Review Frequency Drift – Over

„Over“ heißt das fünfte Werk der deutschen Artrocker FREQUENCY DRIFT – und tatsächlich ist der Titel in gewisser Weise Programm: Denn Sängerin Antje Auer ist nach zwei Alben nicht mehr länger dabei; ersetzt wird sie von Isa Fallenbacher und der Jazz-trainierten Agathe Labus. Somit kommen die Bayreuther nach fünf Platten auf eine stolze Zahl von sieben Sängerinnen. Bei einer solch starken Fluktuation hinter dem Mikrofon kommt unweigerlich die Frage auf, ob der ständige Wechsel nicht vielleicht sogar Teil des Bandkonzepts ist.

Glücklicherweise ist die Musik von FREQUENCY DRIFT aber eigenständig und stark genug, um diese personellen Schwankungen zu tragen. Auch auf „Over“ zelebriert die Gruppe wieder ihre ganz eigene Klangwelt, in der folkloristische und mittelalterliche Elemente eine Liaison mit symphonisch-sphärischem Progressive Rock und Filmmusik eingehen. Neben dem elfengleichen Gesang sorgen dabei vor allem allerlei Prog-untypische Instrumente wie Harfe, Duclar, Marimba oder Gemshorn für Wiederkennungswert.

Stilistisch fusioniert „Over“ zwei scheinbar völlig gegensätzliche Welten: Die urbanen und kühlen Klänge der ersten beiden Alben – „Personal Effects I & II“ – treffen auf die organischeren und wärmeren Stimmungen der letzten Platten „Ghosts“ und „…laid to rest“. Die akustische Seite behält dabei die Oberhand. Wie auf allen Scheiben der Band leben auch die neuen Tracks von der überaus dichten, mystisch-melancholischen Atmosphäre. Erfreulich ist, dass FREQUENCY DRIFT bei der Produktion noch einmal einen deutlichen Sprung nach vorn gemacht haben: Schlagzeug und Gitarren klingen endlich deutlich dynamischer und räumlicher. Verantwortlich dafür zeichnet sich Yogi Lang, Sänger der deutschen Artrocker RPWL.

Mit 75 Minuten ist das Album das bisher längste von FREQUENCY DRIFT. Nach dem sehr Longtrack-lastigen Vorgänger gibt es auf „Over“ erstmals in der Geschichte der Band zahlreiche kürzere Nummern mit drei bis fünf Minuten Spielzeit, sodass anno 2014 weniger Raum für längere Instrumentalpassagen bleibt. Da die Songs aber durchweg äußerst geschmackvoll arrangiert und instrumentiert sind, fällt das kaum ins Gewicht. Dennoch wünscht sich der Progrock-Fan in mir hin und wieder etwas mehr von der Dynamik und Spielfreude, die in den beiden ausladend angelegten Tracks „Suspended“ und „Memory“ aufblitzen.

Auch ein wenig mehr Härte würde den Songs auf „Over“ hier und dort gut zu Gesicht stehen und für mehr Kurzweil und Abwechslung sorgen. Sie wäre ein schöner Gegenpol zum größtenteils kristallklaren, sehr hohen und mir persönlich auf Dauer einen Tick zu süßlichen Gesang von Isa Fallenbacher. Technisch allerdings ist sie – genauso wie ihre Kollegin Agathe Labus – über jeden Zweifel erhaben.

Alles in allem machen FREQUENCY DRIFT mit „Over“ insbesondere produktionstechnisch einen großen, wichtigen Schritt nach vorn. Kompositorisch und atmosphärisch hält die Band spielerisch das hohe Niveau der Vorgänger. „Over“ ist entspannter, liebevoll instrumentierter Artrock zum Genießen. Wirklich schön!

Anspieltipps: „Run“, „Sagittarius A*“, „Suspended“

Wertung: 8.5 / 10

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