Review Frost* – Experiments In Mass Appeal

FROST* haben nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Milliontown“ in einem halben Jahr all das durchgemacht, wofür die meisten Gruppen viele Jahre brauchen. Die Platte heimste begeisterte Kritiken ein, sie tourten zusammen mit Spock’s Beard, spielten Soloshows und lösten sich schließlich kurze Zeit später wieder auf. Geld und vor allem Zeitmangel gab Bandchef Jem Godfrey, der im normalen Leben sein Brot damit verdient, Charthits für Atomic Kitten oder Roman Keating zu schreiben und zu produzieren, als Begründung an.

Nur vier Monate später dann ein neues Lebenszeichen: Es gebe bald neues Material von FROST*, allerdings nur drei Songs und Remixe von „Milliontown“, und auch nur als kostenpflichtigen Download. Kürzen wir ab: Viele Blogeinträge später kristallisierte sich heraus: Es gibt ein neues Album, das auch in die Läden kommt; und jetzt ist es da: „Experiments In Mass Appeal“.

Ein Unterschied zum Erstling: Jem Godfrey hat den Platz hinter dem Mikro freigemacht. Declan Burke heißt der neue Sänger der Combo. Mit dieser Entscheidung hat der Mastermind darauf reagiert, dass viele Kritiker seinen Gesang auf dem Vorgänger zu dünn und ausdruckslos empfanden. Das stimmt zwar durchaus, allerdings passte Jems Stimme hervorragend zu dem sehr synthetischen und sterilen Sound von „Milliontown“. Declan Burke macht seine Aufgabe dann auch mehr als ordentlich und singt etwas höher und emotionaler als Jem. Einen wirklich merklichen Sprung nach vorn macht die Musik von FROST* dadurch aber nicht.

Allerdings grenzen sich die neun Tracks von „Experiments In Mass Appeal“ deutlich vom Material des Vorgängers ab. Sie sind weniger progressiv, weniger komplex und weniger rasant. „Ich habe sämtliche Überschallsoli gespielt und es allen bewiesen, aber es war Zeit, weiter zu gehen“, sagt Jem Godfrey. Und was bedeutet das konkret? Die Musik ist nicht mehr so hyperaktiv, obwohl das übertriebene Laut-Leise-Spiel, was den Vorgänger beherrschte, immer noch da ist. Die Melodien sind nicht mehr ganz so euphorisch, sondern oftmals eher leise, bedächtig, gar balladesk. Auch unterwirft man sich nicht mehr dem Zwang, alle 30 Sekunden etwas komplett Neues einzuführen. Der Prog-Ferrari, von dem Godfrey auf „Milliontown“ noch sprach, ist also nicht noch weiter aufgetuned, sondern eher abgerustet worden. Dafür kommen andere Einflüsse hinzu: Das Indie-Schlagzeug in „Pocket Sun“ etwa, oder die technoiden Keyboards in „Dear Dead Days“. Der 15-minütige Longtrack „Wonderland“ ist sicher ganz absichtlich kein zweites „Milliontown“ und erreicht auch nicht dessen Qualität. Zudem ist der Track eher zweigeteilt, da zwischendurch eine Pause für Geräusche aus der Natur eingelegt wird, ehe es weitergeht. Was dann folgt, klingt eher wie ein Bonustrack. Einen echten Longtrack hat die Scheibe also nicht zu bieten. Dafür aber einige spannende kürzere Tracks, unter denen insbesondere das schlichtweg geniale und ohrwurmige „Falling Down“ (hier standen Muse Pate), sowie der Opener und Titeltrack „Experiments In Mass Appeal“ hervorstechen. Die schöne Ballade „Saline“ weiß ebenfalls zu überzeugen.

Insgesamt wirkte „Milliontown“ in seinem übertrieben progressiven Sound sogar natürlicher als der Zweitling. Viele der hier vorliegenden Songs klingen poppiger und gradliniger, die freakigen Instrumentalpassagen hat Godfrey nach eigenen Aussagen dazukomponiert: „Nachdem ich mich zu einem weiteren FROST*-Album entschieden hatte, musste ich einige Tracks mit Gitarren, Keyboardsoli und dazu passenden Arrangements erst auf FROST* eichen.“ Diese Tatsache geht auch am aufmerksamen Hörer nicht vorbei.

Diejenigen, die mit „Experiments In Mass Appeal“ zu FROST* stoßen, werden ein gutes, spannendes und abwechslungsreiches Album mit Spitzenproduktion und interessanten Kompositionen vorfinden. Ein modernes Stück Musik, dass fortschrittlich und eigenständig klingt und viele Einflüsse verarbeitet. Alle, die „Milliontown“ kennen und die Platte für ihren absolut übertriebenen Sound und die epischen Kompositionen lieben, werden allerdings einige Zeit brauchen, um sich an das songorientiertere und etwas gefälligere Material zu gewöhnen und den Bombast zunächst etwas vermissen. Wir sprechen hier aber immer noch von FROST*, die für gewöhnlich von allen Zutaten größere Portionen nehmen als üblich. In diesem Sinne: Guten Appetit!

Wertung: 8 / 10

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