Review Faun – Luna

Kaum dass FAUN ihr letztes Studioalbum „Von den Elben“ veröffentlicht hatten, flog es ihnen auch schon wieder um die Ohren. Es hagelte Kritik von Fans und Mittelalter-Liebhabern, und der unterschriebene Vertrag beim Label-Riesen Universal wirkte wie der Pakt mit dem Teufel, der nach oben puscht, aber von Identität und Integrität dabei nichts zurücklässt. So landete das vom Label glattgebügelte und auf Populärmusik getrimmte Album durch geschickte Vermarktung ganz oben in den Alben-Charts – direkt neben Unheilig und Co., die den gleichen Weg eingeschlagen hatten.
Doch wie geht es weiter?
Während man sich innerlich schon darauf eingestellt hatte, die Band ihre (durchaus verdienten) Wege zum Ruhm gehen zu lassen und einfach die älteren Produktionen wie „Renaissance“ oder „Licht“ wieder aus dem Schrank zu holen, versprach Sänger und Kopf der Band Oliver S. Tyr unverhofft eine Rückkehr zu den Wurzeln, einschließlich wieder vollständig selbst komponierter Songs.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer?

Zuerst fällt das Augenmerk natürlich auf die tiefblauen Cover beider Editionen. Schon der erste Grund zur Freude – kein gestelltes Bandfoto, keine kitschigen Ranken. Besonders die Deluxe Edition sticht ins Auge mit ihren silbern geprägten, filigranen Formen, die bei genauerer Betrachtung verschiedenste, auf den Inhalt des Konzeptalbums verweisende Symbole bilden: Alles dreht sich um den geheimnisvollen Mond, um Weiblichkeit, Intuition und Gefühl. Passend dazu heißt das Album schlicht „Luna“ – ganz offensichtlich haben sich die FAUNe Gedanken gemacht wie sie das Konzept hinter ihrem Album ohne optischen Vorschlaghammer aufbereiten. Mit seinem ausführlichen 40-seitigen Booklet und ansprechender Gestaltung erinnert das Album direkt an den Bandmeilenstein „Eden“ von 2011 und erfreut das Sammlerherz.

Die Vorzeichen stehen also äußerst gut, in „Luna“ wieder FAUN zu finden. Dieser wird durch den ersten Track „Luna Prolog“ direkt unterstrichen. Unterschwellig schieben sich instrumentale Klänge und eine geheimnisvolle Frauenstimme in eine nächtliche Geräuschkulisse. Sofort fühlt man sich an den Ort versetzt, den das Cover mit der Mondgöttin im See andeutet.
Doch natürlich muss es irgendwo einen Haken geben. Dass direkt der zweite Song „Walpurgisnacht“ einen der Tiefpunkte des Albums bildet kommt sicher nicht von ungefähr, ist er doch die (vom Label bestimmte?) Single-Auskopplung, die sicherlich für die Populär-Vermarktung herhalten muss. Das Lied fängt ganz nett an, mit treibenden Trommeln und Melodien, und auch im Instrumentalteil gegen Ende kann die Komposition glänzen. Doch was genau dieser Refrain soll, der mehr an indianische Stammgesänge erinnert als an tatsächliches Walpurgisnacht-Treiben, bleibt ein Rätsel. Deutlich besser wird es mit „Buntes Volk“, das zwar durch wummernde Bässe immer noch an „Von den Elben“-Schunkelfolk erinnert, das aber vor allem durch geschickte Instrumentierung und die raue Stimme von IN EXTREMO Sänger Micha Rhein wild und frei genug klingt, um vom Prädikat „glattgebügelt“ noch weit genug entfernt zu sein.
Ein Höhepunkt auf „Luna“ ist „Hekate“: Wie auch der Vorgänger-Song „Minuett“ ist „Hekate“ im Walzertakt geschrieben, entfaltet aber mit seiner eher auf Zupf- und Schlaginstrumente fokussierten Instrumentierung und der einzigartigen Stimme von Oliver S. Tyr eine völlig andere Wirkung. Und im Gegensatz zu „Walpurgisnacht“ weiß auch der Chorgesang im Refrain zu überzeugen – sehnsuchtsvoller haben FAUN lange nicht geklungen.
Meine persönliche Überraschung des Albums ist aber „Blaue Stunde“. Zwar auch mit treibenden, wummernden Bässen ausgestattet und mit Sicherheit poppiger als der Großteil des Albums, entfaltet er dennoch eine mystische, träumerische Stimmung. Drehleier-Spieler Stephan Groth singt den Refrain so charakterstark, dass man die einprägsame Melodie einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen will.

„Cuncti Simus“ ist der einzige Song auf „Luna“, der nicht in deutscher Sprache gesungen ist, einen Bonustrack auf der Deluxe Edition nicht mit einberechnet. Und damit leider die einzige Möglichkeit, die nicht-deutschsprachige Sängerin Sonja Drakulich bei diesem Album unterzubringen. Sonja unterstützt FAUN seit einigen Jahren auf ihren Akustik-Touren und kann live immer wieder mit ihrer einzigartigen Stimmfarbe überzeugen. Dementsprechend sticht das Lied gleich mehrfach heraus und weiß zu überzeugen.
An der wie aufgezwungen wirkenden Modernisierung kranken leider besonders „Hörst du die Trommeln“ sowie „Die wilde Jagd“, das wie ein gutes Marktlied klingt, aber durch Bässe aufgepeppt unnötigerweise und vor allem unpassenderweise nur so durchs Zimmer wummert. Gleiches bei „Frau Erde“, das mit nur wenigen Instrumenten und engelhaftem Gesang träumerisch daherkommt, und trotzdem irgendwie nicht überzeugen kann. Die Verbindung aus mystisch-sehnsuchtsvoll und poppig-modern will einfach nicht immer zusammenpassen. Manchmal wäre hier weniger mehr.
Wo sie durchaus wieder funktionieren kann zeigt „Hymne der Nacht“, bei der wieder auf Dreivierteltakt, einen lyrischen Text und Olivers besondere Stimmfarbe gesetzt wird. Eine Kombination, die ihre Wirkung nicht verfehlt.
Grenzenlos langweilig und kitschig weichgespült kommt aber trotzdem nicht zu kurz, wie „Abschied“ beweist, das die Tracklist der normalen Edition abschließt. Falls FAUN den Zuhörer langsam in den Schlaf schaukeln wollten, was bei der Thematik ja nicht mal so fern liegen könnte, dann haben sie das richtige Stück dafür geschrieben. Als Schlaflied sicherlich gut geeignet, wenn auch wieder ein Stück zu pompös, um sein zu können was es sein soll.
Als Bonustracks finden sich auf der Deluxe-Edition eine Neuaufnahme von „Wind und Geige“, das leider seinem Original nicht das Wasser reichen kann, sowie „Die Lieder werden bleiben“, das doch stark an die Schunkelei aus „Von den Elben“ erinnert. Das emotional gesungene „Era Escuro“ dagegen wäre zusammen mit der überzeugenden Optik der Kaufgrund für die Deluxe-Edition.

„Luna“ ist definitiv wieder ein Schritt in die richtige Richtung. FAUN sind glücklicherweise wieder weg vom Santiano-Schaukel-Folk und besinnen sich mit ihrem Konzeptalbum tatsächlich wie versprochen wieder auf ihre Wurzeln. Positiv zu nennen ist die Atmosphäre, die das Album aufbaut und zu halten weiß, sowie die gewählten Gastsänger und die mit ihnen entstandenen Lieder. Dankenswerterweise verzichten FAUN auch darauf, bekannte andere Stücke zu covern, und setzen auf eigene Kompositionen – hier konnten sie sich wohl erfolgreich durchsetzen. Von ihren alten Produktionen sind FAUN aber leider immer noch ein gutes Stück entfernt. So beweisen sie zwar immer noch ein großes Talent für Instrumentalpassagen und Melodieführung, doch das Label-Korsett ist weiterhin deutlich spürbar. Es fehlen die anderssprachigen Stücke in der Tracklist, die die Bandgeschichte deutlich geprägt haben, und vielleicht auch die künstlerische Freiheit und der Mut zum Ausbruch. Sängerin Katja, die seit „Von den Elben“ dabei ist, hat für die Thematik des Albums zudem eine zu glasklare Stimme, die für die romantische Elben-Thematik noch wunderbar geeignet war, der aber für Dunkel-Geheimnisvolles die Ecken und Kanten fehlen. Hier hätte man Sonja Drakulich mehr Platz einräumen können, deren Stimmfarbe wie für das Thema gemacht zu sein scheint.
Dass FAUN hier stark versuchen, einen für alle Parteien zufriedenstellenden Mittelweg aus dem, was sie spielen wollen, und dem, was die deutsche Mehrheit hören will, zu finden, ist deutlich hörbar. Bei vielen Stücken auf „Luna“ hat die Kompromisslösung ganz wunderbar funktioniert, an anderer Stelle ist das entstandene Stück mehr ein Zwitterwesen als eine Einheit. Zurückgestutzt auf ihre Essenz könnten aber auch diese Lieder im Akustik-Set punkten. Der eingeschlagene Pfad ist der richtige. Wo der hinführen wird, ist nun auch für alte Fans wieder einen Blick wert.

https://www.youtube.com/watch?v=eRzbWPJHFqY;feature=player_embedded

Wertung: 6.5 / 10

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5 Kommentare zu “Faun – Luna

  1. Mir hat ‚Von den Elben‘ gut gefallen. Zugegeben: Der Santiano Gesang war in der Tat ein wenig zu seicht. Aber das furchtbare Gedudel, dass Faun vorher produziert hat war nur schwer auszuhalten. Die allzu intellektuellen Fans, welche von solchem von Gras beinflusstem Bullshitmusikstil total bedröhnt sind haben wir schon von langer Zeit gesehen. Nichts Gutes ist davon rausgekommen. Ich begrüsse, dass Faun hier endlich eine frischere Richtung einschlägt. Ob jetzt diese neue Produktion wirklich gescheit ist wird sich zeigen. Ihr solltet mal aufhören dem alten, wirklich schlechten Stil hinterher zu weinen. Der alte Stil von Faun war ganz einfach schlecht und total verfahren. Mal schauen was sie sonst noch so produzieren in Zukunft.

  2. Zugegeben, ich bin einer der wenigen, dem auch „Von den Elben“ als solches gefällt. Hat zwar wenig mit Faun zu tun, ist aber als gesondertes Stück rundum angenehm und wird von mir gerne gelegentlich gehört.
    Das aktuelle Werk klingt tatsächlich wieder mehr nach Faun, wobei ich selbst glaube, dass Faun mit EDEN ihr Meisterwerk geschaffen hat :-)

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