Interview mit Sun Of Sadness

Nach 12 Jahren war es dann vorbei: SUN OF SADNESS, eine der innovativsten Bands des deutschen Düsterundergounds, trat ab. Beim mäßig besuchten, aber dennoch spektakulären Abschlusskonzert ließen es sich die Metal1-Redakteure Heckmann, Schott und Müller nicht nehmen, der Truppe aus dem schönen Rheinbach noch einmal auf die Zähne zu fühlen.

Eine Frage brannte im Zusammenhang mit der Geschichte der Band von Beginn an auf den Nägeln: gerade in Zeiten, wo Metal im allgemeinen und der düstere im speziellen immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert werden, sich nur noch selbst zu kopieren, müsste der allgemeine Fan es doch mit Wohlwollen aufnehmen, wenn sich eine Truppe endlich mal wieder absolute Innovation auf die Fahnen schreibt. Wie erklärt man es sich also selber, dass ausgerechnet zuletzt, mit dem genialen Album Ghost im Rücken, die Verkaufszahlen immer mehr zurückgingen, sowie Konzerte nicht nur mit dem üblichen Stress, sondern auch mit Kosten auf der falschen, sprich: auf der Bandseite, verbunden waren. Gitarrist Mitja äußert die Vermutung, dass die Musik für die meisten Hörer einfach zu komplex gewesen sein könnte, was Keyboarder Sebastian so aber nicht durchgehen lassen will. „Ne, das glaube ich gar. Ich denke es lag daran, dass wir die Leute einfach nicht erreicht haben, so dass sie wenigstens überhaupt mal rein gehört haben. Es gibt heute so viel gute Musik, die man sich wirklich anhören kann, da ist es einfach schwierig, die Leute auf eine bestimmte Musik zu stoßen.“ „Ich denke auch nicht“, ergänzt Schlagzeuger Gerd, „dass die Leute wirklich immer was Neues wollen. Letztlich laufen doch alle nur den aktuellen Trends nach und da ist es schwierig bis unmöglich, was Neues auf den Markt zu bringen.“

An dieser Stelle bietet sich ein Nachhaken bezüglich der Szene ziemlich an und so fragen wir bei den Jungs einfach mal an, was sie von der Szene und dem Zusammenhalt derselben eigentlich halten. „Als wir damals die Band gegründet haben, war die Szene definitiv um einiges größer. Bands wie Tiamat, Amorphis oder Moonspell hatten gerade richtungsweisende Alben veröffentlicht, wirklich was Neues gemacht und generell herrschte überall eine richtige Aufbruchstimmg.“ „Auch wenn Moonspell zum Beispiel gerade ein sehr gutes neues Album vorgelegt haben, vermute ich mal, dass die Verkaufszahlen deutlich geringer sind als noch vor 10 Jahren, die Leute da draußen wollen einfach was Neues hören und da zählt düsterer Metal im Moment wohl nicht zu. Außerdem ist der Zusammenhalt in der Szene echt nicht so toll. Ich meine, im Death Metal sieht es da viel besser aus. Da werden am laufenden Meter Austauschgigs gespielt, SUN OF SADNESS haben es in 12 Jahren auf genau zwei solcher Konzerte gebracht“, bedauert Mitja und zeigt damit eine klare Schwäche auf: offenbar zieht sich der Düstermane allzu gerne in sein stilles, von Kerzenschein durchleuchtetes Kämmerlein zurück und jammert über sich selbst und die schlechte Welt, anstatt mal was daran zu ändern. SUN OF SADNESS haben es halt nach 12 Jahren aufgegeben, die Gründe hierfür sind allerdings vielfältig, wie Sebastian ausführt: „Der wichtigste Grund war sicherlich die Entfernung, einige von uns leben in Köln, andere in Rheinbach und Gitarrist Mike wohnt sogar in Essen. Da wurden Proben zu einem echten Problem, was sich letztlich auf das Songwriting auswirkte. Die Kreativität war immer da, aber wenn man die Ideen nicht umsetzen kann, dann entstehen schließlich und endlich auch keine neuen Songs mehr. Eine weitere Folge daraus war, dass sich die musikalischen Präferenzen mit der Zeit verschoben haben. Das ließe sich zwar noch unter einen Hut bringen, aber als dritter Grund kommt einfach noch dazu, dass die letzte Platte einen kolossalen Misserfolg eingefahren hat. Wäre das anders gewesen, dann hätten wir sicher gesagt, ok, wir bleiben irgendwie am Ball, aber so, wie es dann kam, hatte es einfach keinen Sinn mehr.“

„Es war für uns auch keine Option, mit anderen Musikern die Sache fortzuführen“, antwortet Gerd auf die nächste Frage. „Es würden ja nur Sebastian und ich übrig bleiben und bei SUN OF SADNESS lag das Augenmerk eigentlich immer schon ziemlich auf den Gitarren und diese Positionen wären dann ja nun mal vakant.“ Hinzu kommt die mehrfach angesprochene Einzigartigkeit der Band, welche durch neue Musiker im schlimmsten Fall eher negativ beeinflusst werden würde, wie mir scheint. „Naja“, relativiert Sebastian dieses Bedenken, „bei SUN OF SADNESS hat es nicht immer den einen Songwriter gegeben. Es war immer eine Kombination von Ideen von vielen Musikern, welche das Fundament und die Ausarbeitung der Songs ergaben. Dennoch wäre es nicht mehr das Gleiche, wenn statt Mitja oder Mike da jetzt andere Jungs stehen würden. Wir haben in unserer Historie ja mehrere Positionswechsel durchgemacht, aber die halbe Band wollen wir dann doch nicht austauschen.“ Etwas zwiegespalten scheinen die Herren zu sein, als es um die Wehmutfrage geht. Sebastian rückt dabei zunächst einmal die entstandenen Freundschaften in der Band in den Mittelpunkt. „Da ist es schon schade drum, in Zukunft werden wir uns wohl noch weniger sehen als das zuletzt schon der Fall war.“ „Aber nach einem Abend wie heute, wo das Publikum noch mal voll abgeht, da ist es auch musikalisch sehr schade“, findet Mitja. „Ja klar“, fügt Mike hinzu, „aber da darf man natürlich auch nicht vergessen, dass der Abend heute mit dem Großteil unserer üblichen Konzerte absolut nicht zu vergleichen ist. Es gibt halt nichts Geileres, als mit den besten Freunden eine ordentlich Party zu feiern, aber Abende wie der heutige waren leider über die gesamte Zeit die Ausnahme denn die Regel.“ „Sicher, die Konzerte waren immer sehr nett, aber das ewige durch die Gegend fahren, das lahme Songwriting und das ermüdende Proben, das werde ich sicher nicht vermissen. Ich schaue halt jetzt, dass ich was Neues finde, wo diese Probleme nicht aufkommen“, findet Gerd einen guten Abschluss und zugleich die Vorlage für die nächste Frage.

Wie geht es denn weiter? Zum Glück hat jeder schon mehr oder weniger feste Pläne, so werden Sebastian und Gerd eine Industrial-Rock-Band („Elektro-Gothic-Schweine-Rock“) gründen, Mike hat bereits eine neue Band in seiner Essener Umgebung gefunden (der Name ging leider im Rauschen des Diktiergeräts unter, Anm. d. Red.) und wie es der Zufall wollte, hat Mitja just an dem Abend ein Angebot bekommen, in einer Metalband einzusteigen. Um die Fortführung der Karrieren muss man sich zunächst also mal keine Sorgen machen, zumal Sebastian Anfragen von diversen (Gothic-) Bands hat, dort als Live-Keyboarder zu spielen. Singen wird er bei seinem neuen Projekt allerdings nicht, obwohl ich seine Performance an diesem Abend recht gelungen fand. „Das war aber auch für SUN OF SADNESS nie ein Thema. Keyboard und Singen auf der Bühne ist nicht cool und ich spiele eben lieber Keyboard.“

Leider spielte die Band erneut nicht Abschiedsbrief, auch wenn sie zugeben müssen, dass es thematisch ganz gut in den Abend gepasst hätte. „Der Text stammt vom Martin (ehemaliger Sänger, Anm. d. Red.) und ist einfach extrem persönlich“, gibt Mitja Auskunft, „außerdem musste Horn so schon genug Lieder lernen.“ „Klar, ich hätte ihn auch sehr gerne gespielt, aber da gab es noch mindestens sechs oder sieben weitere Songs, die ich ebenso gerne gespielt hätte. Irgendwann mussten wir halt den Cut machen“, meint Sebastian.

An dieser Stelle klingt das Interview mit einem eher weniger ernsten Rückblick auf die vergangenen Jahre aus, es wird fleißig diskutiert, ob die Nacht im Auto auf dem Wave-Gotik-Treffen oder das Flaschendrehen auf dem Dong Open Air zu den absoluten Highlights zu zählen sind. Bei beidem hätte man als Redakteur ganz offensichtlich die Vorgeschichte kennen müssen, so dass ich mich bei der Beantwortung der Frage eher dem passiven Part hingab, leider gab an dieser Stelle auch das Diktiergerät den Geist bzw. die Bandkapazität auf. So endet das vielleicht letzte Interview mit SUN OF SADNESS, die Musik wird in Form der bislang veröffentlichten Songs glücklicherweise aber noch lange weiterleben.

Publiziert am von Jan Müller

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