Review Blind Guardian – Beyond The Red Mirror

Nachdem BLIND GUARDIAN im Dezember letzten Jahres, mit der Single-Auskopplung „Twilight Of The Gods“, bereits einen ersten kleinen Blick auf „Beyond The Red Mirror“ gewährt haben, steigt die Vorfreude auf das neue Album kurz vor Release ins Unermessliche. Die Ankündigungen, dass man mit drei verschiedenen Chören und zwei kompletten Orchestern zusammengearbeitet hat, erhöhte die Erwartungen umso mehr.

Bereits die Eröffnung von „The Ninth Wave“ fällt durch ihr opulentes, chorales von Orchesterklängen und Synthesizer-Effekten untermaltes Intro und den sich langsam steigernden Gesang von Hansi Kürsch auf, bevor man sich nach knapp zwei Minuten endgültig im gewohnten BLIND-GUARDIAN-Kosmos wiederfindet. Schnell wird deutlich, dass auch bei „Beyond The Red Mirror“ kein bisschen Stillstand zu verzeichnen ist. Der Opener besticht als knapp neunminütiges Epos, welches eindrucksvoll andeutet, wie eine gelungene Symbiose aus Orchester, Chor und Metal klingen kann. „Prophecies“ ertönt, ähnlich wie auch das später noch folgende „Ashes Of Eternity“, in klassischer Guardian-Manier, mit deutlich ausladenden Melodien, und könnte genauso auch auf einem Album wie „Nightfall In Middle Earth“ seinen Platz finden. Ein echtes Highlight wartet mit „At The Edge Of Time“ auf den Hörer. Das Stück erinnert mit seinem Aufbau und seiner Komplexität stark an „And Then There Was Silence“. Der musicalhafte Charakter mit seiner vielschichtigen Struktur zeigt deutlich, wie akribisch BLIND GUARDIAN zu Werke gehen. Zu keinem Zeitpunkt wirkt ein Bestandteil zu sehr im Vordergrund. Gitarren, Orchester, Chöre und der Gesang von Hansi bekommen stets den nötigen Freiraum zur freien Entfaltung, wodurch eine überwältigende Wirkung entsteht.
„Holy Grail“ ist überraschend direkt ausgefallen und darf neben der Story des Albums wohl auch als Brückenschlag zu „Imaginations From The Other Side“ verstanden werden. „The Throne“ und „Sacred Mind“ sind dann wieder deutlich komplexer und opulenter aufgebaut und repräsentieren die neu gewonnene Größe im Sound von BLIND GUARDIAN.
Der Geheimtipp der Platte ist jedoch die Ballade „Miracle Machine“. Die Band machte nie einen Hehl daraus, dass Queen durchaus musikalische Vorbilder waren und das hört man nun deutlich. Das Stück könnte tatsächlich aus der Feder von Brian May stammen und auch beim Arrangement des Gesangs blitzen kurzzeitig Parallelen zu Queen auf. Wer ein Faible für die Briten hat, dem wird dieses Stück mit Sicherheit gefallen. Viel passender als „Grand Parade“ hätte man den Abschluss, für ein solch epochales Album, dann wohl kaum betiteln können. Das Stück besticht nochmals durch alles, was der Hörer zuvor durchlebt hat. Verschachtelte Arrangements, dichte Orchesterteppiche, tolle Gitarrenarbeit sowie epische Chöre und ein stimmlich sehr stark wirkender Hansi Kürsch beschließen ein weiteres Meisterwerk aus Krefeld.

BLIND GUARDIAN beweisen auf „Beyond The Red Mirror“ einmal mehr ihre Ausnahmestellung und schaffen es erneut, sich weiterzuentwickeln und noch mehr neue Einflüsse in ihren Sound einzuflechten. Jedes der Stücke hat seinen eigenen Charakter und hier einen Teil der Musik besonders herauszuheben fällt schwer, denn selten war ein Werk dieser Truppe so homogen. Hansi Kürsch ist stimmlich stärker als scheinbar je zuvor, Marcus Siepen und André Olbrich verstehen ihr Handwerk in gewohnter Manier und steuern neben großartigen Rhythmus-Passagen vor allem immer wieder wunderbare Leads und Soli bei. Die Präzision, mit welcher Frederik Ehmke den Takt steuert, ist ebenfalls beeindruckend. Zu all dem gesellt sich der nie übertrieben oder aufgesetzt wirkende Einbau der Orchester und der Chöre.

„Beyond The Red Mirror“ ist schlussendlich der nächste Meilenstein in der Geschichte von BLIND GUARDIAN und tatsächlich waren diese vier Jahre Wartezeit es wert.

Wertung: 10 / 10

Publiziert am von Christoph Ilius

8 Kommentare zu “Blind Guardian – Beyond The Red Mirror

  1. Größte Überraschung des Jahres für mich. Blind Guardian hatte ich schon eine Weile mental in die Schublade „Zenit überschritten, aber liefern immer zuverlässig brauchbares neues Material“ gesteckt. Live eine absolute Institution, aber neue Alben kein unbedingtes muss.

    Mit dieser Erwartungshaltung hat es mich somit völlig vom Hocker gerissen als „Beyond the Red Mirror“ alle eben diese Erwartungen total mühelos und auf beeindruckende Art und Weise gesprengt hat.

    Direkte Vergleiche zu Meisterwerken wie „Nightfall in Middle Earth“ finde ich insbesondere wegen des großen zeitlichen Abstands zwar blödsinnig, aber „Beyond the Red Mirror“ brauch sich hinter nichts zu verstecken. Wer hätte gedacht, dass Blind Guardian einfach mal so mir nichts dir nichts eines ihrer großartigsten Alben abliefern? Hut ab.

  2. Die Songs des Albums sind ohne Frage ganz überwiegend großartig, sie haben die Höchstnote auf jeden Fall verdient. Meine Favoriten sind bislang „Ashes of Eternity“, „Prophecies“ und „Distant Memories“. Insgesamt handelt es sich für mich um das beste BG Album seit „Nightfall“. Die Produktion ist allerdings totale Grütze. Man traut sich kaum, die Scheibe Leuten vorzuspielen, die die Band nicht so gut kennen, denn die werden durch den Brei eher abgeschreckt. Kaum zu
    differenzierener, druckloser Mumpf. Ich verstehe nicht warum dieses Manko in den großen Magazinen weder in den Reviews noch in den Interviews kritisch erwähnt wird. Unerklärlich, dass so etwas einer nach Perfektion strebenden Band wie Blind Guardian passiert. Zumal es nicht das erste Mal ist. Schon die Twist klang ähnlich beschissen.

  3. Nachdem ich anfangs ernsthaft skeptisch war, lautet mein Urteil mittlerweile, dass „Beyond The Red Mirror“ die wahrscheinlich größte Blind Guardian-Platte überhaupt ist. Vielleicht nicht einmal die beste, das wird die Zeit noch zeigen, aber definitiv die beeindruckendste. Dagegen wirkt „At The Edge Of Time“, meiner Ansicht nach weiterhin eine 10/10, über weite Strecken wie ein unbeholfener erster Gehversuch auf demselben Terrain.
    „Beyond The Red Mirror“ in den Kontext der anderen Alben einzusortieren, fällt gar nicht so leicht. Es hat das komplexe Songwriting von „A Night At The Opera“, die Mittel von „At The Edge Of Time“ (plus X)… und immer mal wieder lugt eine Melodie oder Gesangslinie um die Ecke, die auch auf „Somewhere Far Beyond“ oder „Imaginations From The Other Side“ stehen könnte, so als wollten Blind Guardian den Ewiggestrigen zeigen, dass sie auch diese Disziplin noch beherrschen.

    Kurz was zu den einzelnen Songs. Die Heavy-Nummern sind der Wahnsinn und auf Augenhöhe mit „A Voice In The Dark“ oder den alten Klassikern. Auf „Twilight Of The Gods“ und „The Holy Grail“ live freue ich mich jetzt schon, und den Refrain von „The Throne“ muss ich ganz besonders loben.
    „Prophecies“ und „Distant Memories“, für mich zwei Brüder im Geiste, finde ich klasse. Ich sehe vor meinem geistigen Auge die Band ihr altes „Theater Of Pain“ anhören und den Entschluss fassen, sowas auch mal in gut aufzunehmen. Mission accomplished.
    „The Ninth Wave“: radikal neu und extrem sperrig, aber ich prognostiziere mal, dass es dennoch auf der kommenden Tour als Opener fungieren und funktionieren wird! „Grand Parade“ habe ich noch nicht ganz verinnerlicht, aber bei der Fülle an Ideen, die da aufgefahren werden, ist das wohl kaum ein Wunder. „At The Ende Of Time“ verwehrt mir auch noch erfolgreich den Zugang, das ist mir doch eine Spur zu theatralisch bis musicalhaft. Egal.
    Zu guter Letzt ein gewaltiges Sonderlob, eine Eins mit riesigem Sternchen für „Miracle Machine“! Nach der Nullnummer „Skalds And Shadows“ und dem trotz vielversprechendem Beginn in Tralala ausartenden „War Of The Thrones“ gab es schon Anlass zu befürchten, dass die Band es verlernt hätte, gute Balladen zu schreiben. Und dann kommen sie mit sowas um die Ecke. Hansis Stimme ist hier kristallklar und belegt, dass er es auch ohne Unterstützung dreier Chöre und diverser Klone seiner selbst bringt. Ich hatte beim Hören sogar ein paar Beatles-Flashbacks, so rein und wunderschön ist das. Und das sage ich als jemand, für den Balladen grundsätzlich Gefahr laufen, Skipmaterial zu werden.

    1. Leider bin ich immer noch fast nicht dazu gekommen, die Platte mal richtig anzuhören. Vier oder fünf Durchgänge scheinen angesichts der allgegenwärtigen Wucht auf allen Gebieten ein bisschen wenig. Trotzdem möchte ich Gunnars wirklich gutem Kommentar, der ja schon fast Rezensionsqualität ;) hat, fast uneingeschränkt zustimmen. Lediglich „Miracle Machine“ finde ich persönlich (noch?) ziemlich langweilig. Mir gefallen bis jetzt auch die Heavy-Nummern am besten und der Opener ist schlicht der Hammer. Den finde ich auch gar nicht so sperrig, der gefiel mir gleich beim zweiten Anhören sehr gut. Ich bin jedenfalls gespannt, was die Scheibe in Zukunft noch offenbaren wird.

  4. Also wenn ich de musikalischen Aspekt des Albums bewerten sollte, finde ich die 10 von 10 durchaus gerechtfertigt. Ich finde es jedoch ziemlich schade, dass die Produktion komplett außer Acht gelassen wurde. Denn diese wurde erneut von Charlie Bauerfeind in den Sand gesetzt. Es klingt für mich alles zu undifferenziert. Die Chöre sind oft zu laut, die Gitarren zu leise. Produktionstechnisch ist das Album eine glatte 6-. Jedoch überrascht mich das nicht. Hat er doch schon in den vergangenen Jahren gezeigt, dass er zu den schlechtesten Produzenten Deutschlands gehört.

    1. Sehe ich genauso, die Produktion ist völlig „muffig“ und gerade im Bassbereich matscht es extrem.
      Ich kann die Platte eigentlich nur mit einem Kopfhörer anhören, welcher im Bassbereich nicht Vollgas gibt.
      Auf meiner Canton-Anlage ist es nur genießbar, wenn ich den Subwoofer quasi komplett raus drehe. Sehr schade…

      Musikalisch gesehen hätte die Platte es nämlich verdient, mit einer tollen Produktion ausgestattet zu werden. Es ist mir unerklärlich, wie bei einem solch großen Budget eine solch undifferenzierte Produktion raus kommen kann.

  5. Hm. Mal ganz offen: Alles nach „Nightfall in Midle-Earth“ hat mir entschieden nicht gefallen. Aber bei der Bewertung muss ich fragen: Sollte ich da mal reinhören? Liebstes Album der Band ist „Imaginations from the other side“.

  6. Japp, mein Gedanke beim ersten oder zweiten Duchgang war auch: „Okay, Queen und Tales of the twilight world auf dem selben Album.“

    Ist nicht mit dem letzten Album vergleichbar. Deutlich komplexer und epischer, dafür fehlt aber ein klein wenig die Wucht, die z.B. ein Voice in the Dark transportierte. Da hätte ich mir ein klein wenig mehr Ohrwurmtauglichkeit gewünscht.

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