Interview mit Aran von Lunar Aurora

Gut fünf Jahre ist es her, dass LUNAR AURORA mit ihrem Album „Andacht“ ein letztes Mal zu begeistern wussten, bevor sie sich auf unbestimmte Zeit verabschiedeten – ebenso lange ist auch unser letztes Interview her. Nun meldete sich das Duo mit seinem neunten Studioalbum, „Hoagascht“, eindrucksvoll zurück – Grund für uns genug, uns mal wieder bei Sänger und Gitarrist Aran zu melden und diesen zum Gespräch zu bitten. Lest hier die Hintergründe zur Band-Pause, dem Album selbst und der Idee (un)freiwillig komischer Trachten-Photos…

Sers! Danke, dass du dir die Zeit für ein Interview genommen hast. Wie geht es dir?
Servus! Danke, soweit geht es mir gut. Und selbst?

Ich kann auch nicht klagen, danke der Nachfrage. Mit „Hoagascht“ habt ihr euch nach fünf Jahren Pause eindrucksvoll zurückgemeldet, Gratulation dazu. War diese Rückkehr immer geplant, oder stand im Raum, LUNAR AURORA für immer auf Eis zu legen?
Wir hatten in der Öffentlichkeit bekannt gegeben, dass wir „on hold“ sind. Uns war schon klar, dass wir ein neues Album machen werden. Uns war nur nicht klar, wann, wie und wo.

Ihr habt davor ja vier Alben in drei Jahren veröffentlicht. War die Luft nach diesem Release-Marathon erst mal raus, oder woran lag es, dass ihr euch nach „Andacht“ zurückgezogen habt?
Ich war irgendwie müde und etwas überdrüssig. Und Whyrhd hatte sich eh schon aus privaten Gründen zurückgezogen. Später wurde Sindar Vater und hatte auch sonst viel um die Ohren. Ich wohnte damals zwischendurch in entfernteren Landstrichen. So war jeder erstmal mit sich und diversen Themen beschäftigt. Da blieb demnach wenig Zeit für die Musik.

Das letzte Album hat dementsprechend mittlerweile fünf Jahre auf dem Buckel – bist du aus heutiger Sicht betrachtet mit dem Album noch zufrieden? Oder gibt es etwas, das du bereust oder jetzt anders machen würdest?
Es gibt so ziemlich bei jedem Album etwas, das ich heute anders machen würde. Aber wir haben innerhalb der Band immer sehr experimentell und spontan Musik gemacht und diese dann auch sehr impulsiv im Studio umgesetzt. Konzepte hatten wir nie. Somit haben die Alben aber wiederum einen eigenen Zeitcharakter und Charme.

Sindar hat die Band ja, wie du bereits angesprochen hast, mittlerweile verlassen – wie viel hat sich dadurch im Bandgefüge von LUNAR AURORA verändert?
Natürlich hat Sindar mit seiner Art die Musik gefärbt, aber da wir trotzdem noch mit Whyrhd und meiner Wenigkeit aus den Gründungsmitgliedern bestehen, ist es zu verkraften. Schade ist es trotzdem!

Und was ist an LUNAR AURORA 2012 sonst noch anders als noch 2007? Oder alles beim Alten?
Die Augenringe sind größer.

Ok, kommen wir etwas konkreter auf „Hoagascht“ zu sprechen. Wie schon der Name verrät, habt ihr mit dem Album mal etwas ganz neues, und dabei dennoch traditionelles ausprobiert: Bayerisch als Text-Sprache. Wie kam euch die Idee, und warum hat sie euch überzeugt?
Wir sind in den späten 70ern und in den 80ern sehr ländlich im süd-oberbayrischen Raum aufgewachsen. Und leben dort bis heute. Wir sind schon als Kinder oft in den Alpen gewesen, wir haben die harte Dorfschule mitsamt Watschn und Ohrenziehen überstanden, den Misthaufen und das Wirtshaus neben der Kirche gehabt, unser Religionslehrer war zugleich der Pfarrer, wir haben früh Perchtenläufe erlebt, wir haben Brauchtum hautnah im eigenen Dorf mitbekommen und zum Teil mitgemacht, wir haben beim Bauern mit auf dem Traktor gesessen und uns dabei den Arm am Auspuff verbrannt, wir haben in Heuschuppen und zwischen Heumandl gespielt, wir haben bayrische Wirtshausluft inhaliert, wir haben die ganze Mentalität der Menschen hier verinnerlicht und sind selbst ein Teil davon. Wir haben die ganzen Eigenheiten der hiesigen Natur in allen Jahreszeiten genossen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis sich das auch mal in einem Album niederschlägt.

Wie glaubt ihr wird dieser extravagante Vorstoß oberhalb des Weißwurstäquators aufgenommen? Schon trotzige Neid-Reaktionen von Fans aus Bundesländern mit nicht so schönen Dialekten bekommen? ;)
Ich erfahre eher, dass es von allen Seiten als recht positiv angenommen wird. Und eigentlich ist es schade, wenn die Verwendung des heimatlichen Dialekts an sich zu einem Thema wird. Lokalkolorit ist doch was Schönes und gerade in Zeiten der Gleichmachungen zu begrüßen. Wir setzen das nicht affektiert ein, sondern das ist einfach ein Teil von uns. Selbst wenn wir schriftdeutsch Sprechen, hört man den Dialekt heraus.

Aber mal ehrlich – auch als gebürtiger Bayer muss man nicht alles verstehen, oder? Vielleicht stehe ich auch nur auf der Leitung, aber „Hoagascht“ bedeutet was genau?
Wie’s auch bei Wikipedia steht: Der Name „Hoagascht“ leitet sich von „Heimgarten“ ab und bezeichnet ursprünglich ein musikalisches Nachbarschaftstreffen vor dem Haus/im Garten. Heute verwendet man den Begriff ganz allgemein für ein Musikantentreffen. Und da wir uns nach all der Zeit immer noch als lose Musikanten verstehen, passt das. Ein „Hoagascht“ ist eine der letzten nichtkommerziellen Veranstaltungen für traditionelle Volksmusik. Für uns ist unser Album auch eine Form von Volksmusik. Vielleicht sogar volksnaher als so mancher volkstümliche Kitsch.Ich persönlich verbinde mit „Hoagascht“ aber auch das Musizieren in einem „heimatlichen Garten“. Im übertragenen Sinn. Der Garten taucht in vielen Sagen als eine Welt des Jenseitigen und des Verzauberten auf. Ein in sich abgeschlossener und geschützter Raum. Das geht zurück bis zum Garten Eden. Ein Musisch-Sein und ein Kraft-Schöpfen in und aus der Welt, aus der wir Menschen kommen. Verinnerlicht im Bildnis des Gartens.

Ihr habt das ja dann auch so konsequent durchgezogen, dass ihr die Texte auch auf Bayerisch abgedruckt habt. Kommt die Schönheit des Klangs deiner Meinung nach auch in geschriebenen Worten wie „Sterna“ oder „Reng“ zum Ausdruck? Ich persönlich finde geschriebene Mundart immer etwas schwierig, muss ich sagen…
Geschriebene Mundart ist in der Tat ein Fall für sich. Das sieht dann meist nicht mehr sonderlich ästhetisch aus. Wir haben uns aber um richtige Schreibweisen bemüht (auch für die geschriebene Mundart gibt es Regeln) und das Beste daraus gemacht.

Ja, das wurde mir im Nachhinein auch von einem Leser mitgeteilt, der mich darüber aufgeklärt hat, dass das skandinavische å, über das ich mich im Review so gefreut hatte, nicht auf eurem Mist gewachsen ist. Man lernt nie aus…
Wenn man Texte wie den zu „Im Gartn“ liest, ohne die Musik dabei zu hören, stellt sich bei mir durch den Dialekt automatisch eine ungewollte Verbindung zu Volksmusik und Hans Söllner her. Glaubst du, dass die Texte es durch die Sprachwahl schwerer haben, ernst genommen zu werden, beziehungsweise ihre Message zu vermitteln?

Ganz im Gegenteil. Die „message“ kommt noch unmittelbarer rüber. So empfinde ich es zumindest. Und Texte im Dialekt kann ich ernster nehmen als so manchen Christcrushing-Pseudo-Evil-Schwank anderer Bands. Übrigens finde ich persönlich den Söllner schrecklich. Das mal am Rande erwähnt…

Ok, über Söllner brauchen wir hier jetzt glaube ich nicht zu diskutieren, aber zumindest bei der Sache mit den Christcrushing-Pseudo-Evil-Lyrics kann ich voll unterschreiben (lachen).
Was macht eure Texte denn deiner Meinung nach zu Black-Metal-Texten, und wie würdest du das lyrische Konzept des Albums zusammenfassen?

Wir haben noch nie „Black-Metal-Texte“ geschrieben. Das Konzept von „Hoagascht“ hab ich weiter oben ja schon angerissen. Inhaltlich befassen wir uns diesmal mit dem Geist unserer Heimat und wie dieser reflektiert wieder aus uns hervorgeht. Es geht um schlichte Gemüter, derbe Gesellen, Verwurzelung, Erfahrungen und Verbundenheit, um unverschnörkelte Sichtweisen, um Lebenswege über Holz und Stein, bis hinauf auf den Berg. Zuzüglich Klischees, aber auch in selbigen steckt Wahrheit. Die Texte kommen demnach sehr gerade daher. Ich will das Album hier jetzt nicht zergliedern. Man höre die Musik, lese die Texte… dafür isses da.

Geht es euch also mehr um das vermitteln einer Atmosphäre, oder soll der Hörer respektive Leser aus den Texten eine konkrete Message eruieren, die er ins alltägliche Leben mitnehmen kann?
Wir versuchen nicht, Atmosphäre zu vermitteln, sondern wir machen sie. Das ergibt sich einfach aus der Intensität und Intention, mit der wir an Musik herangehen. Was der Konsument aus unserer Musik mitnimmt, ist der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur geschuldet.

Ihr habt das Konzept „Bayerisch“ ja über die Texte hinaus auch in den Bandphotos aufgegriffen – ich denke, selbst unter den wenigen Black Metal-Bands, die auf Bayerisch texten, dürftet ihr aber wohl wirklich die einzign sein, die sich in weißen Strickwesten und Sepperl-Hut hat ablichten lassen. Wie viel (Selbst)ironie steckt in solchen Photos?
Man darf es mit einem Augenzwinkern sehen, was dem Ganzen aber nicht die Ernsthaftigkeit nimmt. Und die unfreiwillige Komik ist mir schon bewusst, aber wir tragen diese Kleidung zum Teil wirklich im Alltag. Kein Witz! So eine Strickweste oder ein Filzhut sind in dieser Gegend nicht ungewöhnlich. Die Jacke, die ich auf den Fotos trage, benutze ich regelmäßig. Wir stellen in der Musik nur dar, was wir in bestimmten Teilen selbst sind. Wie schon gesagt: hier ist nichts affektiert oder reine Show.

Andererseits habt ihr wohl auch als erste Black-Metal-Band ein Bandshirt in Beige-Grün herausgebracht. Wie gut verkauft sich das in einer Szene, in der schon graue Shirts als avantgardistisch gelten?
Verkauft sich wie warme Semmeln. An dieser Stelle vielen Dank an die Käufer!

„Hoagascht“ ist ja das zweite heißersehnte Reunion-Album der deutschen Black Metal Szene in wenigen Monaten, könnte man sagen – hast du Nocte Obductas „Verderbnis“ gehört, und wenn ja, wie findest du die Rückbesinnung der Band auf ihre „true“ Schwarzmetall-Zeiten?
Marcel von Nocte Obducta war so freundlich und hat mir ihr neues Album überbringen lassen. Mir gefällt es sehr gut, zumal es stimmungstechnisch fast in eine ähnliche Kerbe wie „Hoagascht“ haut. Es ist bedeckter, wurzeliger und erdig grimmig. Inwiefern die Band aber in alte Schwarzmetall-Zeiten will, weiß ich nicht. Das wäre mir egal. Ihr Album gefällt mir auch ohne Reminiszenzen.

Du hörst also auch privat noch Black Metal? Oder gehört ihr auch schon zu jener Sorte Musiker, die privat nur noch Jazz oder was auch immer hören, weil sie die Szene – außer bezogen auf ihre eigene Band – gar nicht mehr interessiert?
Weder noch… ich höre immer lieber und häufiger Hörspiele oder Hörbücher. Bin ich echt ein Fan von! Ansonsten höre ich hier und da schon noch ganz normal (Metal-)Musik. Von ruhig bis laut… je nach Stimmung.

Wie würdest du die deutsche Black-Metal-Szene 2012 einschätzen? Welche Bands findest du über- oder unterbewertet, von welchen wird man noch viel hören und welche Entwicklungen prognostizierst du der Szene?
Keine Ahnung… da bin ich echt zu schlecht informiert.

Nocte Obducta sind ja mit dem neuen Album auch gleich einen Schritt weiter gegangen und spielen im Sommer diverse Konzerte und Festival-Shows – wie sieht es da bei euch aus? Plant ihr wieder Live-Auftritte?
Nein. Wir spielen in dieser Konstellation unter LUNAR AURORA nicht mehr live. Da hab ich echt keinen Bock mehr drauf!

Ok, das wars dann von meiner Seite auch fast schon wieder! Ich bedanke mich für deine Zeit und die Antworten, und wünsche euch und der Band nur das Beste. Wenn du noch etwas loswerden willst, kannst du das jetzt tun:
Die Weißwurst wird nicht gezuzelt!!! Man isst die Haut mit oder zieht sie ab!!!
So, und jetzt stell endlich die traditionellen Metal1.info-Brainstorming-Fragen…

Haha, wenn du schon darum bettelst… legen wir los. Was fällt dir spontan zu folgenden Begriffen ein:
Sächsisch:
In Sachsen war mal vor etlichen Zeiten eine starke Hochwassergeschichte – ich glaube 2002. Damals bekam man auf jedem Fernsehsender und im Radio ständig diesen Dialekt in die Ohren. Dauernd nur Berichte aus dieser Gegend. „Och, do schwümmt gerode moin Söfa davon…“ Inzwischen mag ich den Dialekt aber wieder.
Markus Lanz: Hör mir auf…
Metal1.info: Dort schreibt doch so ein Herr Grütz?! Der immer mit den Fragen und so…
Joachim Gauck: Bleibt abzuwarten, aber der hätte es schon vor Wulff werden sollen. Im Großen und Ganzen halte ich aber das Amt an sich für überflüssig.
TSV1860 München: Fußball interessiert mich nicht.
Wald: In all seinem Sein noch immer viel zu wenig wahrgenommen!

Vielen Dank!

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