Review Riverside – Anno Domini High Definition

Mit ihrem 2007 veröffentlichten Album „Rapid Eye Movement“ haben die polnischen Senkrechtstarter RIVERSIDE ihre Fanbase zweifelsohne weiter ausgebaut, auch wenn die Platte qualitativ nicht das Niveau der beiden grandiosen Vorgänger halten konnte. Sie war gleichzeitig der Abschluss des dreiteiligen „Reality Dream“-Konzepts, sodass sich die Band auf ihrem neuen Werk völlig frei bewegen kann.

„Anno Domini High Definition“ – vier titelgebende Wörter für die vierte Musikkonserve der Jungs um Sänger und Bassist Marius Duda, die gleichzeitig (natürlich!) 44:44 Minuten lang ist. Diesmal ist es kein Konzeptwerk, aber es zieht sich ein roter Pfaden durch die Stücke. „Das Album erzählt von Menschen, die noch bevor sie gelernt haben, wie man einen bestimmten Apparat bedient, ärgerlich behaupten, dass es schon nicht mehr aktuell ist. Und noch schlimmer: dass es gar nicht mehr funktioniert und man ab jetzt einen besseren Apparat verwenden muss. Für mich sind dies eher die Gedanken all jener Menschen, die jeden Morgen mit der Angst aufwachen, dass an diesem Tag ihr ‚Haltbarkeitsdatum‘ abläuft“, so Duda.Zu schade, dass die Band das Konzept rund um die „4“ bei der Songanzahl nicht auch noch durchgehalten hat, denn es finden sich hier fünf neue Songs. Longtrack-Fetischisten dürfte es zunächst einmal freuen, dass sich nur ein Song unter der Sechs-Minuten-Grenze bewegt und zwei Nummern sogar mehr als zehn Minuten Spielzeit aufweisen. Stilistisch hat man sich vom recht ruhigen, teilsweise leicht psychedelisch-hypnotischen Sound des Vorgängers wieder entfernt. Die Band hat den neuen Silberling im Vorhinein als ihr bisher härtestes Material angekündigt – und das kann man so stehen lassen, auch wenn der Zuwachs an Härte eher im Details zu suchen ist. Alles wirkt ein wenig straffer, kraftvoller arrangiert, hinzu kommt eine zur Verzückung des Rezensenten überdurchschnittlich oft röhrende Hammond-Orgel. Anstatt also zur Black Metal-Kapelle zu mutieren, haben sich die vier Herren dazu entschlossen, einen rotzigen und energetischen Rocksound zu zelebrieren – wobei aufmerksame Hörer tatsächlich in einem Track ein paar Sekunden Blastbeat vernehmen werden.

Doch trotz rockigem Grundtenor muss man im Jahr des Herrn bei RIVERSIDE nicht auf traditionelle Trademarks wie die verträumten, lyrischen Gitarrensoli, atmosphärische Keyboardssounds und ausgefeilte Bass- und Schlagzeugspuren verzichten. Insbesondere Schlagzeuger Piotr Kozieradzki verzaubert den Hörer einmal mehr mit feinsten Hi-Hat-Frickeleien. Zahlreiche ruhige Momente sind ebenfalls vorhanden und strahlen im Gegensatz zum Vorgänger wieder die so wohlig-warme, sehnsüchtige Magie aus, die nur Riverside und Marius Duda so hinbekommen. Sein Gesang ist wie immer über jeden Zweifel erhaben – er gehört ohne Wenn und Aber zu den besten Sängern des Genres.

Die Abwesendheit eines konkreten Hits sorgt dafür, dass alle Songs gleichwertig nebeneinander stehen. Egal ob der anfänglich ruhige, dann aber rasante Einstieg „Hyperactive“, das im klassischen Bandsound gehaltene „Driven To Destruction“ oder das atmosphärisch-packende „Egoist Hedonist“, das mit Bläsern überrascht. Hier ist alles gelungen arrangiert, lädt zum Mitsingen, Abrocken, Wegschweben oder schlicht Genießen ein. Die beiden längsten Nummern „Left Out“ und „Hybrid Times“ stehen der ersten Hälfte in Nichts nach und haben auch mehr kompositorische Tiefe und Abwechslung als das lahme 2007er-Langwerk „Ultimate Trip“, das die „Reality Dream“-Trilogie abgeschlossen hat.

Somit ist „Anno Domini High Definition“ klar besser als „Rapid Eye Movement“, hat aber auch nicht mehr den Bonus des Frischen und Neuen, den sich „Out Of Myself“ und „Second Life Syndrome“ noch einheimsen konnten. Insofern ist es zwar ein Sicherheitsalbum, aber als solches dürfte es allen Fans der vier sympathischen Polen jede Menge Spaß bereiten und eine eventuelle Enttäuschung vom Vorgänger mühelos wieder gut machen.

Anspieltipp: Egoist Hedonist

Die Special Edition der Platte kommt übrigens mit einer Bonus-DVD, die einige professionell gefilmte Songs eines Konzerts aus Amsterdam enthält. Nette Beigabe!

Wertung: 8.5 / 10

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