Festivalbericht: Festival-Mediaval V – Tag 1

07.09.2012 Selb

1. Tag

Und jährlich grüßt der Goldberg. So auch 2012. Zum bereits fünften Mal luden die Veranstalter des FESTIVAL-MEDIAVAL alle Anhänger der mittelalterlichen Musik und Lebensweise in das beschauliche Städtchen Selb nahe der tschechischen Grenze ein. Blieben die exzellenten Rahmenbedingungen beim ersten kleinen Jubiläum nahezu identisch zu den Vorjahren, so feilten die Organisatoren an der Auswahl der Bands. Erstmals gab es an der Headlinerfront mit Saltatio Mortis und Schandmaul anstatt Haggard, Poeta Magica und Alan Stivell nennenswerte Überschneidungen mit den fränkischen Burgenfestivals in Neuhaus, Höchstadt und Abenberg. Doch der Reihe nach:

Nachdem eine Parade einige Künstler quer durch Selb führte und die einzelnen Bühnen vom Bürgermeister der Stadt nebst Gauklern eröffnet wurde, begann der musikalische Part mit zackigem Folk aus Belgien: BLUNT. Erfrischend flott spielten die fünf Westeuropäer einen bunten Mix aus Eigenkompositionen ihrer vier Alben, die bis ins Jahr 2003 zurückreichen. Nur am Ende bedienten sich die Westflamen als Abschlusssong am bekannten wie beliebten „Was wollen wir trinken?“. Erstmals stimmte die kleine Menge vor der Bühne gesanglich mit ein. Zuvor war bereits mehrfach zu den treibenden Folkrhythmen gemeinsam das Tanzbein geschwungen worden. Ein gelungener Auftritt.

Weniger gelungen geriet der Auftakt auf der Burgbühne nebenan. CAMERATA PLEDELINGA versuchten sich an härterem Folkrock, wobei die Betonung auf „versuchten“ liegt. Viel gelang den sichtlich nervösen Musikern aus Niederbayern nicht. Und was sie versuchten klang wie Altbekanntes oder Bereits-Gehörtes. Mit Attonitus und anderen Combos aus den Nachwuchswettbewerben hatte das Festival-Mediaval in den letzten Jahren an dieser Front deutlich Überzeugenderes zu bieten als die x-te Version von „Ai Vis Lo Lop“. Auch die Tatsache, dass die CAMERATA PLEDELINGA als zweite Band des Tages ebenfalls „Was wollen wir trinken?“ als potentiellen Stimmungsmacher wählte, trug zum unglücklichen Gesamteindruck dieses Auftritts bei. Immerhin schienen die Musiker ihr individuelles Handwerk an den Instrumenten zu verstehen.

Im krassen Gegensatz zum bewegungsintensiven Mittelalterrock standen die schwedischen TRIAKEL auf der Schlossbühne im Anschluss. Das Bühnenbild mit lediglich einem Harmonium und zwei Mikroständern am vorderen Ende in der Mitte mutete zunächst seltsam an. Doch mit Geige und Gesang gepaart überzeugte das Ergebnis trotz optischer Magerkost. Überraschend klar und deutlich erklang die Stimme von Sängerin Emma Härdelin, die abseits von TRIAKEL mit Garmana folkrockiger unterwegs ist. So stand ihre Stimme beim klassischen Folk mit Roots-Einflüssen noch mehr im Vordergrund und die zierliche Dame meisterte ihre Aufgabe erstklassig. Das Publikum dankte es, indem es der fremden Sprache aufmerksam lauschte oder dazu tanzte. Für alle Nicht-Schweden erklärte Emma die Inhalte des landessprachlichen Songs in kurzen, meist witzigen Anekdoten auf Englisch. Eine Rückkehr der überaus sympathischen wie talentierten Sängerin scheint weder mit TRIAKEL noch mit Garmana etwas im Weg zu stehen.

Apropos Rückkehr: DES TEUFELS LOCKVÖGEL mit Selb-Urgestein Marcus van Langen am Mikro leuteten den Endspurt des ersten Tages ein. Die Bühnenshow stand bei Sängerin Juliane La Fey und ihren beiden Männern wieder deutlich mehr im Vordergrund als zuvor bei Triakel. Dabei merkte man der extrovertierten Sängerin zumindest für die Dauer des Auftritts nichts von ihren gesundheitlichen Problemen. Im Gegenteil: Agil tanzte die Frontfrau auf den Brettern und zeigte erneut das, was problemlos als „Mikrofonfellatio“ durchgeht. Das männlich/weibliche Duett harmonierte hervorragend und als Kollektiv genossen die Lockvögel ihr wiederholtes Heimspiel spürbar. Natürlich wurde auch die entsprechende Hymne auf ihr Heimatland Bayern angestimmt. Songtechnisch varrierte die Kombo im restlichen Programm modern-zweideutige Interpretationen von „Totus Floreo“ mit teils traditionellem Liedgut und Songs der letzten Veröffentlichung „Vanitas“. Die Stimmung im Auditorium entwickelte sich während der frivol-freizügig-katholizismusbefreiten Show prächtig. Nicht unerwähnt bleiben sollte an dieser Stelle der neue Lockvögel-Percussionist Peter Pagani, welcher zusammen mit Cister, Flöte und Drehleri stets für die nötige Power in den mittelalterlich gehaltenen Liedern sorgte. Ganz ohne Dudelsack.

An der Headlinerfront gab es beim Festival-Mediaval V zum ersten Mal SALTATIO MORTIS zu sehen, die diesen Spot letztes Jahr beim Feuertanz bereits mehr als erfolgreich füllten. In Selb waren die Spielmänner zuletzt 2008 zu Gast. In der Zwischenzeit hat sich einiges getan, wie sich nicht nur am gewachsenen Bühnenaufbau zeigte. Nein, auch der Showaspekt und die musikalische Ausrichtung ist eine andere. So zelebrieren Alea, Lasterbalk und Co. nun deutlich härtere Kompositionen – wild und frei, so wie das bandinterne Motto naheliegt. Zu wild und zu frei sollte es dann allerdings nicht sein, denn besonders Frontmann Alea hatte in den letzten Jahren schon deutlich bessere Tage. Seine Stimme war nicht nur zu leise im Vergleich zu Dudelsack, E-Gitarre und Schlagzeug, sondern auch von der Intonation auffällig oft neben der Spur. Wenig vorteilhaft war dabei auch ein kurzzeitiger Ausraster des Barden: Zunächst drückten Saltatio kollektiv ihre Sympathie für die russische Frauenband Pussy Riot aus, bevor der Sänger bei „Wir säen den Wind“ mit seiner Fahne in der Menge verschwand. Bei seinem Lauf zurück stellte sich ihm am Ende ein Zuschauer in den Weg, um ihn wegen der vorhergehenden politischen Botschaft zu konfrontieren und kritisieren. Alea räumte sein Hindernis daraufhin kurzentschlossen eigenhändig aus dem Weg und beendete den Song wie geplant mit deutlich aggressivem Unterton, ehe er nochmals auf den „Fan“ zu sprechen kam und ihn über die freie Meinungsäußerung aufklärte. Generell litten SALTATIO MORTIS in Selb an genau diesen Unstimmigkeiten, die sich auch auf hervorragende Stücke wie „Hochzeitstanz“, „Eulenspiegel“ und „Tod und Teufel“ auswirkten. Allgemein erfüllte der Sound nicht unbedingt gehobene Festivalstandards, um es vorsichtig zu formulieren. SaMo ließen sich davon jedoch kaum unterkriegen, holten bis zum „Spielmannsschwur“ showtechnisch das Maximum aus ihrem Auftritt heraus und boten anschließend sogar noch ein akustisches Marktkonzert am Metstand neben der Hauptbühne. Wahre Spielmänner trotzen eben allen Umständen.

So neigte sich der erste Festivaltag spät seinem Ende. Abgesehen von CAMERATA PLEDELINGA bekamen die Besucher ein größtenteils gutes, abwechslungsreiches Programm ohne nennenswerte Highlights (mit Ausnahme von TRIAKEL) zu sehen, welches nur vereinzelt unter der Technik litt. Vom Ambiente und Feeling gab es indes wieder nichts zu meckern. Wer ein Festival dieser Größenordnung mit rund 8.000 Besucher stämmt und es gleichzeitig so familiär gestaltet, verdient abseits von allem immer ein großes Lob und Anerkennung.

Bericht und Fotos zu Tag 3…
Bericht und Fotos zu Tag 2…

Publiziert am von und Uschi Joas

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