Review King Crimson – Larks’ Tongues In Aspic

Auf „Larks’ Tonges In Aspic“ wurde das in den 70ern dominierende KING-CRIMSON-Line-Up aus Wetton, Fripp, Bruford und Cross durch den Percussionist Jamie Muir ergänzt, der sich nach den Aufnahmen auch bald wieder abseilte und so dafür sorgte, dass die Besetzung des Albums einzigartig blieb. Was er hinterließ, war ein zentraler Beitrag zu einem ebenso einzigartigen Album. Doch wie meistens bei KING CRIMSON ergab nur der starke individuelle Ausdruck eines jeden einzelnen Musikers und deren Zusammenspiel das Produkt, das es dann wert ist, unter dem Banner KING CRIMSONs veröffentlicht zu werden. In diesem Fall entstand aus diesem Zusammenwirken das kälteste, verfremdetste und auf der anderen Seite wärmste, insgesamt auf jeden Fall eines der kontrastreichsten Alben der Bandgeschichte.

Wie Kälte und Emotionsleere wirkungsvoll in Musik umgesetzt wird, legt bereits der 13-minütigen Opener „Larks’ Tonges In Aspic, Part One“ offen: Geschäftige, undurchschaubare aber wohltönend entspannte Percussion eröffnet. Knapp eine Minute dauert es, da schält sich subtil eine Geige, eine monotone, introvertierte Melodie spielend, aus dem Sound und verschwindet wieder in diesem. Die Percussion wächst sich aus. Wieder die Geige, diesmal schneller, die sich, von Akkorden der Gitarre begleitet in immer höhere Tonsphären steigert, bis sie endlich von donnerndem Schlagzeug und wuchtigen Gitarren abgelöst werden. Diese sind derart verzerrt, dass vom warmen, erdigen Klang, der dieses Instrument normalerweise auszeichnet, wenig bleibt. Ähnliches gilt für die Geige, die, wenn auch nicht verzerrt, doch in hohem Maße unmelodisch zu Werke geht . Auch die Rhythmus-Komponente ist durch die Kombination aus vertracktem Schlagzeug und höllisch schneller und variabler Percussion nicht gerade ein Anker im sterilen, grotesken Sound.

Dass man überhaupt einen Moment findet, zu dem man nicht aus den Schuhen gehoben wird, ist nur John Wetton zu verdanken, der sich mit extrem groovendem, pumpendem Bassspiel in den Sound einfügt und dem Song eine kraftvolle, rockige Komponente verleiht. Verschnaufpausen gibt es im ersten „Larks’ Tongues In Aspic“-Teil in Form von langsameren, Geigen-beherrschten Parts zwar auch mal, allerdings erlauben diese durch die weiterhin fremde Atmosphäre auch nicht gerade eine nähere Kontaktaufnahme zum Sound. Diese ermöglicht erst „Book Of Saturday“, die einzige reine Ballade des Albums: Ruhige, akustische Gitarren, weinerliche Geige und endlich Wettons markanter, heiserer Gesang. Auch das verträumte „Exiles“ wird primär von bittersüßen Geigen-Melodien und wieder Wettons Gesang getragen – dass die stimmliche Bandbreite des Frontmans zu wünschen ist, spielt dabei angesichts des unverwechselbaren Charmes der Performance keine Rolle.

Während „Book Of Saturday“ und „Exiles“ nach dem krachenden Opener Ruhepole bilden, leitet „Easy Money“, die dritte und letzte Nummer mit Gesang, durch sägende, dabei unbarmherzig groovende Gitarren und wieder deutlich präsentere Percussion bereits zurück zum Beginn der Platte. „The Talking Drum“ besteht dann eigentlich nur aus einem einzigen Bassriff, der den Song über stoisch wiederholt und dabei nur geringfügig variiert wird und damit Violine und Gitarre Platz lässt einen unverkennbar bedrohlichen Sound zu kreieren, der durch kontinuierliche Steigerung immer drängender wird. “Larks’ Tongues In Aspic Part Two“ schlägt dann wieder in die Kerbe des Openers und weist mit hardrockigen (aber rhythmisch verqueren) Riffs musikalisch schon Wege zu den nächsten Alben, während die Geige und die wiederum äußerst bizarre Percussion aber nach wie vor eine unverkennbaren Charakter schaffen.

„Larks’ Tongues In Aspic“ deckt durch seinen Mix aus Wohlfühl-Momenten (die erstaunlich konventionell für diese Band ausfallen) und heftigen, an den Nerven zerrenden Klanggewittern ein riesiges Spektrum ab und funktioniert trotz dieser starken Kontraste. Viele der Song sind auf der „The Nightwatch“-Live-CD trotz des Fehlens von Muirs Percussion noch einmal konsequenter als auf dem Album dargeboten – gerade die ruhigeren Songs gewinnen durch den Live-Charakter der Vocals noch einmal deutlich an Charakter, während die extremeren Nummern durch Improvisationen bereichert werden. „Larks‘ Tongues In Aspic“ bleibt ob der geschlossenen Atmosphäre und der überzeugenden Konzeption in seiner Gesamtheit aber dennoch eine zentrale Platte der 70er KING CRIMSON.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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