Konzertbericht: Tarja w/ Stratovarius, Serpentyne

18.10.2018 München, Backstage

Lange Zeit stand TARJA sinnbildlich für Nightwish. Sie war das Gesicht und die Stimme der Finnen, Tuomas Holopainen das stille Genie im Hintergrund. Inzwischen ist die gebürtige Finnin auf Solopfaden endgültig emanzipiert von ihrer Vergangenheit. Auf ihrer aktuellen Reise durch Europa hat sie sich mit den stilistisch verwandten STRATOVARIUS zu einer Double-Headliner-Tour unter dem Motto „A Nordic Symphony“ zusammengeschlossen. Die klare Gewinnerin des Abends ist allerdings die ehemalige Nightwish-Sängerin, die München erneut erobert.

Die Briten SERPENTYNE als Vorbote des symphonisch-metallischen Zweigespanns leiden unter organisatorischen Unzulänglichkeiten. So wird der Konzertbeginn überall – auf Facebook, Tickets, etc. – mit 20 Uhr beworben. Erwartungsgemäß leer ist die Halle um 19:30 Uhr, als die britischen Metaller ihren Slot spielen. Zum mehrheitlich erwarteten Beginn um Punkt 8 herrscht wiederum Stille, denn es dauert bis fast 20:30 Uhr, ehe STRATOVARIUS die Bühne betreten. Damit hat man eine stimmige Ergänzung zu Tarja gefunden: Die ebenfalls aus Finnland stammende Band ist im Symphonic- und Power-Metal zu Hause und hat das Kunststück geschafft, auch nach 30 Jahren Bandbestehen relevant zu bleiben. Der fast 50-jährige Sänger Timo Kotipelto, immerhin seit den 90ern dabei, hat offensichtlich keinen Raubbau an seiner Stimme betrieben und beweist immer noch problemlos das für das Genre notwendige beachtliche Stimmvolumen. Mit viel Spielfreude performen STRATOVARIUS sowohl alte Hits wie “Destiny” oder “Forever Free” als auch neues Material, das zwar teils wie auf dem Altherren-Power-Metal-Reißbrett entworfen klingt (und – mit Verlaub – auch auf der Bühne ein bisschen so aussieht), aber wie im Falle von “Oblivion” auch ordentlich Ohrwurmgarantie mitbringt. Fans scheinen die Finnen auch im Münchener Einzugsgebiet zahlreiche zu haben: Nicht nur die bekanntesten Songs sondern auch neuere Stücke werden generationsübergreifend mitgesungen. So gibt es nach der setabschließenden sehr emotionalen Ballade “Forever” laute Forderungen nach mehr, und STRATOVARIUS drücken mit “Unbreakable” und vor allem ihrem großen Hit “Hunting High and Low” nochmals ordentlich aufs Gaspedal. Ein versöhnliches Ende, auch für all diejenigen, denen die über 60 Minuten zuvor im recht eingefahrenen Soundgewand ein wenig zu eintönig daherkommen.

Wieder vergehen rund 30 Minuten, ehe erst die Live-Band und anschließend die Hauptperson vor die Menge treten: TARJA eröffnet ihr Set mit „Demons In You“ von ihrer letzten Platte „The Shadow Self“ und nach kurzer Anpassung der Regler erklingt der Sound im gut gefüllten Backstage Werk voll und wuchtig. Ähnlich wie bei ihren letzten Gastspielen präsentiert sich die Sängerin mit der charakteristischen schwarzen Mähne erneut gut gelaunt und voller Tatendrang. Besonders das ältere „Falling Awake“ sticht anfangs heraus, auch ohne Joe Satriani. Im Vergleich zu Stratovarius fallen die Songs bei TARJA merklich abwechslungsreicher aus. Die Melange aus dem satten Instrument-Mix und der charakteristischen wie wandelbaren Sopranistin mit ihrer Drei-Oktaven-Stimme entfaltet live noch einmal eine viel intensivere Wirkung als auf CD – womöglich ein Grund, warum TARJAS Discografie sowohl vier Studioproduktionen als auch vier Livemitschnitte umfasst.

Ihre Zusammenarbeit mit Schlagzeug-Legende Mike Terrana ist inzwischen beendet, dafür hat sich die charismatische Powerfrau mit ihrem Cellisten ein ähnliches Energiebündel gesichert, der als klare Nummer 2 auf der Bühne agiert und instrumental brilliert. Auch Bass, Gitarre und Schlagzeug sind auf der „A Nordic Symphony“-Tour hervorragend besetzt, agieren angenehm präsent im Soundbild und so muss sich die Namensgeberin ihres eigenen Projekts auch keine Sorgen machen, dass Tristesse aufkommt, wenn sie kurz von der Bühne verschwindet und ihre Kollegen einige Minuten überbrücken. In Sachen Outfits hält sich TARJA im Vergleich zu früheren Jahren merklich zurück: Nur einmal tauscht sie ihre Corsage gegen etwas Luftigeres, zu „Diva“ verwandelt sie sich mit Kopfschmuck in ihre eigene Version von Maleficent. Bei „Calling From The Wild“ wecken wiederum kurze ins Mikro gestöhnte Laute etwas merkwürdige Assoziationen, unabhängig vom Outfit. „I Walk Alone“ als Sinnbild für ihre Solopfade darf in der Setliste natürlich nicht fehlen, ebenso wie „Until My Last Breath“ als finaler Rausschmeißer nach rund 75 Minuten Spielzeit. Kompositorisch hat sich TARJA davor stärker präsentiert, wenngleich das Münchner Publikum besonders das Ende abfeiert und die Sängerin mehrfach Handküsschen verteilt, ehe sie final von der Bühne tritt.

Nur TARJA, kein Nightwish, keine Kompromisse. Professionell inszeniert und flankiert unterhält die begnadete Vokalistin, ohne das Gehör ihres Publikums mit ihrem Organ zu überfordern oder überzustrapazieren. Mit STRATOVARIUS gibt es 2018 dazu noch einen namhafte Ergänzung im Vorprogramm, wenngleich sich die Veteranen bis auf ihren Konzertabschluss klar geschlagen geben müssen. 

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