbst zu Tode. Die Frage nach dem Nachwuchs schlägt in die gleiche Kerbe. Natürlich braucht die Szene keine neuen Eluveitie, Equilibrium oder Finntroll, die gibt es schon. Aber wenn jemand andere Einflüsse mitbringt und damit die Szene bereichert, dann braucht die Szene diese Band unbedingt, denn es gibt nicht viele Bands, die wirklich Neues schaffen.

Wie sieht es auf dem Live-Sektor aus? Werdet ihr „Mach dich frei“ auf die Bühne bringen?
Olli: Den Song auf jeden Fall, die ganze Platte eher nicht, dafür haben wir ja selten genug Spielzeit und man will ja auch den treuen Fans der ersten Stunde etwas von den alten Sachen bieten. Ansonsten gibt es keinen Grund zur Beschwerde, wir haben einen ziemlich geschäftigen Sommer vor uns, dazu im März die Paganfest-Shows und für die zweite Jahreshälfte arbeiten wir intensiv daran, nochmal länger auf Achse zu gehen.

Finsterforst Interview 2015 II

Ich könnte mir vorstellen, dass eine Band, die in einem flüssigen Rhythmus vollgepackte CDs veröffentlicht, ständig an neuem Material arbeitet. Gibt es schon dezente Pläne für Album Nummer V?
Olli: Im Hinterkopf gibt es natürlich Pläne für die fünfte Scheibe, aber davor widmen wir uns erstmal einem anderen Projekt, über das ich hier aber noch nichts verraten will. Auf jeden Fall dürfte es einige Leute ziemlich überraschen und anwidern. Ich freue mich schon darauf!
Simon: Und ich mich erst, haha!

So, mit den Fragen wären wir durch, aber schließlich ist es ja gute Sitte, auch noch ein kleines Wortspiel anzuhängen. Deine spontanen Gedanken zu den folgenden Begriffen:
Olli:
Wahl in Griechenland: Mal gucken, was von den Ankündigungen an der Realität scheitert, vielleicht aber wenigstens ein Warnschuss in Richtung eingeschlafener Politik in der EU.
Ebola: Eine Tragödie, es trifft immer die Schwächsten und wir müssten mehr tun.
Che Guevara: Der Mann war nie so groß wie das Symbol, das aus ihm wurde.
Winter: Hoffentlich bald vorbei.
Fußball-Bundesliga: Ein Elend für die gesamte Band, egal ob Freiburg- oder wie ich Hertha-Fan.

Jetzt habt ihr es aber wirklich geschafft. Vielen Dank für die geduldigen Antworten, die letzten Worte gehören euch.
Olli: Komm, sag aber auch was Simon!
Simon: Vielen Dank an alle, die an uns glauben und auch an diejenigen, die meinen, dass der Geist FINSTERFORSTs tot sei und wir schon ordentlich Asche mit unserer Mucke verdienen! Habt eure Mitmenschen lieb, kocht was Schönes, denkt positiv und macht euch frei!

Publiziert am von Jan Müller

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