Interview mit Oually Ouallad von Triskilian

„Mittelalterweltfolk“ nennen TRISKILIAN ihre Art von mittelalterlicher Musik und kreieren damit ihre völlig eigene Musikrichtung. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, der darf wohl am ehesten an Bands wie Faun, Omnia, etc. denken. Jedenfalls sind auch bei Triskilian stets Flöten, Schalmeien, Sackpfeifen und Harfen zu hören, die – inspiriert durch unterschiedliche Quellen aus allen Herren Ländern – das Ohr des Hörers umschmeicheln.

Beschreibt kurz euren musikalischen Werdegang: In welchen Bereichen liegen die Wurzeln der einzelnen Bandmitglieder?
Also, Silvia liebt keltische Musik und Folk, sie hat sehr früh schon Akkordeon gelernt. Jule hat schon in verschiedenen Rockformationen gesungen, bevor sie zur Mittelaltermusik kam. Der größte Einfluss dürfte wohl auch die Gruppe „Helut“ gewesen sein, bei der sie bis zu ihrem Ableben auch Mitglied war. Kilians Wurzeln greifen tief. Er ist ziemlicher Bluegrass und Country-Fan. Er ist auch lange alleine mit Narrenzepter und Mandoline über Land gezogen. Und ich (Oually Ouallad; Anm. d. Red.) hab in meiner Jugend sehr gern Metal gehört und war auch Schlagzeuger in einer Death Metal-Band namens „Dark Paradise“. Je älter ich wurde, desto breiter wurden auch meine Einflüsse, so dass ich mich nicht mehr auf eine Richtung festlegen könnte. Man muss halt Leidenschaft spüren bei Musik, ob sie nun elektronisch oder handgemacht ist. Mittelaltermusik höre ich eher weniger.

Wie würdet Ihr „Neulingen“ mittelalterliche Musik erklären?
Sie generell zu erklären geht irgendwie nicht, da es innerhalb der Szene sehr große Unterschiede gibt. Ich teil es für mich immer so ein: Es gibt die Dudelsackbands, die darauf setzen, eine möglichst kraftvolle Umsetzung der Idee von Mittelaltermusik zu geben – hauptsächlich durch Lautstärke, martialisches Auftreten und archaische Beats. Techno unplugged oder so. Dann hat es natürlich die „Tavernengruppen“, die viel mit Gesang arbeiten und meist mit Saiteninstrumenten lustige Sauf- und Rauflieder zum Besten geben. Eher so Folk. Da eher noch die „ruhigen“, die atmosphärisch zur Sache gehen und versuchen Gänsehäute zu erzeugen…Und natürlich noch die „ernsten“, die mit Märkten gar nix zu tun haben (wollen) und sich Mühe geben die Musik so originalgetreu wie möglich wiederzugeben und eher konzertant auftreten. Natürlich gibt‘ viele Überschneidungen. Einem Neuling würde ich einfach ein paar CDs in die Hand drücken, denn Musik zu erklären halt ich immer für sehr schwierig.

Wie kann man ihnen diese Art von Musik zugänglich machen außer durch moderne Einflüsse?
Hmm, da hab ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht. Was mich damals fasziniert hat, war halt vor allem das Fremde. Das war Musik, die mir so fremd vorkam und mich doch irgendwie berührt hat. Bordunmusik ist für viele schon etwas gewöhnungsbedürftig. Ich würde ja sagen, damit dass man leidenschaftlich musiziert!
Und was die modernen Einflüsse angeht, die lassen sich gar nicht vermeiden. Wir sind ja alle moderne Menschen (möchte man meinen) und können uns modernen Einflüssen nicht entziehen. Auf dieser Grundlage machen alle Gruppen Musik. Wenn wir traditionelle Stücke spielen, muss man sie halt mit seinen eigenen Themen vernetzen, dann entsteht etwa,s was das Publikum versteht und selbst interpretieren kann. Das ist beste Spielmannstradition und außerdem wollen wir auch keine Museumsband sein! Stücke, die uns textlich oder melodisch nichts sagen, können wir nicht spielen. Merkt das Publikum, dass wir in der Musik aufgehen und dass wir Spaß haben, so findet es auch selbst leichter einen Zugang.

Wo liegen die Unterschiede von Euch zu anderen Mittelalterbands und was sorgt für Widererkennungswert bei eurer Musik?
Wir versuchen zunächst mal von den Klassikern wegzukommen. Das sind die 15 Stücke, die man auf jedem Mittelaltermarkt in mehreren Ausführungen seit 20 Jahren hören kann. Das reizt uns einfach nicht mehr und dafür nehmen wir auch in Kauf, dass wir auch mal nichtmittelalterliche Stücke aufnehmen. Wir setzen uns in dieser Hinsicht keine Schranken in Bezug auf Authentizität (buh, das böse Wort).
Ein weiteres Merkmal ist die Instrumentenvielfalt, d.h. unsere Besetzung mit teils drei Nyckelharpas und natürlich die Stimmen von Jule und Silvia. Wenn man unsere beiden CDs anhört, wird man merken, dass die Stücke sehr unterschiedlich geraten sind. Wir mischen darauf selbst geschriebene und oft sehr atmosphärische Stücke, Dudelsackkracher sowie eher folkiges, jüdisches, türkisches, schwedisches und anderes Liedgut. Dadurch haben wir uns, denk ich, unsere eigene Nische in der Szene erspielt.

Wodurch wird eure Musik am meisten beeinflusst (Vorbilder, Stilrichtungen, Kulturen, Religionen, usw.)?
Das ist schwierig. Jeder von uns Vieren ist da ganz persönlich und anders beeinflusst.
Kilian zum Beispiel hat großes Interesse in Naturreligion und Schamanismus, was man zum Beispiel bei dem Stück „Schwester“ und anderen selbst geschriebenen Stücken zum Vorschein kommt. Jeder von uns könnte hier jetzt eine Liste von großartigen Bands und Musikern einreichen, die den wenigsten etwas sagen würden.
Eine Stilrichtung die wir alle vier lieben, ist die Musik der Roma und traditionelle Musik vom Balkan. Das ist so eine Art gemeinsamer Nenner in der Hinsicht. Ich bin auch teilweise als DJ unterwegs und veranstalte Partys unter dem Motto „WildwildEAST“. Für mich sind auch Reisen immer sehr beeinflussend. Letztes Jahr z.B. war ich einen Monat lang in Marokko unterwegs. Und viele der Rhythmen, die zum Beispiel in der Sahara gespielt werden, kann man meiner Meinung nicht begreifen, wenn man nicht einmal auf einem Dromedar gesessen war und diese langsame gleichmäßigen Bewegungen sozusagen am eigenen Leib gespürt hat. Mir wurde schlagartig bewusst, wie diese Rhythmen entstanden sind und wo sie herkommen. Einige Sessions dort werden mir unvergesslich bleiben und haben mein Verständnis von dieser Musik sehr geprägt. Das große Zauberwort ist Toleranz und Akzeptanz – das ist etwas, was uns im Kleinen beeinflusst, aber was wir auch vermitteln wollen.

Wie erklärt ihr euch die wachsende Akzeptanz eurer Musik in Deutschland auf der einen Seite und die ablehnende Haltung der Radiostationen, TV Sender, etc. auf der anderen?
Hm, ich seh das gar nicht so krass wie du die Frage formuliert hast. Wenn Du wirklich auf Charts und Musikindustrie oder sowas anspielst, dann hab ich da keine großen Ambitionen. Natürlich wär’s schon so eine Sache in Charts, Radio und Fernsehen aufzutauchen, allerdings ist das nicht alles. Für die Industrie sind wir wahrscheinlich zu sperrig. Das lässt sich nicht in so großem Stil verkaufen. Gerade unsere Musik ist da noch mal schwerer vermarktbar, da wir uns weigern uns speziell z.B. auf Gothics oder Metalfans einzuschwören bzw. ein gewisses Image anzunehmen. Das würden wir uns auch lächerlich machen. Alle unsre CDs produzieren und vermarkten wir in Eigenregie. Da ist\’s schon schwer, überhaupt in irgendwelche „offiziellen“ Mittelaltercharts zu kommen. Das große Plus daran ist, dass wir tatsächlich mit niemandem Kompromisse eingehen müssen. Wir haben alles selbst in der Hand und können entscheiden, wo und für wen wir spielen und was wir aufnehmen möchten.
Zum Thema Musikindustrie, wozu auch Radio und Fernsehn gehören, braucht’s für mich eigentlich keine großen Erklärungen; das Wort Industrie sagt schon alles.
Vielleicht ist die Popularität von mittelalterlicher Musik auch damit zu erklären, dass die Leute von den sterilen Pop- und Rockkonserven der „Industrie“ angewidert sind?
Ich halts da mit Biohazard: „Music is for you and me, not the fucking industry!“
Womit du allerdings Recht hast, ist, dass es in gewissen anderen Künstlerkreisen so eine Art Abneigung bzw. Vorurteile gegenüber Mittelalterkünstlern gibt. Das betrifft nicht nur die Musiker. Das ist wohl das jahrhundertealte Vorurteil gegenüber dem „fahrenden Volk“. Das Volk ist fasziniert und angewidert. Irgendwas Ruchloses scheint uns da allen anzuhaften.

Wie kann man allgemein und wie könnt ihr selbst Vorurteile wie z.B. Eintönigkeit und mangelnde Abwechslung gegenüber mittelalterlicher Musik widerlegen?
Mit einer TRISKILIAN-CD! :-)

Welche Zielgruppen sind eurer Meinung nach besonders geeignet für Drehleiern, Dudelsäcke, Geigen, Flöten, usw.?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es da ein ganz ganz großes Spektrum gibt. In erster Linie werden da oft eben Metalfans und Gothics gesehen. Ich glaube allerdings, das liegt daran, dass diese beiden Szenen relativ abgegrenzt und überschaubar sind. Es gibt Szeneorgane, Magazine, Internatradios und eben Konzerte speziell für die Fans. Wir sind dort gerne zu Gast und freuen uns natürlich über den großen Zuspruch aus der Ecke. Allerdings zeigen sich auf unseren Konzerten noch ganz andere Leute.
Da sind Folkis, Hippies, Familien, Punks, Professoren, Klempner, Metaler, Gothics, Esoterikfreaks,…irgendwie alle. Das find ich einea der faszinierendsten Dinge an der Szene: dass sich auf so einem Markt auf friedliche Art und Weise so viele verschiedene Menschen treffen. Das ist etwas, das ich nirgendwo anders so extrem erlebt hab wie auf Mittelaltermärkten. Es fällt mir schwer, eine gewisse Zielgruppe zu benennen. Ich glaube, die Faszination für mittelalterliche Musik geht kreuz und quer durch die Bevölkerung.

Welches sind die größten Irrtümer, die man leichtfertig in Verbindung mit Mittelaltermusik bringt?
Dass im Mittelalter alle Musiker einen großen Dudelsack und einen Lendenschurz anhatten.

Eure Meinung zu Mittelaltermärkten und Konzerten dort?
Immer mehr Veranstalter setzen mittlerweile auf MA-Märkten auf Technik. Wir finden das gut, denn es gibt unsrer Musik eine neue Dimension und hilft einfach sich verständlich zu machen. Abhängig von den Gegebenheiten ist halt mit Harfe, Gesang und Nyckelharpa irgendwann Schluss. Wenn du auf einer Bühne vor, sagen wir mal 150 Leuten, akustisch spielst, kriegen 3/4 nix mit. Da wir sehr gerne auf Märkten die Stücke möglichst so präsentieren wollen, wie sie auf den CDs sind, und auch gerne mehr auspacken als nur den Dudelsack und die große Trommel, geht uns die Technik schon oft ab. Also, was das angeht, haben wir dieses Jahr ein paar gute Erfahrungen gemacht. Außerdem erreicht man das meiste Publikum dort. Jam Sessions mit Kollegen und immer neue Auftrittsumstände machen den Reiz an Märkten aus.

Ihr nennt eure Musik „Mittelalterweltfolk“. Wie kamt ihr auf diesen Namen und was soll er ausdrücken? Viele Bands weigern sich, ihre Musik in Schubladen packen zu lassen…
Stimmt, wir haben unsrer Musik selbst einen Namen gegeben. Zugegeben: Schubladen sind einschränkend, allerdings helfen Begriffe auch Leute neugierig zu machen. Wir finden, dass Mittelalterweltfolk unseren Stil annähernd beschreibt. Mittelalter, weil wir hauptsächlich auf mittelalterlichen Instrumenten musizieren. Welt, weil wir Stücke aus verschiedensten Ländern aussuchen und uns da keine Grenzen setzen, wenn uns Texte oder Melodien ansprechen. Und Folk, weil einige von uns da ihre Wurzeln haben und wir uns in der Tradition der Spielleute sehen, indem wir Lieder interpretieren und mit unseren eigenen Ideen und Nuancen anreichern. Wir machen Volksmusik aus aller Herren Länder mit mittelalterlichen Instrumenten, d.h. Mittelalterweltfolk.

Wortspiel (das erste, was euch zu folgenden Begriffen in den Sinn kommt):
Corvus Corax – Urviech
Schandmaul – Mittelalterrock aus Deutschland
In Extremo – siehe oben
Subway to Sally – siehe oben
Spielmänner und Spielmannsleben – überall daheim und nirgendwo zu hause, es ist schon so wie man sich’s vorstellt – und schlimmer. Heute beim Managerbankett und morgen im besetzten Haus…da würde mir noch viel einfallen…
Tradition oder Fortschritt – sollten einen Bund eingehen
Plugged oder unplugged – gerne mit Stecker
Tokio Hotel – billige Absteige

Vielen Dank an Metal1 für dieses Interview!!!

Geschrieben am von Metal1.info

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