Review Nightwish – Élan (Single)

Dass NIGHTWISH sich gerne Zeit lassen für ihre Studio-Alben ist sicherlich nichts Neues. Vier Jahre sind jedoch auch für die Finnen ein neuer Rekord. Jedoch kein Wunder – seit dem letzten Album „Imaginaerum“ von 2011 ist viel passiert. Nicht nur gab es 2012 einen Film gleichen Namens, in dem die Band auch selbst mitspielt, sowie 2014 ein Solo-Album von NIGHTWISH-Mastermind Tuomas Holopainen namens „Music Inspired by the Life and Times of Scrooge“, sondern vor allem auch den zweiten Sängerinnenwechsel. Dabei hatte man gerade nach „Imaginaerum“ endlich das Gefühl, dass Tarja-Nachfolgerin Anette Olzon diskussionsfrei sowohl stilistisch als auch bei den Fans in der Band angekommen schien. Seit 2013 steht nun Floor Jansen am Mikrofon, die sich bereits als ehemalige After-Forever-Sängerin einen Namen gemacht hatte. Da sie stimmlich das Beste von Tarja und Anette vereint, scheint sie die perfekte Neubesetzung. Auf dem Live-Album „Showtime, Storytime“ machte sie jedenfalls bereits eine gute Figur. Ob dieser Schluss auch für die Studio-Alben zu früh gezogen wurde und ob NIGHTWISH an die Experimentierfreude ihres letzten Albums anschließen, bleibt abzuwarten: Das neue Album „Endless Forms Most Beautiful“ erscheint am 27. März 2015. Einen ersten Eindruck verschafft die erste Single-Auskopplung „Élan“.

„Élan“ wartet mit drei Versionen des Stückes auf: Standard, Alternate und Radio Edit. Zusätzlich dazu gibt es einen Song namens „Sagan“, der nicht auf dem neuen Album zu finden sein wird. „Élan“ selbst entlarvt sich leider schnell als vielleicht allzu sichere Bank: Die Melodie klingt zusammengeklaut aus den vorhergegangenen Stücken mit Anette, von den Stil-Experimenten von 2011 ist nichts zu hören. Die Instrumentierung, die poetische Sprache und der starke Score-Charakter der Komposition schreit natürlich NIGHTWISH!, und stimmlich bietet Frau Jansen exakt, was man erwarten konnte. Besonders eingängig ist „Élan“ beim ersten Hören allerdings nicht – auch beim zweiten und dritten Mal will der Funke nicht so richtig überspringen. Es wirkt fast ein wenig langweilig, vor allem gemessen an den vorhergegangenen Singles. Auch fühlt es sich so an, als wäre hier kräftig an der Bremse gezogen worden, gemütlich trommelt sich der Drummer durch einen Standard-Schlagzeugrhythmus. Da wäre mehr drin gewesen. Der Radio Edit verzichtet schlicht auf eine gute Minute des Stückes, entspricht aber ansonsten der Standard-Version. Ein völlig anderes Klanggefühl bietet jedoch die Alternate Version, die mir persönlich deutlich besser gefällt. Bei Intro, erster Strophe und erstem Refrain wird völlig auf einen hörbaren Beat verzichtet, stattdessen wird mit Orchester und Chor ein mystischer Klang erzeugt, über den sich Floors Stimme und die Hauptmelodie legen. Im Laufe des Songs schalten sich Synthie-Beats dazu, und Floors Stimme wird passend zur Stimmung etwas verzerrt. Hier mögen die Geschmäcker deutlich auseinander gehen. Die Standard-Version ist sicherlich der für die Allgemeinheit deutlich geeignetere Zuschnitt, die Alternate Version mehr etwas für Downbeat-Verfechter und jene, die sich gerne von NIGHTWISH überraschen lassen.
Das viereinhalb-minütige „Sagan“, das vom Astrophysiker Carl Sagan handelt, bietet Ausgleich mit deutlich schnellerem Tempo. Hier dominiert das Klavier als Solo-Instrument, eingebettet in den typisch-epischen NIGHTWISH Orchester-Klang. Ein Instrumentalpart kombiniert außerdem E-Gitarre mit Flöte. Auch wenn dieser Song ebenfalls keine wirklichen Überraschungen bietet, ist er doch deutlich eingängiger und lädt sofort zum Füße-Mitwippen und Haare-Schütteln ein. Hier hört man auch wenig Floors Opern-Ausbildung heraus, die hoffentlich auf dem neuen Album noch mehr zum Tragen kommen wird – schließlich musste man auf diese Elemente bei Anette als Sängerin fast vollständig verzichten.

Alles in allem enttäuscht die neue NIGHTWISH-Single eher, als sie Vorfreude weckt. Andererseits kann man die Entscheidung für diesen Song als Single durchaus nachvollziehen, nach vier Jahren ohne neues Song-Material braucht man kein experimentelles Stück, sondern einen Song, den Fans und solche, die es noch werden wollen, sofort als NIGHTWISH identifizieren können. Von dem kommenden Album ist allerdings mehr zu erwarten. Besonders das halbstündige Stück „The Greatest Show on Earth“ macht neugierig. Und in einem Monat wissen wir endlich mehr. Bis dahin kann man „Élan“ genügend Zeit geben, einem doch noch ans Herz zu wachsen.

Keine Wertung

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