Review Eisregen – Marschmusik

Im Jahr 1995 wurde in Tambach-Dietharz, Thüringen, eine Band aus der Taufe gehoben, die seitdem weit über die Grenzen der Metal-Szene hinaus zu polarisieren weiß wie kaum eine andere. Die Rede ist natürlich von EISREGEN. Mit „Marschmusik“ legt die Band nun, unbeirrt von allen Diskussionen über musikalische Qualität und textliches Niveau ihr nunmehr elftes Studioalbum vor.

Wie kaum einer anderen deutschsprachigen Metal-Band – von Rammstein einmal abgesehen – ist es dem Trio seitdem gelungen, einen unverkennbaren Stil zu etablieren: Einfache, aber griffige Riffs und der unverkennbare Gesang von Michael „Blutkehle“ Roth sind die Zutaten, mit denen EISREGEN kochen – simpel, bodenständig und doch schmackhaft. Gute Hausmannskost eben. Der Appetit vergeht einem dabei dennoch, degradiert Roths Lyrik selbst den makabersten Rammstein-Text traditionell zu einem Kindergedicht. Diesem Prinzip bleiben EISREGEN wenig überraschenderweise auch auf ihrem elften Studioalbum treu – und doch ist auch auf diesem Album eine Entwicklung festzustellen.

Passend zum Albumtitel und zur vorherrschenden Kriegsthematik eröffnet eine Sirene begleitet von einem militärisch-martialischen Riff den Reigen. Bereits der Opener klingt dann auch härter und schwarzmetallener als alles, was man von EISREGEN in den letzten Jahren zu hören bekommen hat. Doch alles andere als stumpf: Während der Text für EISREGEN-Verhältnisse überraschend unplakativ ausfällt, wartet der Song mit einigen Details auf, die ihn musikalisch spannend halten. Gleiches gilt für das folgende „Blutkreis“, das als Midtempo-Nummer vor allem durch eine gelungene Gitarrenmelodie und Roths überaus vielseitigen Gesang, der von bösartigem Fauchen bis hin zu eingängigem Klargesang reicht, überzeugt. Nach dem wieder deutlich härteren „Bunkertür“ folgt mit „Leichensack“ der erste streicherbegleitete Song – mehr als die etwas billig klingenden Streicher weiß hier jedoch der fast schon epische Gesang im Metal-Part zu gefallen.

Damit scheinen EISREGEN allerdings einen Großteil ihres Pulvers verschossen zu haben – im weiteren Verlauf nimmt die Qualität des Materials merklich ab: Zwischen einer ganzen Reihe eher belangloser Nummern sticht höchstens noch „Fleischbrand“ heraus, das mit seiner Geigen-Schunkel-Melodie und dem stumpfem Text zwar ebensogut von einer Mittelalter-Rockband stammen könnte, als Ohrwurm auf „Marschmusik“ jedoch ungeschlagen bleibt. Nach dem sehr EISREGEN-typischen „Mein Leben auf deiner Haut“ und der verglichen damit ziemlich stumpfen Knüppel-Nummer „Foltergeist“ geht die Schlacht dann ganz verloren: Weder der Disco-Synthie in „Was von dir bleibt“ noch die textlich wie musiklisch absolut verzichtbare Single-Auskopplung „Panzerschokolade“ können das Niveau, auf dem „Marschmusik“ begann, noch aufrecht erhalten.

EISREGEN legen mit „Marschmusik“ ein Album vor, das die Ambivalenz dieser Band mal wieder auf den Punkt bringt: Zwar wartet das Werk mit einigen wirklich starken, sowie einer Reihe durchschnittlich guter EISREGEN-Nummern auf, allerdings bleibt man auch vor Totalausfällen nicht verschont. Vor allem aber leidet die CD unter dem Spagat zwischen Witz und Ernst – sowohl textlich als auch musikalisch passen die entsprechenden Songs schlichtweg nicht richtig zusammen. Martialische Kriegsästhetik trifft ungebremst auf EISREGEN-Humor („Panzerschokolade“). Die eigentliche EISREGEN-Paradedisziplin hingegen – pervers-brutale, ernste Texte mit sprachlichem Witz – kommt diesmal leider zu kurz. Live mag diese Kombination aus Alberei und Perversion funktionieren – der Albumatmosphäre hätte einmal mehr eine klare Linie gutgetan.

Wertung: 7 / 10

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