Review Nucleus Torn – Andromeda Awaiting

NUCLEUS TORN produzieren seit geraumer Zeit einen außergewöhnlichen Output an Musik mit Ausnahmestatus. „Nihil“ und „Knell“ hießen die Vorgängerwerke von „Andromeda Awaiting“, zusammen formen sie eine Trilogie sondergleichen. „Knell“, das beeindruckende 2008er Werk glänzte mit aufrüttelnden Kontrasten aus trostlosen aber mystischem Akustikgitarrengeplänkel (das auch mal von melodienführenden Flöten-, Geigen- oder Cellopassagen abgelöst wurde) und E-Gitarren-Ausbrüchen, die in ihrem brachialen Effekt im ansonsten ruhigen Sound eine völlig verstörende Komponente einbrachten. Ebenfalls prägend waren die Vocals von Maria D`Allessandro einer- und Patrick Schaad andererseits, während erstere oft eine erzählende Rolle einzunehmen schien, wirkten zweitere in der verlorenen, surrealen Welt NUCLEUS TORNs vollkommen heimisch und gaben einem das Gefühl, neben einem Erzähler auch einen Protagonisten vorgesetzt zu bekommen. Da das Album in seiner abgründigen Stimmung insgesamt dennoch ziemlich karg wirkte, bestand der Reiz an der Scheibe in der Faszination des Grauens und der Isolation, die hier musikalisch perfekt umgesetzt wurde.

„Andromeda Awaiting“ schlägt da andere Pfade ein. Wenn „Knell“ tiefste Schwärze voller Ästhetik ist, dann ist dieses Album das folgende Morgengrauen. Zwar bezweifele ich, dass genau das mit dem Cover ausgesagt werden wollte, aber „Andromeda Awaiting“ kommt tatsächlich daher, als wäre es der Lichtblick, der zumindest ins Halbdunkel führt. Der Geist erwacht aus der totalen Lethargie, ein Hauch von Leben strömt zurück in die vernebelten Gedanken. Die Songs, klassisch ohne Name von I bis VI durchnummeriert, sind ein vorsichtiges Strecken der Glieder nach einer ewigen Zeit der Bewegungslosigkeit.
Musikalisch wird dies deutlich durch aktivere, vitalere Instrumentierung. Verursachten auf „Knell“ oft gerade die Pausen zwischen den Noten Unbehagen, sucht man diese auf „Andromeda Awaiting“ vergebens, die unterschwellige Eindringlichkeit ist weitgehend verschwunden und so ist die Scheibe auch deutlich einfacher zu hören als der Vorgänger. Da sind eine Menge wunderschöne Melodien vorhanden, die Songs gehen bisweilen richtig ins Ohr und haben rhythmische Elemente, sodass man sich bei perlendem Klavierspiel und sanften Akustikgitarren-Akkorden oft dabei ertappt, die Platte einfach plätschern zu lassen. Das ist dann zwar auch nett, wird dem Ganzen aber nicht ganz gerecht. Also: Richtig einhören, und irgendwann pendelt sich das Bild für mich auf eine ruhige, klassisch orientierte Version von Empyriums „Weiland“ ein, ohne die wirklich dramatischen Sequenzen wie etwa in „Waldpoesie“, dafür mit mehr Facetten, mehr Abwechslung. Und immer mehr wirkt der Gedanke an Morgentau, den man bereits auf der Zunge schmeckt, an den bevorstehenden Sonnenaufgang, plausibel. In manchen Momenten lugt in dunkleren Ecken noch das Grauen um die Ecke, im Allgemeinen aber scheint die Welt in diesem Halblicht aber friedlich und hoffnungsvoll.

Ein kleiner Schönheitsfehler an „Andromeda Awaiting“ tut sich höchstens für Hörer auf, die „Knell“ nicht kennen. Für diese dürfte es schwierig sein, die wahre Bedeutung dieser vergleichsweise regelrecht gelösten Atmosphäre, die dieses Album verbreitet, überhaupt wahrzunehmen. Dennoch, auch für diese bleibt eine spannende Scheibe, die, wenn man sie nebenbei laufen hat, nette Untermalung ist. Wenn man sich wirklich hineinhört, strahlt sie intensive, naturmystische Atmosphäre aus, die bspw. in „II“ auch richtig positiven Charakter annehmen kann. Den absoluten Stimmungs-Kick gibt’s aber trotzdem erst, wenn man sich direkt nach „Knell“ mit diesem Album langsam wieder aus der Dunkelheit zurückkämpft.

Kaufempfehlung also an alle – ob nun Empyrium mit mehr klassischen Elementen – und ich möchte meinen etwas vielfältigerer Stimmung – oder der versöhnliche Abschluss der Trilogie, das soll jeder für sich selbst entscheiden.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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