Review Steve Hackett – Wolflight

STEVE HACKETT, sicherlich einer der einflussreichsten und angesehensten Rock-Gitarristen seit den 70ern, baut mit seinem aktuellen Werk „Wolflight“ seine ohnehin schon beeindruckend große Diskographie weiter aus. Zwar ist der erste  optische Eindruck des Albums – der Meister zwischen friedlich hechelnden Wölfen, im Hintergrund vollmondet es durch stilbewusste Wolken – ein wenig irritierend, aber nach einigen Durchläufen kann man zumindest beruhigt feststellen, dass das Kitsch-Potential, das dieses Cover bereithält, von der Musik nicht abgerufen wird. Entwarnung. Auch 2015 liefert STEVE HACKETT abwechslungsreichen Prog-Rock, dem allerdings an so mancher Stelle ein wenig der Biss fehlt.

Nach einem kurzen Intro, das schon einmal ein paar der folgenden Melodiebögen zitiert, folgt sogleich der Titelsong, der sich thematisch um eine bestimmte Tageszeit dreht, jener Stunde, kurz bevor der Tag graut und das „Wolflight“ über den Horizont kriecht – nicht zu verwechseln übrigens mit Ingmar Bergmans „Stunde des Wolfes“. Während ersteres dazu taugt, ganze Alben zu komponieren (so HACKETT über den Entstehungsprozess seines neuen Albums), ist letztere die Zeit, in der die meisten Menschen geboren werden – aber eben auch sterben. Diese Düsternis und existentielle Schwere, die der Schwede seinerzeit in wirkungsmächtiges Schwarz-Weiß eingefangen hat, geht HACKETTs „Wolflight“ weitestgehend ab. Obwohl vielfältig im Ton, ist die Gesamtatmosphäre hier eine durchgehend positive, zumindest aber hoffnungsvolle. Die Spannungen der Melodiebögen, vor allem die eingängigeren unter ihnen, werden konsequent aufgelöst. „Wolflight“, aber auch das folgende „Love Song To A Vampire“ buchstabieren diesen Ansatz über viele Minuten hinweg aus. Beide Songs gehören zum besten Material der Scheibe.

Im Grunde ist sich STEVE HACKETT mit diesem Album treu geblieben. Es finden sich verspielte, im Tempo gemäßigte Prog-Songs, denen eine gewisse 70er-Jahre-Handschrift nicht abzusprechen ist, die aber zugleich keine Retro-Ästhetik abfeuern; höchstens „Loving Sea“ klingt ein wenig altbacken. Es gibt, natürlich, eine Menge guter bis sehr guter Gitarren-Soli sowie das beinahe obligatorische Akustik-Instrumental („Earthshine“). Und es gibt das deutliche Bekenntnis zu klanglicher Grenzenlosigkeit. Neben dem instrumentalen Standardinventar einer Prog-Platte erklingen auf „Wolflight“ auch exotische Instrumente wie eine Duduk (ein armenisches Holzblasinstrument), eine Oud (arabische Laute) oder eine Tar (aserbaidschanische Langhalslaute). Und es ist ein durchaus interessanter Ansatz, diese traditionellen Instrumente mit der E-Gitarre zusammenzubringen, wie dies beispielsweise in „Dust And Dreams“ geschieht.

Bei aller Exotik und Vielfalt lässt sich über eines jedoch kaum hinwegsehen: Ein Großteil der gebotenen Exotik bleibt über weite Strecken bloße Staffage. Die genannten Instrumente sind häufig eben nur Dekor, der sich um die eher klassisch gestrickten Prog-Songs legt. Auch die Vielfältigkeit, die auf „Wolflight“ zum tragenden Prinzip erhoben wird, kennt ihre dunklen Seiten, vor allem eine Art von Tiefensuggestion, die, wie am von Chören inszenierten Ende von „Corycian Fire“, geradezu komisch wirkt. Zudem fehlt es der CD an zupackenden Momenten, an wirklichen Ausreißern, an etwas klanglicher Härte. Zu häufig klingt das Gebotene zu selbstgefällig. Diese Kritikpunkte ziehen zwar die Endwertung nach unten, dürften aber nichts daran ändern, dass sowohl die Fans von STEVE HACKETT an „Wolflight“ ihr Vergnügen haben werden und die CD auch bei Freunden eher unaufgeregter, aber äußerst souverän gespielter Prog-Musik Anklang finden wird. Dass STEVE HACKETT ein beeindruckender Musiker ist, beweist das Album allemal.

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Manuel Förderer

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