2015

Review Amorphis – Under The Red Cloud

Seit fast zehn Jahren versorgen uns die finnischen Melancholic Metaller AMORPHIS zuverlässig im Zwei-Jahres-Rhythmus mit einem neuen Studioalbum. Und so erscheint dieser Tage pünktlich Platte Nummer 12, welche auf den irgendwie „un-nordischen“ Namen „Under The Red Cloud“ getauft wurde. Dennoch lässt sich schon nach wenigen Takten sagen: Hier sind die Herren unterwegs, die mit Alben wie vor allem „Tales From The Thousand Lakes“, aber auch „Tuonela“ oder „Eclipse“, Geschichte schrieben und das Niveau über die Jahre extrem hochhielten.

Doch auch bei einem großen Namen gebietet es sich, das Pferd von der richtigen Seite aufzuzäumen. Dieses Unterfangen entpuppt sich in den ersten Augenblicken allerdings als kleine Geduldsprobe, denn die zehn Songs lassen ihre Masken nur allmählich fallen. Zwar ist das alles unverkennbar AMORPHIS, dafür sind die Finnen schon zu lange im Geschäft. Sie wissen einfach, wie ihr Stil funktioniert und dennoch zwingen sie den Hörer, die Ohren ganz genau aufzusperren. Präziser ausgedrückt: Sie erzwingen die Aufmerksamkeit des Hörers. Natürlich hatten sie schon immer ein paar progressive Elemente in ihrer Musik, aber dennoch eignete sich früheres Material zumindest punktuell für ein gewisses Easy-Listening.
Klingt das zu sehr nach komplizierter Musik? Nein, eigentlich nicht, zumal es ja auch stimmt; zwar sind die Strukturen recht bald durchschaubar, nur selten weicht man von gängigen Strophe-Refrain-Schemata ab. Auf der anderen Seite ist das Riffing aber auf einem teilweise beachtlichen technischen Niveau. Dazu kommen atmophärisch sehr dichte Arrangements, AMORPHIS geben sich schließlich schon lange nicht mehr mit Gitarre, Bass und Schlagzeug zufrieden. Dezente Keyboards, orientalische Saiteninstrumente, Flöten und Perkussions weben ein anfangs schwer zu durchdringendes Netz. Sind die Fäden aber erst einmal entwirrt, zeigen sich die Glanzlichter auf „Under The Red Cloud“. Diese ließen sich jetzt im einzelnen aufzählen, eine vorsichtige Auswahl gibt jedoch auch den nötigen Überblick.
Ganz grob sind es die aggressiven, teilweise schnellen und gerne von Double-Bass durchsetzten Songs wie das kernige „The Four Wise Ones“ oder die hochmelodiösen „Bad Blood“, „The Skull“ und „Sacrifice“, welche alle als Referenzlieder gelten können.
Dazu gesellt sich die eine oder andere Ohrwurmmelodie, welche wenig überraschend meistens von den Gitarren kommen. Interessanterweise sind dies die „fröhlichsten“ Augenblicke auf einer Scheibe, deren Grundtenor keineswegs so düster ist, wie man es in der Vergangenheit von AMORPHIS gewohnt war. Das macht aber nichts, auch in Finnland kann man das Leben bejahen, selbst wenn die Titel und Texte vielleicht eine etwas andere Sprache sprechen. Daumen hoch für diesen Blick über den Tellerrand, den die Band früher vielleicht etwas zu selten gewagt hat.
Nicht neu sind gewisse Tendenzen zu Gastmusikern und so hat man sich auch für „Under The Red Cloud“ wieder Verstärkung ins Studio geholt. Die Flöte war schon länger ein steter Begleiter des Konzepts, weiblicher Gesang hingegen eher von spärlichem Einsatz. Ganz dringend hat man das sicher nicht gebraucht, aber insgesamt hübscht Aleah Stanbridge (Trees Of Eternity) „ihre“ drei Nummern schon etwas auf.

Kaum ein Album von AMORPHIS hat eine so hohe subjektive Qualitätsamplitude wie „Under The Red Cloud“. Ist der Anfang fast ungewohnt zäh und sperrig, offenbart die Scheibe ihre Majestät erst nach und nach. Wer so lange durchgehalten hat – und dies sei dringend empfohlen – wird seine helle und vor allem langanhaltende Freude mit der Platte haben. Sicher nicht die allerbeste Veröffentlichung der Finnen (was vor allem für das etwas dürftige Artwork gilt), aber ein starkes Stück Musik allemal.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Jan Müller

2 Kommentare zu “Amorphis – Under The Red Cloud

  1. Ich bin auch etwas überrascht, so lobende Worte hier zu lesen – mal schauen, ob mich eure Begeisterung anstecken kann, nachdem ich mit „Circle“ absolut nicht warm geworden bin.

  2. Richtig geil! Damit hätte ich nach dem doch etwas spröden Vorgänger gar nicht mehr gerechnet. Die Pagan-Note steht dem Album ausgezeichnet zu Gesichte!

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