Review King Crimson – In The Court Of The Crimson King

KING CRIMSON ist eine Band, die in der Metalszene dem durchschnittlichen Hörer noch nichtmal dem Namen nach bekannt ist. Und das, obwohl die Briten atmosphärisch gesehen jenes, was sich andere Bands heutzutage wieder mühevoll in deutlich bescheidenerem Rahmen erarbeiten und was dann sogleich als innovativ und bahnbrechend bezeichnet wird, bereits 1969 in Perfektion auf ihrem ersten Album dargeboten haben – „In The Court Of The Crimson King“.

Dabei mögen die ersten Töne des ersten Songs „21st Century Schizoid Man“ erstmal gar nicht zum oben angedeuteten passen: Eine dröhnende Mischung aus Hard Rock und Jazz die vom Saxophon geführt wird. Durchaus noch konventionell also, obwohl man sich bei solchen Aussagen in Erinnerung rufen sollte, dass selbst Uralt-Bands wie Black Sabbath zu dieser Zeit noch nichtmal ein Jahr existierten. Schon ein paar Sekunden später mutiert „21st Century Schizoid Man“ allerdings ohnehin zu einer Lehrstunde in Sachen geistige Verwirrtung in einen Song kleiden: Was mit verzerrten Vocals über einer einzelnen, stoisch schrubbenden Gitarre beginnt, nimmt innerhalb von wenigen Momenten Fahrt auf und beweist in einer irrwitzigen Achterbahnfahrt von Gitarre, Bass und Schlagzeug, dass man sich nicht vor einen heranrasenden Zug legen muss, um sich überfahren zu fühlen. Beim Versuch, bei diesem Song voll durchzusteigen, kann man jedenfalls einige Stunden herumbringen.

Gegenteiliger könnte das folgende „I Talk To The Wind“ kaum ausfallen: Entspannte Flötenmelodien, über die selbstvergessen Gesang gehaucht wird, kreieren eine Stimmung unvergleichlicher Losgelöstheit, die den Hörer fast schon zwingt, sich zurückzulehnen, die Augen zu schließen und in dieses Wolkenbett aus unverhohlener Schönheit zu entschwinden. Dass dieser Song aber, obwohl man kaum ein besseres Beispiel für Easy Listening finden kann, um einiges mehr in der Hinterhand hat als nur verträumte Melodien, beweisen hintergründige Mellotron-Einsätze ebenso wie das Schlagzeug, das sich nicht (wie eigentlich sowieso nie bei KING CRIMSON) auf tumbe Standardbegleitung beschränkt, sondern die Melodien äußerst kreativ umspielt und hervorhebt. Nicht nur erwähnen, sondern betonen muss man an dieser Stelle auch erstmals die Texte Peter Sinfields, nachdem diese auf „21st Century Schizoid Man“ noch keine hervorstechende Rolle einnahmen. Denn Sinfield erweitert die Texte von ihrer Aufgabe als meist nur nette Begleiterscheinung der Musik zu einem dieser vollkommen ebenbürtigen Instrument zur Entwicklung der beschriebenen Atmosphäre. Die Worte, zerstreut wie sie vorgetragen werden, lenken den Song erst in diese vollkommen abgehobene, von jeglichen Sorgen unbehelligte Stimmung. Nicht auszudenken indes, wie kitschig „I Talk To The Wind“ gewirkt hätte, wenn Greg Lake typische Love Song-Lyrics rezitiert hätte.

Und auch im folgenden bleiben die Texte Peter Sinfields das Element, das nicht nur wichtig, sondern essenziell für die Aussage der purpurnen Kleinkunstwerke ist – Auch wenn „Epitaph“ eher musikalisch dominiert wird, „Moonchild“, und im speziellen „The Court Of The Crimson King“ wären ohne ihre bildreiche, psychedelische und fantasievolle Lyrik nicht einmal die Hälfte dessen wert, was sie nun zu diesem Album beitragen.Doch zurück zu „Epitaph“, das seinem Vorgänger wiederum nur insofern gleicht, als dass es atmosphärische Tiefe in kaum gesehenem Ausmaß besitzt und eine gänzlich entrückte Welt lebendig werden lässt. Majestätisch, dramatisch, schicksalhaft oder prophetisch , große Wörter, mit welchen man aber bei der Beschreibung dieses Songs unweigerlich um sich werfen muss. Lakes Gesang, hier von großartiger Intensität, mit leidender, zwischen zerbrechlich und kraftvoll pendelnder Stimme, schwebt über einem Meer aus Mellotron-Mauern, Akustikgitarren und zurückhaltendem bis donnernd wirbelndem Schlagzeug. Doch auch Flöte, E-Gitarre und Bass haben ihre großen Auftritte – Kurzum, hier ist instrumental alles geboten, und zusammengesetzt wird es zu einer unheilvollen Vision, die in Kombination mit den Texten bis heute eine sehr aktuelle Botschaft hat („Knowledge is a deadly friend when no one sets the rules. The fate of all mankind I see Is in the hands of fools. „)

„Moonchild“ und „The Court Of The Crimson King“ fallen qualitativ nicht im mindesten ab, im Gegenteil schafft ersteres wohl die eindringlichste und surrealistischste, zweiteres die umfassendste und lebendigste Traumwelt auf diesem Album. Dennoch trägt „Moonchild“ wohl auch das einzige Manko dieses Albums in sich: Nach drei Minuten psychedelischen Trips in die Märchenwelt verkommt der Song zur ambientartigen, improvisierten Soundcollage, die den einen oder anderen anfangs vielleicht an Bohren & der Club of Gore erinnern mag und an sich auch nicht schlecht klingt, allerdings auch nicht genug Intensität aufweist, um auf diesem Album, das ansonsten eben doch ganz anderer Machart ist, bestehen zu können und in der Folge vollkommen deplatziert wirkt. Der Umstand, dass wir hier auch noch von neun Minuten der gesamten Platte reden, wirkt da nicht unbedingt mildernd.

Dennoch, ein kleines Haar in einer Suppe, die so großartig komponiert ist, das man es beim Konsum derselben ohne weiteres in Kauf nehmen kann – abseits dessen gibt es nämlich ausschließlich Material zu hören, welches 40 Jahre überdauert hat und in der Mehrzahl seiner Qualitätsmerkmale trotzdem noch unübertroffen ist. „In The Court Of The Crimson King“ sprach 1969 eine Open Challenge aus, die in meiner bescheidenen musikalischen Erfahrung selten angenommen und nie gewonnen wurde. Eine CD, bzw. damals Schallplatte, die historisch wie qualitativ unverzichtbar für Freunde der etwas anspruchsvolleren Rockmusik ist. Angesichts dessen, dass der zweite Teil von „Moonchild“ zwar spielzeittechnisch einen nicht unwesentlichen Teil des Albums darstellt, der Rest sich allerdings in einer derart anderen Liga abspielt als man von dem gewohnt ist, was auf dieser Seite rezensiert wird, spare ich mir eine Bewertung an dieser Stelle.

Keine Wertung

Publiziert am von Marius Mutz

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