Review Empyrium – The Turn Of The Tides

EMPYRIUM und ihre Diskographie, das schien eine runde Sache: Eine Demo, vier Alben und ein Best-Of. Letzteres, „A Retrospective“, konnte man nicht nur als CD, sondern auch als Teil eines Boxsets erwerben, in dem alle Releases der Band vertreten waren. EMPYRIUM hatten damit klargemacht: Es ist alles gesagt. So dachte man zumindest bis 2010, als mit „The Days Before The Fall“ ein erstes Lebenszeichen des Duos erschien und in der Folge schnell klar wurde, dass die gemeinsamen Arbeiten auf ein neues Album hinauslaufen würden.
2010 ließ man die neue stilistische Ausrichtung noch weitgehend im Dunkeln. Der – frei nach Wordsworth – emotionale Überschwang, die vielleicht einzige Konstante im wandlungsfähigen Schaffen der Band, war auf eine neue Ebene gehoben worden: EMPYRIUM hatten ihren Ausdruck beibehalten und sich zugleich musikalisch klar von ihrer Vergangenheit abgegrenzt – Naturromantik wurde nun nicht mehr mit dichten Geweben aus Akustikgitarren und klassischen Instrumenten inszeniert, sondern mit Elementen, die an erhabenen Post Metal erinnerten und ihre jugendliche Verspieltheit abgelegt hatten. Über „The Turn Of The Tides“ sagte all dies noch wenig aus.

Und obwohl sich „The Days Before The Fall“ einwandfrei in den Lauf des Albums einfügt, ist das 2014er Album für EMPYRIUM mehr als das Erwachsenwerden nach der Sturm-und-Drang-Zeit. Denn nicht nur lyrisch agieren Helm und Schwadorf längst nicht mehr so konkret und erzählerisch wie einst (diesmal geht es, eher abstrakt, um Zyklen in der Natur wie im Leben des Menschen), auch musikalisch entfernt man sich von den Kleinoden von einst und bedient sich größerer Gesten. Obwohl man dabei nicht weniger minimalistisch agiert als auf früheren Alben, ist der Horizont doch ein anderer: Nicht mehr die Fahrt einer Kutsche durchs neblige Ödland („Heimwärts“) oder das Verirren im nächtlichen Wald („Waldpoesie“), nicht mehr also einzelne, in sich geschlossene Geschichten werden musikalisch perfekt inszeniert, es geht diesmal um meditativere, entrücktere Dimensionen. Das schlägt sich auch in den Songstrukturen nieder: Zumeist getragene Motive werden häufig nur geringfügig variiert, auch Textzeilen ausgiebig wiederholt. Die musikalischen Panoramen, die Helm und Schwadorf hierbei erzeugen, fesseln in Songs wie „Dead Winter Ways“ und dem bereits genannten „The Days Before The Fall“ – zu anderen Gelegenheiten schlägt die zelebrierte Erhabenheit in Monotonie um. Man ist es von einer Band, die mit „Waldpoesie“ einen Song geschrieben hat, der immerhin 13 Minuten lang zu keiner Sekunde aus seinem atmosphärischen Griff lässt und trotz seiner klar getrennten Themen wie aus einem Guss klingt, nicht gewöhnt, aber manchmal wirkt die epische Breite, in der die Songs auf „The Turn Of The Tides“ entfaltet werden, eher bemüht. Die Liebe zum Detail, die sich wieder einmal in den verschiedenen Gesangsdarbietungen zwischen Tenorstimme, Screams und Sprechgesang niederschlägt, verpufft, wenn dem ausladenden, repetitiven Songwriting bisweilen ein Quäntchen an Reiz fehlt.

Am Ende erfüllt „The Turn Of The Tides“ zwar die Erwartungshaltung, die man an das Album haben konnte: EMPYRIUM versuchen nicht, an ein musikalisches Konzept anzuknüpfen, zu dem alles gesagt war, stattdessen wurde etwas Eigenständiges, Neues geschaffen, das auch im Hinblick auf den Backkatalog seine Daseinsberechtigung hat. Unabhängig von der gewandelten Ausrichtung ist es aber nicht gelungen, die Intensität der Vorgänger-Releases zu erreichen. Der ureigene Charme, der EMPYRIUM zu einer legendären Band des Dark-Folk-Sektors machte und dem Prophecy-Slogan „Eerie emotional music“ seine Berechtigung verlieh, ist immer noch vorhanden, aber „The Turn Of The Tides“ verpasst es, ihn so konsequent zu entfalten wie etwa „Where At Night The Wood Grouse Plays“ oder „Weiland“. Ein Album, das mit der gebotenen musikalischen Offenheit angehört werden sollte und mit brillanten Momenten aufwartet, in seiner Gesamtheit aber nicht bedingungslos überzeugt.

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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