Review Faun – Eden

Vier Jahre sind vergangen, seit FAUN ihr letztes nicht-akustisches Studioalbum „Totem“ veröffentlicht haben. In der Zwischenzeit hat sich einiges bei den Münchnern getan: Nach mehreren Akustiktourneen und -auftritten zum zwischenzeitlich herausgebrachten „Buch der Balladen“ musste Sandra Elflein die Band schwangerschaftsbedingt verlassen. Sie wurde 2010 durch Margareta Eibl alias Rairda ersetzt, die seitdem live als zweite Harfenspielerin agiert und besonders gesanglich im Rahmen der Unplugged-Shows überzeugen konnte. Nun steht mit dem schlicht „Eden“ betitelten Werk also der „Totem“-Nachfolger in den Regalen. Seit 2008 schreiben die Faune nach eigener Aussage an den Stücken, von denen einige wie z.B. „Pearl“ und „Adam Lay Ybounden“ schon ihre Livepremiere feierten. Eile mit Weile also – und der Plan geht auf.

So handelt es sich beim Konzeptalbum „Eden“ um nichts anderes als das beste Faun-Album aller Zeiten. Der Garten Eden (besser bekannt als das Paradies) wird dabei musikalisch und stimmungstechnisch aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln eingefangen: Vom alten Rom („Lupercalia“) über eine germanische Göttin („Iduna“) bis nach Avalon („Ynis Avallach“) erstreckt sich die Bandbreite, die Faun dieses Mal mehr in Richtung Estampie und Qntal führen. Zentrales Thema dabei: die goldenen Äpfel – ausgiebig thematisiert und zusammengefasst im Albumabschluss „Golden Apples“ mit famoser Unterstützung des Emmy-ausgezeichneten Sprechers Mark Lewis. Einzig und allein die Titel mancher Stücke, wie z.B. „Zeitgeist“, wirken im Konzeptkontext zunächst fragwürdig, wenngleich musikalisch passend.
Den Höhepunkt erreichen die durchweg eingängigen Kompositionen beim Ohrwurm „Adam Lay Ybounden“: Ausnahmsweise werden in dieser marokkanischen Dichtung des 15. Jahrhunderts nicht die heroische Eroberung des Paradieses, sondern der christliche Sündenfall und die Vertreibung aus dem Garten Eden thematisiert. Die Medieaval Babes haben sich diesem Stück bereits mit einer Chorversion angenommen, doch erst der faunsche Ohrwurm entlockt diesem traditionellen Liedgut sein volles Potential. Die britischen Babes dürften dies aber gnädigst verzeihen, durften sie doch durch einen starken Chorpart in „Lupercalia“ ebenfalls zum Gelingen von „Eden“ beitragen.

Obwohl die neueste Faun-VÖ ein ungemein eingängiges wie allgemeinkompatibles Album ist, so gibt es für Geschichtsfanatiker und Interessierte im höchst ansprechend gestalteten Deluxe-Pack ein 70-seitiges Booklet bzw. Artbook mit allen Songtexten in Deutsch, Englisch und den Originalsprachen (!). Außerdem schreibt Oliver Sa Tyr ausführlich und gleichzeitig unterhaltsam über die Herkunft und Hintergründe der 14 „Eden“-Songs. An den Illustrationen wirkte u.a. Brian Fround mit, den die meisten wohl eher als Autor des Bestsellers „Faeries“ kennen dürften.

Am Faunschen Instrumentarium hat sich indes wenig geändert: Noch immer mischen sich skandinavische Nyckelharpa-Klänge mit moderner Elektronik und internationalen Percussion-Variationen. Allerdings wirkt die Kombination aus diesen teils konträren Elementen so eingängig und stimmig wie nie, wobei die künstlichen Klänge von Niel Mitra mehr denn je in den Hintergrund rücken und somit die natürlichen Klangwelten des verbleibenden Instrumentariums besser zur Geltung kommen.Niemand muss sich mit den Texten und Hintergründen beschäftigen, um die Musik genießen zu können oder Zugang zu finden. Mit „Eden“ ist es Faun somit gelungen, eine der zentralen Herausforderungen im Folkgenre spielerisch zu meistern. Das historische Material wurde liebevoll in die Moderne übertragen, ohne seinen Charme zu verlieren oder antik zu wirken. So fallen auch kleine Besonderheiten wie z.B. Adam Hurst am Cello bei „Alba“ zwar auf, wirken aber nie erzwungen oder künstlich herbeigeführt, sondern fügen sich im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch ein. Lediglich manche Stücke hätten ein paar Minuten weniger vertragen können, so wie es Faun bei früheren, weniger balladesken Werken wie „Zaubersprüche“ gelungen ist.

Nichtsdestotrotz dürften Faun mit „Eden“ ihren bisherigen künstlerischen Klimax erreicht haben. Vom ersten bis zum letzten Track ist der Silberling ein qualitativ hochwertig produzierter Genuss, der weniger in der Tradition des klassischen Pagan Folk steht, sondern die Süddeutschen von einer neuen, frischen Seite zeigt, die sich an das „Buch der Balladen“ anlehnt. Von dieser Qualität darf es gern vor 2015 mehr zu hören geben.

Wertung: 8.5 / 10

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