Review Aborym – Dirty

Es gab und gibt nach wie vor Bands, denen Genre-Grenzen zu eng gestreckt sind. Die genau wissen, was sie wollen und sich durch ebendiese Grenzen nicht limitieren lassen, sondern die Erwartungshaltung der Hörerschaft mit jedem weiteren Werk in eine etwas andere Richtung lenken. ABORYM denken und musizieren nicht nur stur in eine Richtung, sondern drehen sich kurz um 180 Grad und bündeln dann alle markanten Details in ihrem unverwechselbaren Soundgewand. War das Mischverhältnis der Stilelemente auf dem direkten Vorgänger „Psychogrotesque“ noch einigermaßen ausgeglichen, so erwartet den Hörer auf „Dirty“ eine noch deutlichere Schlagseite in Richtung Industrial, Elektro oder wie auch immer man die technoiden Klanglandschaften betiteln möchte.

Das italienisch-norwegische Trio überrascht mit einer Extremität, welche einem die Kinnlade ordentlich nach unten hauen dürfte. Störgeräusche, schnelle Beats, rasende Black-Metal-Versatzstücke und zielgenaue, sich in den letzten Winkel des Kleinhirns bohrende Riffs sorgen für die nötige Unruhe in den strapazierten Nervenbahnen. Sänger Malfeitor Fabban versucht sich stellenweiße an klarem Gesang, was einen gewissen Nine Inch Nails-Touch zur Folge hat und der dargebotenen Musik damit zusätzlich Tiefgang verleiht. „Across The Universe“ ist hierfür vielleicht das beste Beispiel: Faust sorgt für das nötige Tempo, dem aber stellenweise entspannt elektronische Spielereien gegenüberstehen und so die schnelleren Augenblicke noch schneller und die brutaleren Momente noch brutaler wirken lassen. Das hört sich erst mal alles recht unstrukturiert und verwirrend an, ist im Endeffekt aber zu einem homogenen Ganzen zusammengeführt, bei dem man nach und nach immer mehr Details entdeckt. Neben dem ganzen Geschwindigkeitsrausch finden sich auf „Dirty“ auch etwas ruhigere, entspanntere Stücke. „Raped By Daddy“ bietet lyrisch heftigen Stoff und „The Factory Of Death“ glänzt mit überraschenden Momenten, die dem ganzen Treiben eine epische Note verleihen. Im Gesamtkontext betrachtet, ist „Dirty“ im wahrsten Sinne des Wortes ein richtig dreckiges Teil geworden: Zwar präsentiert sich der Sound recht steril und kalt, man kann nichtsdestotrotz den Schmutz der Großstädte, welcher hier in konzeptioneller Hinsicht neben sexuell angehauchten Themen aufgegriffen wird, wahrlich fühlen. Ein erschreckendes und zuweilen auch verstörendes Hörerlebnis und gewiss nichts für Zartbesaitete. Wem das alles noch nicht genug ist, der bekommt auf einer seperaten Disc noch ein paar Cover-Songs und weitere Extras geboten. Lasst euch übberraschen!

ABORYM werden mit ihrer sechsten Full-Length definitiv die Geschmäcker teilen, betrachtet man jedoch ihre vergangenen Releases, stellt sich so oder so die Frage: Wann haben sie das nicht? Sie gehen ihren Weg unbeirrt weiter und es scheint, als ob dieser sie immer weiter in ihrem völlig individuellen, schwer zu kategorisierenden Klangkosmos führt. Für den Moment sind ABORYM am Höhepunkt ihrer Karriere angelangt, für Fans ist „Dirty“ daher unverzichtbar. Allen Anderen sei gesagt: Hört euch das Teil an, es wird eure Hörgewohnheiten erneut in andere Sphären hieven.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Michael Ay

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