Interview mit Richard von Orizen

Mit „Of Life, Death And Salvation“ ist dem Schweizer Deutsch-Schotten Richard Leishman eine echte Überraschung im düstermetallischen Underground gelungen. Hohes songwriterisches Können trifft auf technische Versiertheit und garniert hat er das Ganze mit viel Phantasie. Doch nicht nur musikalisch weiß er zu überzeugen, im folgenden Interview äußert er sich wortreich über Texte, Artwork, Zukunftspläne und zeigt sich als gesamtgesellschaftlich interessierter Zeitgenosse.

Orizen

Hallo Richard, danke für dieses Interview und herzlichen Glückwunsch zu deiner neuen Platte. „Of Life, Death & Salvation“ ist eine tolle Scheibe geworden. Die Zeit, die du investiert hast, hat sich sicher auch für dich gelohnt, oder?
Zuerst einmal: Hallo lieber Jan, ich möchte mich hier an dieser Stelle sowohl für dein positives Feedback und für dein absolut tolles Review als auch für die Interviewanfrage bedanken – hat mich alles sehr gefreut! Auch möchte ich erwähnen, dass dies eines meiner allerersten Interviews für Orizen ist, und ich somit noch frisch und unverbraucht bin – wenn ich das mal so ausdrücken darf – und werde demgemäss die Fragen hier sehr genau und ausführlich beantworten, um allen Interessierten und Fans einen ersten, großen Einblick in die Welt von Orizen zu gewähren! Ich wünsche euch nun viel Spass beim Lesen und danke für euer Interesse an Orizen!
Nun zu deiner Frage: Ja absolut, man kann bei dieser Scheibe definitiv die Redewendung „was lange währt, wird endlich gut“, anwenden. Aber ich schätze, so lange wird die Arbeit an meinen zukünftigen Projekten nicht mehr dauern. Ich bin ein extremer Perfektionist und deshalb ist bei mir jedes Album ein Kraftakt; aber ja, es hat sich gelohnt, ich bin zufrieden, die Scheibe ist gut geworden, v.a. wenn man bedenkt, dass ich von der ersten bis zur letzten Note alles allein geschrieben habe, und aufgrund finanziell eher bescheidenen Mitteln die Platte auch unter einfachsten Umständen aufgenommen habe.

Du hast, ähnlich wie Dornenreich im Booklet von „Bitter ists dem Tod zu dienen“, den Entstehungszeitraum für jeden Song angegeben. Warum und sind die Lieder tatsächlich in dem jeweiligen Monat entstanden oder markiert dieser den Termin der Fertigstellung?
Eine interessante Frage. Ich wusste nicht, ob das überhaupt irgendjemanden interessieren würde, diese Datierungen, aber offensichtlich schon… Es ist bei mir folgendermaßen: Wenn ich einen Song schreibe, kommt dieser während des Spielens meist aus dem Nichts, packt mich dann völlig und zieht mich ganz in seine eigene Welt. Dann bin ich stunden- oder tagelang für nichts anderes mehr aufnahmefähig und konzentriere mich nur noch auf dieses eine Stück. Wenn ich diesen sensiblen Akt unterbrechen würde oder wenn er von außen zu stark gestört werden würde, könnte das den ganzen Flow kaputt machen und den Song zerstören. Ich komponiere also meist das gesamte Grundgerüst eines Songs innerhalb einiger Tage oder Wochen (manchmal sogar nur in einigen Stunden!), d.h. also immer innerhalb eines Monats und dies ist das Datum, das ihr im Booklet nachlesen könnt. Die ganzen vielen Details, z.B. die Keyboardpassagen, die Intros und Outros, die Gitarrensoli, die Details im Schlagzeugspiel usw. – all das kommt erst nach und nach und ist meist ein viel langwierigerer und anstrengenderer Prozess als das eigentliche Songwriting. Es kann unter Umständen Monate, ja manchmal sogar Jahre dauern, wenn auch letzteres eher selten ist… Übrigens nummeriere und datiere ich alle meine Werke der Übersicht halber. Sollte es die Nachwelt irgendwann interessieren, besteht die Möglichkeit, meine musikalische Entwicklung genauestens zu verfolgen und nachzuvollziehen (lacht).

ORIZEN ist (bis jetzt, zur Planung einer kompletten Band kommen wir weiter unten noch) ein Projekt, welches sehr ganzheitlich arbeitet. Musik, Texte und Artwork gehen Hand in Hand. Wie schnell war dir klar, dass es nur in diese Richtung gehen konnte? Gerade die Texte werden von vielen Bands gerade im härteren Sektor ja eher stiefmütterlich behandelt.
Das wurde mir eigentlich schon ziemlich früh klar! Wenn man es genau nimmt, wollte ich seit meiner frühen Jugend unbedingt etwas Künstlerisches erschaffen. Ich habe schon immer von einem eigenen Gesamtkunstwerk geträumt, bei welchem alles von einer Person durchdacht und vollendet ist. Übrigens musste ich zuerst noch entscheiden, ob ich Kunst / Malerei oder Musik mache, habe mich dann aber letzten Endes für die Musik entschieden. Zuerst einmal habe ich aber wie die meisten in einer mehrköpfigen Band angefangen, meine Erfahrungen zu sammeln. Diese Band hieß Exsanguis und es gibt sie in veränderter Formation noch heute. Dort habe ich zunächst Bassgitarre gespielt, dies war mein erstes, richtiges Instrument (vorher noch etwas Klavier), aber bald habe ich auch Gitarre nebenbei erlernt. Schon damals hatte sich bei dieser Gruppe für mich herausgestellt, dass eine Band mehr als „Diktatur“, denn als „Demokratie“ funktioniert; sprich, wenn ich einen Song schrieb, musste ich diesen auch stets mehr oder weniger selbst vollenden, denn „zu viele Musiker verderben den Song“, und meist endete dieser Weg letztendlich in einem konfliktbeladenem Chaos.
Das war zwar nicht immer so, muss ich zugeben, es gab auch einige befruchtende Momente der Zusammenarbeit, aber da sich schnell zwei verschiedene Stilrichtungen herausstellten, nämlich meine Black-Metal-Songs und die Doom-Metal-Songs des Gitarristen, war unsere Vorstellung der Musik zu unterschiedlich; meine Stimme des Perfektionismus und der Selbstverwirklichung haben mich dann dazu veranlasst, die Band nach ein paar Jahren zu verlassen, um es alleine zu versuchen. Bei diesem Schritt war mir von Anfang an eines klar: Da ich auch ab und zu zeichnete und auch gerne las und schrieb, wollte ich ein, um es wagnerianisch auszudrücken, „Gesammtkunstwerk“ erschaffen (er schrieb es mit Doppel-M), bei welchem jeder Ton, jedes Bild und jedes Wort von mir selbst erschaffen werden muss. Mittlerweile bin ich etwas offener geworden, was Einflüsse von Außen betrifft, d.h. ich bin daran interessiert, eine Band zu verwirklichen, aber dazu kommen wir später.
Zur „stiefmütterlichen Behandlung“ der Texte: Ich finde Texte sehr wichtig, sie unterstützen und tragen die Musik und ich liebe es mitzusingen, wenn mir ein Stück einer anderen Band gefällt. Das macht aber v.a. dann Spass, wenn auch die Texte gelungen sind. Es ist also erfreulich, wenn Textschreiber des härteren Sektors zuerst mal ihre grauen Zellen einschalten, bevor sie lyrische Ergüsse von sich geben. Noch besser wirds, wenn sie sich dazu rhythmisch in die Musik einfügen – man beachte dazu z.B. Track fünf auf meiner neuen CD im thrashigen Mittelteil.

Of Life, Death And Salvation Cover

Wie ist dein musikalischer Background? Du sprichst im Infoschreiben durchaus von musiktheoretischen Hintergründen, die man den Songs auch einwandfrei anhört.
Es freut mich, wenn das jemand heraushört. Ja, ich habe einen für heutige Standards, glaube ich, ziemlich tiefen musikalischen Background. Ich möchte damit nicht angeben, obwohl es mich natürlich reizt (lacht), aber leider ist es immer noch so, dass die meisten Bands einfach Riff an Riff aneinanderreihen, ohne zu wissen, was sie eigentlich tun. Das ist sehr schade, denn einige dieser Musiker könnten noch viel Größeres erschaffen, wenn sie sich auch mit der Musiktheorie befassen würden. Mich hat dieser Teil der Musik immer sehr interessiert, v.a. seit ich bei einem klassisch studierten Musikpädagogen Klavierstunden genommen habe. Ich ließ mich von seinem Wissen und Können inspirieren und habe danach einige Musiktheorie-Bücher gekauft – das war eine richtiggehende Offenbarung für mich!!! Zuerst habe ich mich aber mit diesem nutzlosen Jazz-Buch namens „Die neue Harmonielehre“ von Frank Haunschild befasst, welches heutzutage leider ein Standard-Werk für Musiker aller Stilrichtungen darstellen soll (in Wahrheit ist es purer Jazz). Für alle wirklich Interessierten an Musik-Theorie kann ich von diesem Buch als Einstieg in das Thema nur abraten, denn unsere europäische Musikgeschichte ist so genial und reichhaltig und sie ist die Grundlage aller späterer Musikrichtungen, doch sehr wenig von diesen Grundlagen finden wir in diesem Buch – man muss doch zuerst das Fundament bauen, und nicht gleich beim 3., 4. Stockwerk anfangen!
Ich habe also dieses Buch weggeschmissen und klassische Musiklehre gelernt – welche Schönheit, welche Anmut, welche Genialität – unfassbar! Auf dieser CD habe ich mich nach dieser Erfahrung strikt an die klassische Harmonielehre gehalten und jeden Song nach einer bestimmten Tonart komponiert, angereichert mit der alten Kirchentonart Moll-Phrygisch, die sehr gut zu Metal passt (aufgrund der kleinen Sekunde zwischen Ton eins und zwei). Des Weiteren hört man bei den Endungen und Übergängen der neuen Songs immer wieder den Dominantseptakkord und den verminderten Septakkord, da sie so viel Spannung erzeugen, die aufgelöst werden muss; daneben hab ich aber noch mit dem neapolitanischen Sextakkord usw. experimentiert. Man muss aber einfach bedenken, dass ich diese Akkorde meist mit ein, zwei oder drei verzerrten E-Gitarren spiele, die Keys hingegen spielen eher die Melodie als etwas anderes; das neue Album ist also nicht eine dieser typischen Klassik-Heavy-Metal Mischungen, wo einfach nur die Keys eher oberflächlich die klassischen Elemente einbringen. In diesem Sinne habe ich versucht, einen etwas eigenen Stil zu kreieren, und werde mich auf zukünftigen CDs weiter damit befassen.

Interview 2015 II

Die Texte handeln, um es auf einen knappen Nenner zu bringen, alle von der Erkenntnis, was die Welt zusammenhält. Kannst du das etwas konkretisieren, eventuell anhand einzelner Songs?
Hmm… schwierige Frage, weil großes Thema! Aber um es gleich vorweg zu sagen, mein Leitfaden bei den Texten ist ganz klar die Philosophie von Arthur Schopenhauer, welche ich vor einigen Jahren begeistert monatelang verschlungen habe. Seine Philosophie ist von den indischen Upanishaden inspiriert, u.a. geht es dort um Karma und Wiedergeburt, welches auch meine Lebenseinstellung ist, aber ich befasse mich nicht zu viel mit der indischen Philosophie, sondern versuche v.a. unsere alteuropäische Lebensweise zu rekonstruieren, denn diese war auch von dem Gedanken der Wiedergeburt geprägt – man denke nur an die alten Kelten! Also was ich sagen kann, ist, dass das Konzept des Albums in die Kapitel 1. Leben (Life) 2. Tod (Death) 3. Erlösung (& Salvation) gegliedert ist. Interessanterweise ist das Kapitel „Leben“ von der Musik her am härtesten und kältesten geworden, ganz nach der Philosophie: Es gibt keine Hölle im christlichen Sinne, vielmehr ist das Leben die Hölle!
Natürlich ist das Leben nicht unentwegt höllenhaft, aber wir haben hier durchaus eine sehr harte Lektion zu erlernen. Das wären also sehr kurz zusammengefasst die ersten drei Songs. Darauf folgt ein gesangsloses Zwischenstück. Danach geht es weiter mit Tod und Erlösung, wobei auch die Einsamkeit als eine Form der Erlösung thematisiert wird (siehe Track sieben). Zunächst wird aber auch das oft sinnlose, völlig zufällige und unwürdige Sterben der einzelnen Individuen thematisiert, im krassen Kontrast zu den immensen Bestrebungen der Natur, die Gattung einer Spezies zu erhalten (wir haben z.B. hunderte von Eizellen und Millionen von Spermien, die Gattung liegt der Natur also sehr am Herzen; aber gestorben wird durch die krassesten Zufälle, ohne dass die Natur sich irgendwie darum schert…). Am Schluss folgt nochmals ein gesangloses Outro. Aber ich kann hier nicht mehr in die textlichen Details gehen, da es den Rahmen dieses Interviews weitaus sprengen würde; ich verweise deswegen hier sehr gerne auf die ausführliche, philosophische Thematisierung von Schopenhauer und meiner Texte auf der Orizen-Website. Ihr findet die philosophischen Traktate auf www.orizen.ch/writings – es würde mich freuen, wenn sich jemand dafür interessierte und mir auch Rückmeldungen dazu geben möchte! Es werden ab dem 30. April nach und nach alle Texte veröffentlicht, bleibt also am Ball!

Vor Release von „Of Life, Death And Salvation“ stand deinerseits die Idee im Raum, ORIZEN zu einer kompletten Band auszubauen, nachdem du bisher alles alleine gemacht hast. Wie weit bist du mit diesem Plan?
Es gab früher ein paar Bestrebungen in dieser Richtung, aber nur ein einziges Mal wirklich seriös; leider ist das in die Hose gegangen aus diversen Gründen, auf die ich jetzt hier nicht näher eingehen werde. Das ist nun ein paar Jährchen her und in punkto Bandformierung habe ich, so muss ich zugeben, gar nichts mehr unternommen seither – aber aus gutem Grund; ich wollte ZUERST die neue CD veröffentlichen und DANN nach neuen Leuten suchen, aus einer ganz einfachen Überlegung heraus: Ich wusste, dass diese CD einiges besser ankommen würde als die Erste und ich somit bessere Chancen habe, adäquate Musiker zu finden! Früher habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass sich zwar sehr viele Personen auf Inserate melden, aber leider auch oft sehr viele unqualifizierte, sprich Leute, die kaum ein, zwei Jahre ihr Instrument spielen und meinen, schon bald auf der Bühne stehen zu müssen.
Jeder seriöse Musiker weiß aber, dass man mindestens drei, vier Jahre braucht, um an Bühnenerfahrung überhaupt zu denken. Manchmal war aber auch das Gegenteil der Fall, gewisse Leute waren schon älter und sehr versiert, wollten aber zu viel spielen, viel zu sehr meine Songs verändern und viel zu stark ihre eigene Note einbringen. Neue Ideen und Inspiration sind schön und gut, aber wie gesagt, ich glaube, dass es in einer Band eine Person braucht, die klar die Richtung angibt und das Zepter in der Hand hält – fast alle großen Bands haben so funktioniert. Eine Band mit vollkommener Demokratie, in der alle gleich viel zu sagen haben und gleichermaßen am Songwriting beteiligt sind, funktioniert meiner Meinung nach nur in den seltensten Fällen… Sobald nun aber die neue CD am 30. April veröffentlicht wird, werde ich wieder aktiv nach neuen Mitmusikern suchen. Selbstverständlich kann der Gitarrist bei den Soli und einigen Gitarrenbegleitungen kreativ mitarbeiten, natürlich kann der Schlagzeuger viele Drumparts eigenständig ausbauen, und die meisten Freiheiten geniesst bei mir wohl der Bassist – aber ich gebe sicherlich die Grundrichtung vor und werde bei großen Fragen nun mal das letzte Wort haben.
Wem meine Musik gefällt und sich von meinen Anforderungen nicht abschrecken lässt, kann sich jederzeit sehr gerne via www.orizen.ch (Kontaktformular) bei mir melden.

Heißt das, dass du die Musik zukünftig auch auf die Bühne bringst? Wie könnte da ein Konzept aussehen, einfach die Songs runterzuspielen dürfte deinem Anspruch ja kaum genügen.
Hmm, da ich väterlicherseits Schotte bin, werde ich sicherlich in voller Schottenmontur mit Kilt und so auftreten, hehe. Aber das ist wirklich eine gute Frage, so weit habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht überlegt. Ich denke, aus finanziellen Gründen kann ich am Anfang wahrscheinlich realistischerweise noch nicht allzu viele Ideen und Träume in punkto Bühne verwirklichen. Hmm, ich muss dich vielleicht hier etwas enttäuschen, aber am Anfang werden wir wohl v.a. einfach unsere Musik zum Besten geben and that´s it!

Hast du bestimmte musikalische Vorbilder? Woher beziehst du noch deine Inspirationen?
Ja, ich habe Vorbilder, aber ich bin, glaube ich, kein Mensch, der einen ausgeprägten Personen- und Idolen-Kult betreibt, was ja bei gewissen Leuten fast in Heuchelei endet. Aber ich habe teilweise sehr großen Respekt vor gewissen Künstlern und ziehe durchaus den Hut vor einigen Leuten. Mir gefallen z.B. Bands wie Primordial und Bathory (Nemtheanga und Quorthon sind resp. waren coole Typen!), bei denen ich die meisten Scheiben mag. Bei vielen ist es aber so, dass ich nur gewisse Phasen mag, da, glaube ich, die meisten Bands ihre Hochs und Tiefs haben, oftmals mit recht dramatischem Ausmaß… Vielleicht ziemlich trivial tönt, dass ich die alten Metallica-Scheiben unglaublich geil finde, und auch einige ihrer Lieder auf der Gitarre nachspielen kann. Ansonsten gefallen mir noch gewisse Phasen, damit meine ich eher die älteren Alben von Satyricon, Immortal, Borknagar und Ähnliches.
Und was gibt’s außer Metal noch? Ich mag auch klassische Sachen sehr, v.a. Chopin, Debussy oder Wagner. Was vielleicht gewisse Leute erstaunt, ich finde auch Siebziger-Jahre-Sound sehr geil, wie z.B. The Doors, Pink Floyd, Queen, David Bowie etc… Und genial finde ich auch gewisse Folkbands, aber nicht zu sehr metalangehauchte, sondern solche wie die schweizer Band „Tritonus“, die wirklich alte Lieder gesucht und aus Archiven ausgegraben haben und diese sehr authentisch nachspielen; einer von denen hat gar ein altes Schweizer Instrument nach Zeichnungen und Beschreibungen rekonstruiert und nachgebaut – wirklich toll, so etwas kann ich jedem empfehlen, der echte Folklore hören will!

Die Songs stammen alle aus den Jahren 2007-2011, aufgenommen wurden sie 2012/2013; warum erfolgt der Release erst jetzt, als Soloprojekt ohne Label bist du doch eigentlich sehr unabhängig oder gab es irgendwelche Probleme mit der Veröffentlichung?
Oh jaaa, es gab etliche Probleme, aber ich muss gestehen, gewisse Dinge lagen auch an mir… Aber ich habe z.B. allein auf die Fertigstellung des Booklets über ein halbes Jahr lang gewartet! Das kommt halt davon, wenn man die Kosten so gering wie möglich halten will… Desweiteren gab es gegen Schluss auch ziemliche Probleme mit der Finanzierung. Ich musste einige Zeit jeden Rappen (bei uns in der Schweiz gibt es erfreulicherweise noch Franken und Rappen) zusammenkratzen, um die Pressung der CD zu bezahlen. Und zu guter Letzt war bei mir auch ein bisschen die Puste raus, da muss ich ehrlich sein. Ich habe einige Monate lang alles etwas schleifen lassen und mich nicht wirklich um Musikalisches gekümmert, weil ich alles ziemlich satt hatte; und es ist halt einfach so, wenn man sich nicht den Arsch aufreißt, passiert einfach gar nichts. Man muss sich wirklich um unendlich Vieles kümmern! Aber ich kann euch beruhigen, die Produktiondauer der nächsten CD wird auf jeden Fall kürzer! Ich habe bei der Erstellung der ersten beiden CDs meine Lektionen gelernt und werde in Zukunft einiges anders angehen.

Interview 2015 I

Da die Musik jetzt schon etwas älter ist, könnte es ja sein, dass du bereits neue Lieder geschrieben hast?!?
Nochmals: Oh jaaa, ich hab nicht nur ein paar neue Lieder, ich hab gleich ein paar neue Alben in petto (lacht)!!! Ich kann mit Freude und etwas Stolz verkünden, die nächste CD ist bereits wieder von der ersten bis zur letzten Note zu Ende komponiert und alle Texte und das inhaltliche Konzept stehen schon! Es fehlen nur noch ein paar Soli und das Artwork (mal sehen, ob ich das wieder selbst zeichne). Aber damit noch nicht genug! Ich habe noch Material für eine vierte, ja sogar für eine fünfte CD!!! Und was ich sagen kann: Wenn euch die neue CD gefallen hat, wartet auf die nächsten Alben, die werden NOCH besser! Ich hoffe deswegen, dass ich kompetente Musiker finde, mit denen ich alsbald eine neue Platte aufnehmen kann, damit es nicht wieder so lange dauert, wie zwischen der ersten und der zweiten CD, so nach dem Motto: „viele Hände, schnelles Ende“! Freut euch also auf die neuen Platten!

Ist es dir eigentlich wichtig, wie die Öffentlichkeit deine Musik klassifiziert? In den Metal-Archives beispielsweise findet man unter Spielart Black/Pagan. Abgesehen davon, dass ich persönlich dies nicht so sehe: Ist eine derartige Eingränzung für ein ausuferndes Projekt wie ORIZEN nicht etwas eindimensional?
Gute Frage; hast du dir die alte Platte eigentlich auch mal angehört? Dort kann man stellenweise zu Recht die Musik als Pagan Metal betiteln, z.B. wenn man sich „Pagan Pride“ zu Gemüte führt, der Titel sagt ja schon alles (lacht). Aber was die neue Platte betrifft, hast du schon Recht, ein Außenstehender könnte das eher als Black Metal bezeichnen, aber mit starken Anlehnungen an klassische Musik. Es ist richtig, oftmals sind Stileinordnungen sehr eindimensional, fast schon einengend und mühsam. ORIZEN ist definitiv stilübergreifend und ich versuche immer etwas anders zu sein, um mich von der breiten Masse etwas abzuheben; aber das ist heutzutage zugegebenermaßen verdammt schwierig und gelingt mir längst nicht immer.

Du gibst an, dass der Bandname eine Mischung aus „Horizon“ und William Blakes Figur „Urizen“ ist. Warum gerade diese zwei Begriffe und was symbolisiert die Symbiose aus beiden für dich?
Zugegeben, er ist etwas speziell und letzten Endes ein Fantasie-Name, den es so nicht gibt, zumindest meinen Kenntnissen nach. Und da wären wir auch schon gleich beim Grund, warum ich gerade diesen Namen gewählt habe: Aktuell gibt es bei der Flut von zigtausenden Bands, praktisch schon jeden erdenklichen Bandnamen aus einzelnen oder mehreren Wörtern. Darum dachte ich mir, ein Fantasiename wäre nicht schlecht, etwas das es nicht gibt, und dabei hatte ich zuallererst Urizen im Kopf. Dies ist eine tragische und sehr dunkle Figur vom sehr schrulligen Charakter William Blake. Dieser englische Poet aus dem 18./19. Jh. hat sich eine eigene „Pseudo-Mythologie“ erschaffen, also eine Art Vorläufer zu J.R.R. Tolkien, wenn man den gewagten Vergleich machen darf.
Eine eigene Welt erschaffen, das hat mich schon immer fasziniert! Urizen ist nun die Figur des puren Verstandes, der Ratio, ständig messend und berechnend, mit Zirkel und Netz dargestellt. Er ist sehr dunkel und innerlich zerrissen, seine von Blake selbst gezeichneten Darstellungen haben mich sofort fasziniert und da wollte ich diesen Namen für die Band wählen – aber ihr könnt´s schon erahnen, natürlich gab‘s schon eine Metal-Band, die diesen Namen für sich beansprucht und da musste ich mir etwas Anderes einfallen lassen… Um es aber kurz zu fassen: Das Sternbild Orion war eines der ersten, welches ich kennengelernt habe und es zieht mich seit jeher in den Bann (mittlerweile kenne ich dutzende andere Sternbilder).
Desweiteren gefiel mir nicht nur der Klang von Orion, sondern auch von dem englischen Wort „horizon“, also Horizont. Den Horizont ständig erweitern, ist mein absolutes Lebens-Credo! Aus diesen drei Wörtern, Urizen, Orion, und horizon habe ich dann ORIZEN kreiert, was letzten Endes auch ein Entscheid des Klanges und der Kürze des Namens war. Ein kurzer, klangvoller Name, was will man mehr?

Empfindest du selber eigentlich Hoffnungslosigkeit oder ein ähnlich negatives Gefühl, wenn du dir die Musik in Kombination mit dem Artwork zu Gemüte führst? Ich selber finde das Gesamtpaket eigentlich gar nicht so depressiv, wie man auf den ersten Blick vielleicht denken könnte.
Ja, auf den ersten Blick scheint alles ziemlich melancholisch bis depressiv, aber wenn man sich mit der Musik eingehend befasst, merkt man, dass auch viel positive Kraft darin steckt, etwas, das einem Hoffnung und Energie gibt. Und das finde ich auch gut so! Musik, die nur melancholisch, nur langsam, oder nur hart, schreiend und total negativ ist, gefällt mir auch ehrlich gesagt nicht mehr allzu sehr. Solche Bands haben mich mal eine Zeit lang magisch angezogen, aber ich brauche mittlerweile auch immer irgendwo einen Hoffnungsschimmer in der Musik, etwas, das mich motiviert und stärkt, mir Energie gibt. Ich suche zwar immer noch oft nach melancholischer Musik, aber weniger nach depressiver und ich suche vor allem auch nach etwas, das mir Kraft und Energie gibt.

Denkst du, der Hörer muss viel Aufwand betreiben, um „Of Life, Death And Salvation“ zu erfassen? Die Songs sind auf der einen Seite zwar lang und teilweise kompliziert arrangiert, aber auf der anderen Seite ist gerade das Kapitel „…Death And Salvation“ auch von sehr eingängigen Melodien mit hohem Wiedererkennungswert geprägt.
Danke, ich nehme das gerne als Kompliment an. Es ist, wie du es in deiner Frage bereits angesprochen hast, beides; die neue Platte ist auf der einen Seite weniger etwas, das man nebenbei hören kann, wenn man sonst noch zu tun hat oder sich auf etwas konzentrieren muss, denn die Musik verlangt doch einiges von einem ab. Auf der anderen Seite ist die Musik mit eingängigen Melodien gespickt und mit zum Teil sich wiederholenden Mustern in unterschiedlichen Variationen, damit es spannend bleibt; so haucht man einer CD leben ein und ich hoffe, dass mir dies eingermaßen gelungen ist mit diesem Album, auch wenn es noch nicht so perfekt ist, wie ich es mir wünschte.

So, mit den Fragen wären wir durch, sicherlich hast du noch etwas Esprit, um auch das Metal1-Wortspiel zu überstehen, hehe. Deine ersten Gedanken zu den folgenden Begriffen:
Klimawandel: Leider etwas, was die Leute heutzutage bereits immer weniger hören können.

Che Guevara: Hmm, mag sein, dass der Typ nicht völlig auf den Kopf gefallen ist, aber jetzt mal ernsthaft; dieser Typ hat offen für Massenmörder wie Stalin oder Mao sympathisiert und war selbst Kriegsherr in dieser Sache!

Europa aus Sicht der Schweiz: Uiiii, eine seeehr spannende Frage (grinst). Ich möchte hier aber nicht zu sehr ins Politische abschweifen, da das ein heikles Thema ist. Ich sags mal so, ich bin äußerst froh, in der Schweiz zu wohnen, wo es noch direkte Demokratie und Bürgerrechte gibt, Freiheit, eigene Grenzen und eine eigene Währung. Ich bin aber nicht gegen den Gedanken „Europa“, aber die EU ist doch eher der falsche Weg, wie wir mit Griechenland immer klarer erkennen können. Europa sollte mehr ein geistiges, ideelles und wirtschaftliches Konstrukt sein, als ein Staatenkonstrukt, z.B. indem man den Schülern überall in Europa die Schönheit und erstaunliche Gleichheit von indogermanischer Sprache, Mythologie und Religion (die heidnische natürlich!) vermittelt. Die einzelnen Staaten sollten aber mit ihren Grenzen eher bewahrt werden (vielleicht mit gewissen Lockerungen innerhalb Europas) und überall sollte man möglichst direkte Demokratie pflegen.

Fußball: Ich bin in den letzten Jahren doch ein recht interessierter Fussball-Gucker geworden und ich möchte euch hier als „Schweizer“ vollkommen neidlos zu dem großen Sieg an der Weltmeisterschaft gratulieren, das war genial! Aber das sag ich nicht völlig parteilos, meine Mutter ist Deutsche und ich fühle mich Deutschland sehr verbunden.

Nahostkonflikt: Wow, noch so ein schwer beladenes Wort respektive Thema… Hier will ich mich noch weniger dazu äußern, da es ein zu heikles Thema ist.

So, das war es aber endgültig. Vielen Dank für das geduldige Beantworten der Fragen. Viel Erfolg mit ORIZEN, es bleibt zu hoffen, dass „Of Life, Death And Salvation“ die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient. Die letzten Worte gehören dir.
Ich möchte mich nochmals bedanken für das Interview, es hat mir großen Spaß gemacht, die Fragen zu beantworten! Ich hoffe, die Leser und v.a. die zukünftigen Fans, können mit diesem Interview ihre Neugier stillen und sich so ein erstes Bild von ORIZEN machen. Ich hoffe auch, dass es noch einige konservative Fans gibt, die gerne eine physische CD bestellen möchten, denn damit unterstützt ihr mein Vorhaben enorm, baldmöglichst eine nächste CD finanzieren zu können! Für alle digitalen User sei darauf hingewiesen, dass es die CD auch legal zum Download gibt, beispielsweise bei iTunes (https://itunes.apple.com/us/album/of-life-death-salvation/id981864454). Für alle Besteller aus der Schweiz (oder vielleicht auch Deutschland und Österreich) ist es sicher auch interessant zu wissen, dass die CD auch auf www.CeDe.ch erhältlich ist. Ich freue mich auch auf eure Rückmeldungen und hoffe, euch bald in unbestimmter Zukunft an einem ORIZEN-Konzert in eurer Umgebung begrüßen zu dürfen – stay true but be open minded!

Publiziert am von Jan Müller

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