Interview mit Jarne von Party.San Open Air

Das PARTY.SAN OPEN AIR sucht europaweit seinesgleichen. Jedes Jahr lockt das Festival 9.000 begeisterte Fans der extremsen Spielarten des Metal nach Thüringen, wo man sich neben den größten Bands aus Black und Death Metal auch jede Menge Perlen aus dem Underground sowie junge Nachwuchsbands zu Gemüte führen kann. Im Rahmen unseres VERANSTALTER-Specials sprachen wir mit Jarne, der das Festival federführend mitorganisiert und Einblick hinter die Kulissen jendes Festivals gewährt, dass mit dem Slogan „Hell Is Here“ für sich wirbt.



Das PARTY.SAN OPEN AIR 2017 rückt näher – wie sieht der Terminkalender aus? Was steht noch an Aufgaben an?
Es sind noch sehr viele Dinge zu tun, welche uns täglich in Beschlag halten. Der Ticketvorverkauf läuft ja täglich, die Bands müssen mit den nötigen Infos versorgt werden, die grundlegende Logistik auf dem Festival wird geplant, Werbeaktionen müssen geplant werden, unsere Warm-Up Shows müssen eingetaktet werden, Flüge müssen gebucht werden und und und. Es ist ein Berg an Arbeit, der gefühlt nie kleiner wird. Wir haben also gut zu tun!

Nach dem PARTY.SAN 2010 seid ihr von Bad Berka nach Schlotheim umgezogen. Was waren die Gründe für diesen Loactionwechsel und wie schwierig war es, einen neuen Ort zu finden? Wäre das anno 2017 schwieriger?
Wir haben unser Festival seit dem Jahr 2000 jedes Jahr auf dieselbe Wiese gebaut und diese war extrem wetteranfällig beziehungsweise für unsere Größe unzureichend. Jeder kleinste Regen erschwerte uns die Arbeit dort, und 2010 war einfach das Fass am überlaufen. Wir sind in diesem Jahr quasi abgesoffen und standen am Samstag kurz davor, das Festival abzusagen. Wir haben uns damals einfach umgesehen und mögliche Standorte geprüft. Unsere Wahl fiel auf den Standort Schlotheim, welcher uns eine optimale Logistik in relativer Nähe zu unserer Heimat Weimar bot. Ob es anno 2017 schwieriger wäre, kann ich schlecht beurteilen. Ein Festival umzuziehen ist aber keine angenehme Angelegenheit.

Größentechnisch seid ihr seit dem Umzug recht konstant geblieben – war das eine bewusste Entscheidung?
Ganz sicher sogar. Wir wollen einfach so bleiben, wie wir sind, und haben nie etwas anderes gefordert. Schlotheim könnte mehr Leute fassen, aber es ist alles gut, so, wie es jetzt ist. Wir sind mit dieser Größe das einzige Festival Europas mit dieser musikalischen Ausrichtung und das ist schon ein toller Erfolg.

Wie lange im Voraus beginnt ihr mit den Planungen des PARTY.SAN? Wie lange im Voraus seid ihr mit Bands im Gespräch?
Die Planung läuft in der Regel immer. Wir sind jetzt schon am prüfen, welche Bands 2018 bei uns spielen könnten beziehungsweise welche technischen oder strukturellen Veränderungen wir vornehmen wollen und was wir in diversen Zeiträumen verändern wollen. Dieses Festival ist ein Fulltime-Job, den wir sehr ernst nehmen.

Hinsichtlich Auf- und Abbau: Wie lange dauert das bei euch jedes Jahr und wie viele Leute sind da eingebunden?
Wir bauen das Festival eine Woche vor der Veranstaltung auf und versuchen am Mittwoch danach wieder vom Acker zu sein. Am Aufbau sind ungefähr 100-150 Personen beteiligt, die aus den verschiedensten Gewerken kommen.

Wie ist die Verteilung eurer Mitarbeiter bezüglich Angestellter und freiwilliger Helfer?
Unsere Crew arbeitet seit Jahren freiwillig, um das Open Air zu dem zu machen, was es ist: Eine Veranstaltung von Fans für Fans. Das ist wichtig und gehört einfach zu uns dazu. Viele wichtige Positionen sind aber durch Dienstleister zu besetzen, es geht einfach nicht anders. Ich rede hier von Bühnenpersonal, Security und so weiter. Hier kann man nicht mit Freiwilligen arbeiten. Das sollte verständlich sein.

Der Knackpunkt ist oft die Anreise am ersten Festivaltag. Wie bekommt ihr es geregelt, dass die Warteschlangen am Eingang nicht zu lang werden? Was macht ihr mit Leuten, die sich nicht an eure Regeln halten oder inakzeptables Verhalten an den Tag legen?
Seit ein paar Jahren läuft die Anreise bei uns in sehr geordneten Verhältnissen. Unsere Security macht hier einen großartigen Job. Ich habe auch von Besucherseite keine größere Kritik wahrnehmen können. Wir haben eine sehr professionelle Security, die unsere Gäste kennt und sich um auch dementsprechend verhält. Wer gegen unsere Regeln verstößt oder sich wie ein Arschloch verhält, bekommt das Programm, das alle Idioten bekommen. Hier gibt es Mittel und Möglichkeiten, Ordnung zu schaffen, um die gute Zeit der anderen Gäste nicht zu stören.

Ihr habt eine strikte Null-Toleranz-Politik bezüglich rechtsextremer Bands und Symbole. Wie kam diese zu Stande und wie setzt ihr die durch?
Wir haben keine Lust auf Politik generell. Wir sind ein Musikfestival und keine Plattform für politische Propaganda. Wir sagen ganz klar, lasst eure Shirts und Patches zu Hause und geht einfach niemandem auf die Nerven. Egal, ob du nun für die Antifa oder eine entgegengesetzte Strömung aktiv bist. Wir haben hier Gäste aus der ganzen Welt, die in Ruhe Shows sehen und dabei ein paar Bier trinken wollen. Wir sind keine Missionare irgendeiner politischen Strömung, sondern ein Musikfestival, auf welchem man diesen ganzen Scheiß einfach mal vergessen sollte.

Nach welchen Kriterien wählt ihr die Bands für das PARTY.SAN aus? Geht es da primär um euren persönlichen Geschmack, schaut ihr einfach wer verfügbar ist oder versucht ihr bewusst eine ausgewogene Mischung verschiedener Stile zu buchen?
Wir buchen nach eigenem Credo und hören auch auf die Tipps unserer Freunde, die alle aus der Szene stammen. Wir müssen natürlich auch mit der Zeit gehen und schauen, was die Leute hören beziehungsweise sehen wollen. Man darf als Veranstalter nicht übermütig werden und den Leuten ihren Geschmack vorkauen. Ich denke aber, dass wir sehr genau wissen, was die Besucher des PARTY.SAN auf unseren Bühnen haben wollen. Die ausgewogene Mischung macht einen Teil unserer Identität aus. Aber wie immer gilt … man kann es nicht jedem recht machen.

Wie viele Hotelzimmer braucht ihr durchschnittlich für die Bands?
Wir buchen mindestens zwei Hotels voll aus. Das ist notwendig und sicherlich auch der Anzahl der Bands entsprechend.

Erfüllen viele das Klischee des randalierenden Rockstars?
Rock ’n‘ Roll ist eben Rock ’n‘ Roll…da kann auch mal etwas zu Bruch gehen. Es passiert selten, aber es passiert. Schwamm drüber!

Es gibt ja immer wieder Legenden von obskuren Forderungen verschiedener Bands. Was waren die sonderbarsten oder aufwändigsten Forderungen, die ihr erhalten habt?
Solche Forderungen gibt es sicherlich, aber wir sprechen nicht darüber. Jede Band hat so ihre Macken, aber wir waschen keine dreckige Wäsche.

Nach dem Festival gibt es natürlich immer jede Menge Feedback, dass sich auch gern mal fundamental widerspricht. Wie wertet ihr diese Rückmeldungen aus und in wie fern werden sie berücksichtigt?
Wir lesen diese Beiträge und wissen sehr gut, wer nur ein Troll ist, oder wer wirklich etwas zu sagen hat. Wenn sich Vorwürfe mehren, dann gehen wir dem nach und versuchen, Verbesserungen einzuleiten. Das ist wichtig. In der heutigen Zeit muss man aber auch ein dickeres Fell haben, gerade weil wirklich jeder seine Meinung mal so eben in sein Handy hacken kann.

Seit ein paar Jahren gibt es eine zweite Bühne im Zelt, auf der vorrangig junge Bands auftreten. Wie kamt ihr auf die Idee dem Underground mehr Platz einzuräumen? Wie wurde diese Änderung aufgenommen? Wie wählt ihr die Bands für diese Bühne aus?
Die Zeltbühne ist ein Tribut an den Underground, welcher immer kürzer kommt. Wir wollen jungen und hungrigen Bands die Chance geben, sich gegen Bezahlung zu präsentieren. Wir wählen die Bands alle selbst aus und geben ihnen einen Plattform. In einer Zeit wo, kleine Bands immer weniger Slots bekommen, ist das enorm wichtig. Der Erfolg dieser Bühne gibt uns ja irgendwie recht.

Was macht man als Veranstalter, wenn trotz bester Planung etwas schief läuft? Wie hoch muss die Frustrationstoleranzgrenze eines Veranstalters während des Festivals sein? Was für Notfallpläne hat man in der Hinterhand?
Man muß einen ruhigen Kopf behalten und mit einem Team arbeiten, das Hand in Hand funktioniert. Panik ist hier fehl am Platz. Dieser Geschichte kann man nicht lernen, die Erfahrung bringt die Toleranz. Du glaubst nicht, was wir früher für einen Mist erlebt haben. Heute versucht man, durch gute Planung solche Vorfälle zu minimieren. Das klappt leider nicht immer. Shit happens.

Die Angst vor und Gefahr von Terroranschlägen ist sicher auch bei der Planung des PARTY.SAN im Hintergrund präsent – hat das die Organisation des Festivals in den letzten Jahren bzw. dieses Jahr beeinflusst?
Wir haben hierzu auch schon 2016 Maßnahmen ergriffen und die werden auch 2017 beibehalten. Dieses Thema betrifft die gesammte westeuropäische Welt und nicht nur uns. Wir zelebrieren unsere Kultur weiterhin und lassen uns hier in keiner Weise abschrecken.

Mit welchen Argumenten gelingt es euch immer wieder, Bands für etwas Besonderes auf das PARTY.SAN zu locken – etwa 2007 Asphyx für ihre Reunion oder 2010 Autopsy, die seitdem nicht mehr in Europa waren und dieses Jahr wieder bei euch sind?
Loyalität, Freundschaft, Szeneintegrität, Musikverständnis und die Liebe für diese Art von Musik.

Fühlt ihr euch durch eure klare stilistische Ausrichtung auf Death und Black Metal manchmal eingeengt, was buchbare Bands angeht? Habt ihr schon mal eine Band, die euch gereizt hätte, nicht gebucht, weil sie nicht ins PARTY.SAN-Konzept passt?
Das stimmt so nicht. Wir öffnen uns ja ständig, gerade hin zu Doom und Heavy Metal. Gerade Bands wie Procession, In Solitude, Candlemass und Grad Magus sind da die besten Beispiele. Wir sind im Death/Black verwurzelt, ja, das heißt aber nicht, das wir uns total verschließen. Das wäre ziemlich dumm.

Wie schwierig ist es jedes Jahr wieder Headliner zu finden, die nicht schon x-Mal das PARTY.SAN geheadlined haben?
Nicht gerade einfach und immer wieder eine Herausforderung.

https://youtu.be/VLrtiSyGa1Y

Wie erkennt ihr, welche Bands es sich zu pushen lohnt – sprich: Wie erkennt ihr potenielle zukünftige Headliner frühzeitig?
Das hat man irgendwie im Bauch. Das ist eine gewisse Mischung aus Wow-Effekt, Musikverständnis und Realitätssinn.

Könnt ihr das Festival überhaupt genießen, oder seid ihr permanent damit beschäftigt, das Ganze am Laufen zu halten?
Es ist eine Mischung aus beidem. Arbeit und Spaß an der Sache.

Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Hellfest:
Sehr cooles Festival. Hut ab vor den Franzosen!
Slayer: Eine Band mit großartiger Diskographie, die aber ihren Zenit erreicht hat.
Beste Show auf einem PARTY.SAN: Die Abschiedsshow von Dismember.
Schlechteste Show auf einem PARTY.SAN: Möchte ich nicht sagen.
Kostüme auf Festivals: Warum?
Liveaufnahmen vom PARTY.SAN: Gibt es reichlich!
PARTY.SAN in 10 Jahren: Lisa Ann moderiert zwischen den Bands. (lacht)

Alle bisher erschienenen Teile dieses Specials im Überblick:

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert