Konzertbericht: Motörhead w/ Saxon, Girlschool

21.11.2015 München, Zenith

Motörhead Tour

Wenn in den letzten Jahren irgendwo der Name MOTÖRHEAD zu lesen war, ging dem Fan stets zunächst der Puls hoch: Nach all den schlechten Nachrichten um den Gesundheitszustand von Bandchef Lemmy erschien das Ende der Band so absehbar wie unvorstellbar. Als würde ihn das nichts angehen, macht Lemmy unterdessen weiter: Mit „Bad Magic“ legen MOTÖRHEAD eines der stärksten Alben ihrer Karriere vor, und pünktlich zum 40. Geburtstag der Band geht es wieder auf Europatour. Wohl nicht zuletzt aufgrund dieser Umstände ist das Interesse an den Shows groß wie nie: In München macht der Tourtross diesmal gleich an zwei aufeinander folgenden Tagen halt, beide Shows sind bereits Monate im Vorhinein ausverkauft.

Girlschool

Wie bereits am Freitag, beginnt auch die zweite Show um 19:00 mit den Rockerinnen von GIRLSCHOOL. So legendär die Frauen-Kombo um Fronterin Kim McAuliffe auch sein mag – für Wirbel sorgt der Auftritt nicht. Zwar ist die musikalische Darbietung durchweg solide, die Bühnenpräsenz der Frauen lässt jedoch zu wünschen übrig: So richtig springt der Funke nicht über, obwohl der geradlinige Rock der Band Motörhead-Fans eigentlich zusagen sollte. Dass das Hallenlicht während der Show zum Teil angeschaltet bleibt, sorgt wie der etwas dünne Sound jedoch auch eben nicht für ideale Bedingungen. Viel mehr als Achtungsapplaus ist für GIRLSCHOOL heute jedenfalls nicht drin.

saxon-logo

Ganz anders sieht das bei SAXON aus, die nach nur 15 Minuten Umbaupause die Bühne entern und das Zenith quasi im Sturm einnehmen: Zwar bleibt auch hier das Licht aus unerfindlichen Gründen teilweise eingeschaltet – mehr gibt es an dem Auftritt jedoch nicht zu kritisieren: Der Sound ist von der ersten Minute an druckvoll und doch kristallklar, die Band bestens aufgelegt und die Publikumsreaktionen wären einer SAXON-Headlinershow würdig. Was die Fans geboten bekommen, kommt einer solchen aber auch überraschend nahe: Ganze 60 Minuten lang geben die NWOBHM-Vorreiter alles und präsentieren sich von ihrer besten Seite. Vor allem Fronter Peter „Biff“ Byford weiß, wie er für Stimmung sorgen kann: Die auf die Bühne geworfene Kutte eines Fans zieht er direkt über und behält sie die gesamte Show lang an und während sie ihre Spielzeit bis zur letzten Minute auskosten, vermitteln SAXON als Einheit selten gesehene Spielfreude. Der Applaus, den die Briten am Ende ernten, sagt alles.

  1. Battering Ram
  2. Motorcycle Man
  3. Sacrifice
  4. Power And The Glory
  5. Queen Of Hearts
  6. The Devil’s Footprint
  7. Heavy Metal Thunder
  8. 20,000 Ft
  9. Princess Of The Night
  10. Wheels Of Steel
  11. Crusader
  12. Denim And Leather

Motörhead

Eine gute halbe Stunde dauert es anschließend, bis das Licht im Zenith um 21:20 neuerlich erlischt – diesmal zum Glück komplett. Sirenen heulen los, der monströse MOTÖRHEAD-Bomber senkt sich von der Bühnendecke herab und die Briten starten mit dem entsprechenden Song ins Set. Der Eindruck, den dieser fulminante Einstand schindet, hat jedoch nicht lange Bestand: Die achtbare musikalische Leistung der Band wird durch einen katastrophal undifferenzierten Sound zunichte gemacht, der sich auch über die restliche Spielzeit von immerhin 80 Minuten nicht wesentlich verbessert. Die etwas krude Setlist mit nur einem Song vom aktuellen Album „Bad Magic“ verkommt so zur Nebensache, unterscheiden sich die Songs unter diesen Umständen doch sowieso kaum.

Wirklich schlimm ist jedoch, dem von Lebenswandel und Krankheit mittlerweile schwer gezeichneten Lemmy dabei zusehen zu müssen, wie er sich durch das Set quält: Das Gesicht eingefallen, der Körper ausgemergelt und doch scheinbar nur physisch anwesend, wirkt Mr. Kilmister wie ein Statist in seiner eigenen Show. Emotionen sucht man vergeblich: Während Girlschool den Opfern des Pariser Terroranschlages und dem kürzlich verstorbenen, langjährigen MOTÖRHEAD-Schlagzeuger Phil “Philthy Animal” Taylor mit je einer Songwidmung Tribut zollen, beschränkt sich Lemmy auf Standardansagen.

Nach nur fünf Songs soliert Phil Campbell sein Griffbrett heiß, später rackert sich Mikkey Dee an einem nicht enden wollenden Schlagzeugsolo ab, damit Lemmy jeweils für ein paar Minuten hinter die Bühne verschwinden kann – und das wohl nicht, um sich mit einem Groupie zu vergnügen. Doch so sehr sich seine beiden Knappen auch abrackern – für echte Bühnenpräsenz reicht das bei MOTÖRHEAD einfach nicht aus.

Stimmung kommt so, gerade nach der fulminanten Saxon-Show, leider nicht mehr wirklich auf: Sieht man von wilden Moshpits an forderster Front ab, lässt sich das Publikum zu lautem Applaus nur treiben, wenn Mikkey Dee aufsteht und ihn gestenreich einfordert – ansonsten drückt der Beifall wohl eher Respekt vor dem „Godfather of Metal“ als echte Freude an der Darbietung aus.

Ganz zum Schluss bekommen die Besucher zwar doch noch ein Highlight geboten, als Lemmy, begleitet von Phil und Mikkey an der Akustikgitarre überraschend kraftvoll den „Whorehouse Blues“ anstimmt. Nach dem finalen „Overkill“ ist man jedoch vor allem froh, dass das Konzert über und der alte Mann heil von der Bühne gebracht ist.

  1. Bomber
  2. Stay Clean
  3. Metropolis
  4. When The Sky Comes Looking For You
  5. Over The Top
  6. — Gitarren-Solo

  7. The Chase Is Better Than The Catch
  8. Lost Woman Blues
  9. Rock It
  10. Orgasmatron
  11. Doctor Rock
  12. — Schlagzeugsolo

  13. Just ‚Cos You Got The Power
  14. No Class
  15. Ace Of Spades
  16. Whorehouse Blues (Acoustic)
  17. Overkill

Dass das Interesse an MOTÖRHEAD mit jedem Jahr steigt, liegt sicher nicht an der wachsenden Bekanntheit der Band. Vielmehr dürfte es schlicht der steten Präsenz in den Medien aufgrund Lemmys Gesundheitszustand zuzuschreiben sein: Der vom Whiskey scheinbar konservierte Opa ist schon lange zur eigentlichen Attraktion geworden – und sollte er es doch nicht ewig machen, will man zumindest nicht die letzte Gelegenheit, die Legende einmal leibhaftig zu sehen, verpasst haben. So lange die Band den Eindruck erweckte, dass sie mit Spaß bei der Sache ist, ließ sich darüber leicht hinwegsehen – die sichtliche Mühe jedoch, mit der sich Lemmy mittlerweile durch die Show quält, macht schlicht betroffen.

Warum MOTÖRHEAD 2015 nicht mehr überzeugen können? Ein Teil dieser Antwort könnte sie verunsichern. Es könnte aber damit zusammenhängen, dass der Mann, der bereits vor 35 Jahren die Zeile „I don’t wanna live for ever“ sang, in wenigen Wochen seinen 70. Geburtstag feiert.

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2 Kommentare zu “Motörhead w/ Saxon, Girlschool

    1. Momentan gibt es nur die Info, dass es eine DVD zum 40 jährigen Bandjubiläum geben soll. Wahrscheinlich sind die Aufnahmen für diese gemacht wurden. Ob aber die ganze Show auf der DVD sein wird, oder nur einzelne Songs ist bisher nicht bekannt.
      Sobald es diesbezüglich Neuigkeiten oder mehr Details gibt, werden wir die hier natürlich veröffentlichen!

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