Review Al Jourgensen – Akte Ministry

Keith Richards hat eine, Marilyn Manson auch und Lemmy sowieso: Die Autobiographie ist zur unausweichlichen Station im Leben eines echten Rockstars geworden – frei nach dem Motto „schreib ichs nicht selbst, schreibts jemand anderes“. Und da berichtet man über die Tiefpunkte und die Highlights eines jahrzehntelangen Studio- und Tourlebens doch lieber selbst. Doch egal, welche schmutzige Wäsche auch gewaschen wird – am Ende sonnt man sich Glanze siner Eskapaden, seines Wahn oder seines Glamours und hofft, damit sein Ansehen in der Öffentlichkeit (oder zumindest bei den eigenen Fans) etwas aufpolieren zu können.

Mit „Akte Ministry“ reiht sich nun auch Al Jourgensen, Frontmann der legendären MINISTRY und Mitbegründer des Industrial Metal, die Riege der Autobiographen ein. Und wie nicht anders zu erwarten, enthält auch „Akte Ministry“ viel Sex, noch mehr Drugs und auch ein bisschen Rock’n’Roll. Worin sich das Buch, das die Geschichte von Al und MINISTRY gleichermaßen gelungen chronlogisch aufbereitet, jedoch vom Großteil anderer Rockstar-Biographien unterscheidet, ist schnell ausgemacht: Mit einer Glorifizierung des Rockstar-Lebens im Allgemeinen wie auch der von Al durchlebten Version davon hat „Akte Ministry“ wenig bis gar nichts gemein.

Natürlich werden auch hier zahlreiche Anekdoten eingeflochten, von denen die eine oder andere gewiss in die Rubrik Rockstar-Latein fällt. Im Mittelpunkt des gesamten Buches jedoch steht, bisweilen in bedrückender Offenheit dargelegt, die zunehmend außer Kontrolle geratene Drogensucht eines Mannes, der mit seinem Leben zusehens schlechter klarkommt. Dass diese zu keiner Zeit als rebellischer Way of Life glorifiziert wird, mag nicht zuletzt daran liegen, dass Jourgensens Abhängigkeit von sämtlichen gängigen Drogen – allen voran Heroin, Koks, Meth und Alkohol – zwischenzeitlich derart außer Kontrolle geraten war, dass daran nichts mehr schön zu reden gewesen wäre. So wird gerade das Touren um die Welt für den körperlich und mental ausgebrannten Jourgensen zunehmend zur Qual: Bereits über die ’92er-Tour zu „Psalm 69“ zu Protokoll: „Alle Auftritte mussten so gebucht werden, dass unsere Drogenkontakte in der Nähe waren“.

Vor allem aber ist es die nüchterne Art, mit der Al hier über die Abgründe seines Lebens berichtet, die eine Verherrlichung von vorneherein ausschließt: „Sie wusste, dass ich mich einfach nur besoff, kotze und einschlief. Das gleiche Spiel dann noch einmal. Es ist weder ruhmreich noch glanzvoll – es ist das, was alte Rockstars machen, ehe sie sterben. Sie kotzen sich die Seele aus dem Leib“

Nicht zuletzt der guten Recherche von Mitautor Jon Wiederhorn ist es zu verdanken, dass selbst die Jahre, an die Al Jourgensen selbst kaum noch Erinnerungen parat hat, nicht im Dunkeln des Ungewissen verschwimmen: So hilft er Al dank gewissenhafter Recherche nicht nur gelegentlich auf die Sprünge, sondern lässt in zehn so betitelten Zwischenrufen auch andere Protagonisten aus Als Umfeld – etwa seine Frau, seinen Stiefvater und verschiedene musikalische Wegbegleiter – zu Wort kommen. Gerade diese zweite Sichtweise auf bestimmte Ereignisse verschafft dem Leser (trotz bisweilen geringfügig unterschiedlicher Erinnerungen) ein viel lebendigeres und detailierteres, vor allem aber glaubwürdigeres Bild der Geschehnisse.

Mit „Akte Ministry“ ist Jon Wiederhorn ein wahres Meisterwerk gelungen: Spannend, abwechslungsreich und gut verständlich geschrieben, wird die große Karriere der Band MINISTRY ebenso detailiert nachgezeichnet wie die verletzliche Persönlichkeit des Mannes, der mit seiner Drogensucht und daraus resultieren Songs wie „Thieves“, „Just One Fix“ oder „Jesus Built My Hotrod“ Musikgeschichte schrieb. Ein Muss für alle Fans von MINISTRY und den REVOLTING COCKS.

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