Konzertbericht: ASP

09.10.2014 - 10.10.2014 München, Backstage

Getreu dem Motto „Man gönnt sich ja sonst nichts“ entschieden sich die Frankfurter Goth-Rocker ASP zu ihrem 15-jährigen Bestehen eine ganz besondere Tour aus dem Boden zu stampfen. Je zwei Konzerte in einer Stadt an zwei aufeinanderfolgenden Abenden: einmal eine Art Hybrid aus dem Rockprogramm der Kapelle sowie dessen akustischem Ableger ASPs Von Zaubererbrüdern und einmal eine klassische Best-Of-Rockshow. Viel Bekanntes und lange nicht Gehörtes für alle Gäste. Eine Reprise.

SONY DSCIn München beginnt das konzertante Double „rar und pur“, soll heißen alle Klänge werden direkt von den Musikern auf der Bühne erzeugt und so erklingen viele Lieder in einem anderen Gewand. Weder Sythesizer noch Keyboards dienen als Grundlage für E-Gitarren und Schlagzeug. Optisch präsentiert sich Frontmann ASP in seinem leicht modifizierten Von Zaubererbrüdern-Outfit. Stimmlich ist er bereits beim Auftakt über jeden Zweifel erhaben, wie er spätestens mit „Dancing“ beweist. An diesem Punkt fressen ihm und dem Rest der Band besonders die Anhänger in den bestuhlten ersten Reihen bereits willig aus der Hand. Die Pausen zwischen den Stücken nutzt der wiederauferstandene Schwarze Schmetterling um ausführlich zur Menge zu sprechen. In blumigen Worten berichtet er davon, wie er sich in seiner Musik im Laufe der Zeit seine eigenen Mußen erschaffen hat und leitet damit zu „Sara“ sowie dem lauthalts bejubelten „Varieté Obscur“ über. Besonders Zweiteres ist – in all seiner Länge – wie gemalt bzw. arrangiert für dieses Konzept.

SONY DSCAnschließend soll eigentlich eine kurze Unterbrechung folgen, doch wie ASP einräumt, ist es ihm in 15 Jahren nie wirklich gelungen, schöpferische Verschnaufpausen einzulegen. Somit liefert er allein mit Sören Jordan an der Gitarre die „Pausenmusik“. Das Danzig-Cover „Devil’s Plaything“ funktioniert besonders durch die tontechnisch exzellent abgemischte Balance aus Gitarre und Stimme hervorragend. Diesen Level kann „Die Löcher in der Menge“ vom letzten Studiowerk „Maskenhaft“ nicht halten. Aber auch hier holt ASP durch seine an diesem Abend hervorragend geölte Stimme alles aus dem Song heraus. Besonders im stimmlich völlig exponierten Umfeld verdeutlicht sich, welch guten Tag der Bühnenveteran an diesem Abend in der bayerischen Landeshauptstadt erwischt hat.
Blieben die Zuschauer in der ersten Hälfte noch relativ artig auf ihren Sitzen, so gibt es im zweiten Teil spätestens bei „How Far Would You Go?“ kein Halten mehr. Anschließend schlägt die „rar und pur“ adaptierte Version von „Nie mehr“ den (fast direkten) Vorgänger „Demon Love“. Vom bandinternen Klassiker „Schwarzer Schmetterling“ präsentieren ASP wiederum eine ganz besondere, auf die Essenz reduzierte Version. Dies leitet langsam das Ende des Abends ein, an dem „Ich will brennen“ ebenso wenig fehlen darf wie die neue Hymne „Per Aspera Ad Aspera“. Gleichzeitig die einzigen beiden Stücke, die es in unterschiedlicher Form in beide Sets schaffen. Lediglich die ASPsche Version von Sarah McLachlans „Possession“ geht zwischenzeitlich arg spurlos am Publikum vorbei.

SONY DSCDafür entschädigt das Quintett mit einer besonderen Rockabilly-Version von „Finger weg! Finger!“, in dem ASP seine Abneigung zur Fernsehwerbung zum Ausdruck bringt. Anno 2014 fühlt er sich auch bereit, seine alternative Textversion mit „Arsch“ und „Titten“ zum Besten zu geben. Dieser Mut sollte ihn am Folgeabend noch heimsuchen. Doch zunächst präsentieren sich die fünf Musiker ein letztes Mal „Unverwandt“.
Mag im „Rar und pur“-Programm nicht jeder Song zünden, so ist der allgemeine Level der Darbietung auf einem stets starken Level. Wie generell üblich, besitzt jeder Fan seine eigenen Lieblinge. Doch die Mehrheit der Anwesenden dürften nach diesem Abend zumindest zufrieden nach Hause gehen, selbst wenn vielleicht der persönliche Favorit gefehlt hat.

Setliste „Rar und pur“ SONY DSC
01. De Profundis
02. Aufbruchstimmung
03. Dancing
04. Wanderer
05. Hunger
06. Me
07. Coming Home
08. Sara
09. Varieté Obscur
10. Devil’s Plaything (Danzig-Cover)
11. Die Löcher In Der Menge
12. Carpe Noctem
13. Demon Love
14. How Far Would You Go? (The 6th of September)
15. Nie mehr
16. Schwarzer Schmetterling
17. Ich will brennen

18. Possession (Sarah McLachlan-Cover)
19. Finger weg! Finger!

20. Per Aspera Ad Aspera
21. Unverwandt

SONY DSCDirekt mit dem überlangen Medley aus „Raserei“, „Sanctus Benedictus“ und „Wer sonst“ hat der Rock-Abend als Kontrastprogramm zum Vortrag das Look-and-Feel einer ASP-Show mit elektronisch-amplifizierten Gitarren. Das religiöse „Kyrie Eleison“ als Intro davor überrascht, spielt aber nur in den ersten Minuten eine Rolle. Spätestens mit „Weltunter“ sind die Fans wieder ins ASPs wenig religiösen Welten gefangen, ehe dieser die „Eisige Wirklichkeit“ ausruft. Eben jener Mix aus Elektro, Rock und vor allem Stimme ist sinnbildlich für die Frankfurter und ihre nunmehr 15-jährige Reise durch die düsteren Sphären der Rockmusik. An diesem Abend erzählt ASP in gewohnter Kluft und Schminke auch von seinem ersten Abstecher nach München im Jahr 1999, vor dem ihm seine damaligen Promotionfirma dringlichst abgeraten hatte. Doch die Band ging das Risiko ein, eine Menge Geld zu verlieren, und wurde im Laufe der Zeit mit stetig wachsenden Besucherscharen belohnt.

SONY DSCPassenderweise ist das Münchner Backstage an diesem Abend erneut sehr gut gefüllt und bestätigt ASPs Einschätzung über die zweifellos vorhandene Schwarze Szene im Herzen Bayerns. In der „Sauna Backstage“ setzt er es sich zum Ziel, durch die Stimmung das Dach vom Gebäude zu sprengen – allein um den Sauerstoffgehalt zu bessern. Dies gelingt erwartungsgemäß nicht ganz, doch der rockige Feiermarathon nimmt bereits früh mit „Schwarzes Blut“ extrem an Fahrt auf. Vorwärts, abwärts! Laute Publikumschoräle rund um verschiedene Intonationen von „Heyho“ ziehen sich durch das gesamte Konzert, immer gemischt mit einer gehörigen Prise Charme und Humor. Erneut zeigt sich ASP als Sänger und Entertainer von seiner besten Seite. Auch in ernsten Momenten: So spricht der Schwarze Schmetterling davon, wie er Musik als deutlichstes Zeichen für das Vorhandensein einer menschlichen Seele sieht. Diese gilt es manchmal zu wahren, weswegen er sich seinen eigenen Schutz gesucht hat und dies in „Die Kreatur mit der stählernen Maske“ abbildet. Seine Kräfte scheint sich ASP gut eingeteilt zu haben, so dass stimmlich keine Ermüdungserscheinungen auftreten, als im Mittelteil die Menge bei der Kombination aus „Sing Child / Kokon“ schier ausrastet. Auch „Ich bin ein wahrer Satan“ wird lauthals mitgesungen.

SONY DSCMit „Sündige Heilige“ präsentierten die Goth-Rocker wiederum einen ihrer neuesten Songs von der aktuellen Werksschau „Per Aspera Ad Aspera“. Für ASP-Verhältnisse ist das Ergebnis hier zu rock-poppig und auch „Rücken an Rücken“ scheint trotz beharrlicher Live-Penetranz in den letzten Jahren nicht so richtig bei der Mehrheit anzukommen. In gewisser Weise widerspricht der Song auch dem Grundgedanken, ein Konzert mit Augen und Ohren zu erleben. Spätestens mit „Werben“ und der rockigen Version von „Per Aspera Ad Aspera“ ist dies aber wieder vergessen. Bei Ersterem „schenkt“ ASP dem Publikum die zweite Bedeutung des Songs, der auch im Hinblick auf Fernsehwerbung gedeutet werden kann. Kurzerhand greift die Menge den Arsch-und-Titten-Teil des Vorabends als Sprechchor auf. Allerdings hat sich „Werben“ inzwischen als Hommage an die Liebe zu sehr etabliert, um noch einmal von dieser Textauslegung abweichen zu können.

SONY DSC„Die Ruhe vor dem Sturm“ spiegelt im Zugabenblock eben genau dies wieder. Nachdem ASP mit „Krabat“ einen kurzen Bogen zu den Zaubererbrüdern spannen, gibt das Publikum beim finalen „Ich will brennen“ noch einmal alles. So enden zwei starke Konzert mit einem fulminanten Abschluss.
Abschließend lässt sich festhalten, dass eine Best-Of-Werksschau live wie auf CD nie alle Hörer zufriedenstellen wird. Es darf z.B. gemutmaßt werden, dass „Zaubererbruder“, „Duett“, „Biotopia“ und „Denn ich bin dein Meister“ zukünftig wohl eher akustisch präsentiert werden. Eine nachvollziehbare Entscheidung, ebenso wie die Zusammenstellung der beiden Setlisten.

Setliste „Best of Rock“
01. Kyrie Eleison
02. Raserei / Sanctus Benedictus / Wer sonst (Medley)
03. Weltunter
04. Eisige Wirklichkeit
05. Schwarzes Blut
06. Schwarz
07. Die Kreatur mit der stählernen Maske
08. Wechselbalg
09. Sing Child
10. Kokon
11. Und wir tanzten
12. Weichen[t]stellung (GeistErfahrer Reprise)
13. Ich bin ein wahrer Satan
14. Sündige Heilige
15. Rücken an Rücken
16. Lykanthropie (Es tobt ein Krieg in mir)
17. Werben
18. Per Aspera Ad Aspera

19. Die Ruhe vor dem Sturm
20. Krabat

21. Krabat (Fortsetzung)
22. Ich will brennen

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