Review Blind Guardian – Live

Blind Guardian. Alleine dieser Name reicht, um einen beachtlichen Teil der deutschen Metalszene in helle Aufruhr zu versetzen. Erfreulicherweise beweist die nun vorliegende Doppel-CD, dass sich die Popularität der Krefelder Barden weit über die deutschen Grenzen und um den gesamten Globus erstreckt. Diesmal musste es zur Zufriedenstellung der Fanscharen jedoch nicht einmal ein richtiges Studioalbum sein, denn mit „LIVE“ haben die Wächter – man mag es vermuten – ihr zweites Livealbum nach den „Tokyo Tales“ eingespielt.

CD I

Mit einer vollen Packung „Nightfall in Middle-Earth“ startet CD 1. Selbst das Intro „War of Wrath“ wird von den Fans frenetisch bejubelt und mitgesprochen, bevor es mit „Into the Storm“ direkt auf die 12 gibt. Ich vermag eigentlich weder zu den Songs an sich noch zur Präsentation etwas besonderes zu sagen – es gibt einfach kaum noch Dinge die man verbessern könnte. Der Oldie „Welcome to Dying“ wird von einem Song gefolgt, der für mich besondere Bedeutung hat: „Nightfall“. Dieses Stück und das dazugehörige Album brachten mich zu meiner heutigen Lieblingskapelle, und auch auf der Bühne kommt es absolut überzeugend, bombastisch und energiestrotzend rüber. Lediglich nach dem „..I swear Revenge“-Part versagt Stimmwunder Hansi Kürsch minimal, was durch das göttliche Gitarrensolo allerdings schon wieder in Vergessenheit gerät.Das Tempo wird noch einmal mit dem fünften Track gesteigert, die Rede ist fom „Imaginations from the other Side“-Kracher „The Script for my Requiem“. Ich liebe diesen Anfang einfach, diese bedrohliche Atmosphäre, das geniale Schlagzeug, grandios. Was die Fähigkeit der Götter betrifft kann man einfach nicht mehr viel sagen – sowohl Kürsch als auch seine Mitstreiter spielen sich den Arsch ab, und das Ergebnis kann sich mehr als nur hören lassen.
Die erste Verschnaufpause in der heimischen Konzerthalle gibt es dann in Form von „Harvest of Sorrow“ aus der „A Night at the Opera“-Zeit, sprich ein sehr aktuelles Stück. Ich persönlich habe das Gefühl, dass es von vielen Leuten unterschätzt wird – meiner bescheidenen Meinung nach ist das eine Ballade, die dem „Bard’s Song“ auf jeden Fall das Wasser reichen kann, und zwar eimerweise. Auch live ein Genuss – gediegenes Schlagzeug, schöne Akkustik-Gitarren, auch der Folklore-Part am Ende erfährt eine akzeptable Live-Umsetzung. Mit „ANatO“-Material geht es weiter, „The Soulforged“. Dieser kommt zu meiner Überraschung fast besser rüber als auf Platte, das Schlagzeug ist zu Beginn unglaublich stark und dominierend, es wird einfach Dampf gemacht, hier geht die Post ab! Was Hanis Kürsch dann z.B. bei der Zeile „I will never change my Mind“ und folgender fabriziert ist einfach der Hammer – viele Sänger wären froh, wenn sie sich im Studio und nach endlosem Abmischen halb so gut anhören würden wie der kreative Kopf der Krefelder.
„Valhalla“ schreit es aus den Boxen, und der wohl bekannteste Song aus der Anfangszeit der Wächter folgt. Ich für meinen Teil bevorzuge den neueren Stil zwar eher, doch auch dieses Stück weiß live zu überzeugen. Beeindruckend ist das Publikum am Ende, das nach einem verlängerten, scheinbar improvisierten End-Part des Songs lauthals nach einem weiteren Oldie, „Majesty“ verlangt. Blind Guardian lässt einen nicht hängen – Hansi kündigt an, dass zwar was anderes auf der Setlist steht, aber wenn die Fans es wollen, bekommen sie es!
Darauf folgt dann wieder ein etwas langsameres Werk, „Mordred’s Song“ von der „Imaginations…“. Die Gitarren klingen hier eindeutig etwas härter als man es von der Studioversion kennt, das macht die Präsentation allerdings nicht schlechter. Das Solo hört sich an wie vom Band – dass man aber weiß dass es aus der Hand von Mr. Olbrich himself kommt, hier und jetzt, zeugt von dessen unglaublicher Begabung an seinem Sechssaiter. Beim Mittneunziger-Output bliebt man dann auch und wählt als Rausschmeißer das tierisch rockende und größtenteils in tödlichst präzisem Up-Tempo vorgetragene „Born in a Mourning Hall“. Mit obligatorischem Jubel der Massen verabschieden sich die Meister in die Halbzeit.

CD II

Die Nacht in der Oper wird wieder aufgenommen, „Guardian“-Chants erfüllen die Halle, dann ertönt die markante Gitarre von „Under the Ice“. Ungläubige meinten ja zum Release von „A Night at the Opera“, dass dieser bombastische Sound, die dicke Produktion auf der Bühne nicht rüberkommen könnte – der Gegenbeweis liegt vor.Das auch eher langsam gehaltene „Bright Eyes“ (von der „Imaginations…“) steht als nächstes auf der Setlist. Anfangs sind die Background-Vocals etwas zu stark ausgefallen, noch viel stärker ist kurz darauf jedoch Kürsch’s Demonstration der Macht – wow. Mit dem nächsten „…Opera“-Fetzer geht es weiter, das komplexe „Punishment Divine“ rockt wie schon „Under the Ice“ die vielen Zweifel weg. Einer meiner Lieblings-Songs auf dem „ANatO“-Album, der eine gebührende Umsetzung erfährt. Was als nächstes folgt stellt wohl den unbestrittenen Höhepunkt einer jeden Blind Guardian-Performance dar – „The Bard’s Song (In the Forest)“. Zu dem Song an sich muss man wohl nicht mehr viel sagen, es ist einfach unglaublich beeindruckend, wie die gesamte Halle jede Zeile des Hits mitschmettert bzw. ganz alleine darbietet.
Minuntenlanger Jubel nach diesem „Magic Moment“ sind die einzig logische Konsequenz für dieses Spektakel. Wäre es mir nicht allgemein ein wenig metallisch-primitiv-klischeebehaftet, würden hier auf jeden Fall Floskeln wie „Hail to Blind Guardian“ hingehören.
„Imaginations from the other Side“ folgt. Das selbe Procedere eigentlich – der Song an sich ist groß, die Live-Umsetzung ist groß, der Refrain besticht durch Hansi, eine wunderbare Gitarre und das lauthals mitsingende Publikum. Oldie-Alarm dann bei Track 6, „Lost in the Twilight Hall“. Dieser war auch schon auf „Tokyo Tales“ zu hören (genau wie „Welcome to Dying“, „Valhalla“, „Majesty“ und das noch folgendes „Journey through the Dark“ übrigens). Beim Japano-Livewerk erschienen mir die Fans allerdings etwas engagierter, muss ich sagen. Die Leistung der fidelen Musikanten schmälert das natürlich nicht. Mit der langsamen und wunderbar entspannten Königssage „A Past and Future Secret“ geht es weiter. Die Fans klatschen mit, nutzen den Song aber wohl als Ruhepause, denn das Programm ist ja noch nicht vorbei! Mit „Time stands still (at the Iron Hill)“ geht es nämlich sehr metallisch weiter, das Schlagzeug drängt sich durch seine kurzen Double Bass-Einschübe in den Vordergrund, ohne dort irgendwie störend zu wirken.
Nachdem man mit „Journey through the Dark“ einen weiteren Song aus früheren Tagen spielt, geht es mit der Hommage an J.R.R. Tolkien in Form von „Lord of the Rings“ weiter. Dies scheint endlich wieder eines der Stücke zu sein, dass die Fans für mitsing-würdig halten, der Song selbst ist dafür auch geradezu prädestiniert und einfach gute Musik. Song 11 ist leider schon wieder der Rausschmeißer – natürlich muss „Mirror Mirror“ aus „Nightfall in Middle-Earth“ noch gezockt werden, damit die Leute zufrieden nach Hause gehen können. Das Lied sorgt wie zu erwarten war natürlich mächtig für Stimmung und endet schlussendlich mit tosendem Applaus und „Guardian“-Chants, die die grenzenlose Bewunderung und Anerkennung für die Barden ausdrückt.

Fazit: Was will man groß sagen? Die Songs sind 1a, die Umsetzung ebenbürtig, die Fans großartig – so muss ein Livealbum aussehen. Wollte ich wirklich an etwas rummäkeln, gäbe es da trotzdem ein paar Kleinigkeiten: Da die Scheibe aus den besten Songs der 2002er-Tour besteht, die unsere Krefelder um den ganzen Globus geführt hat, sind die Ansagen mal auf deutsch, mal englisch und mal gibt es einige spanische Wortfetzen zu hören. So wird der Eindruck selbst bei einem Konzert dabei zu sein minimal geschmälert, eine vernünftige Alternative zu diesem Verfahren gab es aber wohl auch nicht. Ein weiterer Punkt wären dann irgendwie die Songs…das ganze sehe ich persönlich so, der nächste mag es schon ganz anders auffassen, doch mir fehlen einfach Songs wie „And then there was Silence“, „Battlefield“, „Somewhere far beyond“, „Another holy War“ oder „…and the Story ends“. Gerade dass die beiden letzten fehlen ärgert mich etwas, da von 9 „Imaginations…“-Songs 6 gespielt werden, zwei meiner Lieblinge gehören aber eben nicht dazu. Um es jedem recht zu machen, müsste man das ganze aber wahrscheinlich auf vier oder fünf CDs erhöhen, das bleibt erst mal Utopie – allerdings wird man die Songs mit Sicherheit auf der noch ausstehenden DVD bewundern können. Ein wenig schade finde ich auch den Namen des ganzen: „LIVE“ strotzt nicht gerade vor Innovation, dabei befindet sich direkt auf dem Cover ein Titel, den ich für besser gehalten hätte: „The Bard’s Tavern“.
Das alles sind jedoch nur absolute Kleinigkeiten, die den fabelhaften Eindruck bei aller Mühe nicht trüben können. Extra-Pluspunkte gibt es zudem noch für das wunderschöne Cover aus dem Stift von Andreas Marschall.

Keine Wertung

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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