Review apRon – Der Punch

Wenn es an der Türe etwas kräftiger klopft, dann steht vermutlich nicht das Kasperle davor, sondern Mr. Punch mit seinem Taktstock der besonderen Art. Der Rhythmusgeber für seine Geschichte ist die Münchner Crossover-Formation apRon, die sich auf ihrem letzten Album dem härteren Konzeptrock verschrieben hat – und diesen bis zum Konfettiregen in ihren Live-Shows mit viel Liebe und Sinn für Details kultiviert. Hier rockt, rumpelt und rappelt es im Karton!

Bereits vor „Der Punch“ waren apRon für Schlagzeilen gut: So knackten die Musiker 2010 den Rekord für das längste Rockkonzert mit insgesamt 67 Stunden. Vier Jahre später feuert der mittlerweile zum Quartett geschrumpfte kreative Haufen wieder aus allen Rohren. Die Grundzutaten mit Gesang, Schlagzeug, Bass und Gitarre dürften das Gewöhnlichste an jener Band sein, die sich für ihr Album eine ganze Geschichte für einen Comic ausgedacht hat. Im Zentrum dessen steht die durchtriebene Puppe namens Mr. Punch sowie die Beziehung zu ihrem Besitzer Herr Kleinmann, die auf vielerlei Weise gedeutet werden kann. So agieren apRon in einer (scheinbar) fiktiven Welt als Strippenzieher und Pupperspieler zugleich: Die unerreichbaren Wünsche und Sehnsüchte des biederen Kleinmanns begleiten den Hörer durch die 11 Songs, in denen die vier Musiker eine emotionale Achterbahnfahrt im intensiven Vollwaschgang abbilden. Gleichzeitig werfen sie dadurch ebenso Fragen im Hier und Jetzt auf.

Die innerliche Zerrissenheit von Kleinmanns Seele, seine Frustration und auch sein blinder Wahn mögen zwar in einer Fiktion angesiedelt sein, lassen sich aber problemlos auf die moderne Gesellschaft übertragen. Selten positiv konnotiert wie in „Showtime“ lebt und bebt dieses Album bei Rockbrettern wie „Taktstock“ oder „Das Krokodil“. Wie gut das Gesamtpaket funktioniert, beweist wiederum „Judith“ als fragiles Interlude zu „Das Krokodil“ rund um den Abschied der Hauptfigur von seiner gleichnamigen Freundin. Über einzelne Songs zu sprechen wird dem Gesamtwerk jedoch wenig gerecht, denn dieses funktioniert am besten als eine Symphonie der eigenen Art – vom ersten bis zum letzten Takt. Nicht zuletzt setzt „Mr. Punch“ ganz am Ende ein Ausrufezeichen und keine obligatorische Quotenballade.

apRon wollen nicht nur anders als die anderen sein, sie sind es. So verbinden insgesamt neun gesprochene Passagen von Schandmaul-Sänger Thomas Lindner die einzelnen Kapitel. Der Folksänger agiert als (in diesem Fall wenig mittelalterlicher) Geschichtenerzähler und steuert für das Gesamtkunstwerk einen wertvollen Beitrag bei. Wer indes nur die Mucke hören will, lässt diese Teile schlicht weg. Der musikalische Baukasten aus dem Herzen Bayerns funktioniert individuell, ist in sich geschlossen und dennoch vielfältig, auch im Gesang. Die emotionale Bandbreite lebt durch die Stimme von Sänger Till Herence auf. Dieser bewegt sich wie schon zuvor bei Loonataraxis traumwandlerisch sicher zwischen guttural und clean, unterstützt von intelligenten deutschen Texten, die neugierig auf den Comic machen. Ob rein akustisch oder teils literarisch, die Story ist vielschichtig, leicht verständlich und trotz aller Düsterkeit nicht spaßbefreit. Die selbst gewählte Bezeichnung „Hörcomic“ wirkt dabei unnötig bescheiden, da apRon aus diesem Stoff in jeglicher Hinsicht das Maximum herausholen.

Crossover – über alles und jeden musizieren sich apRon mit „Der Punch“ in die Herzen weltoffener Musikbegeisterter, die auf der Suche nach etwas Anderem sind. Hinter all der demonstrierten Härte verbirgt sich eine hochkomplexe Struktur, die voller Intelligenz und musikalischem Sachverstand strotzt. Hervorragend produziert und verpackt ergibt dies ein Album, das die Musikwelt durch und durch bereichert.

Wertung: 10 / 10

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