Review Oliva – Raise The Curtain

  • Label: AFM
  • Veröffentlicht: 2013
  • Spielart: Hard Rock

Zumindest für mich war das eine Überraschung: JON OLIVA genehmigt sich ein Soloalbum mit dem Titel „Raise The Curtain“. Man braucht den Mann wohl kaum jemandem vorstellen, aber sicherheitshalber für alle, die einen signifikanten Teil der letzten 30 Jahre Musikgeschichte verpasst haben: Der Mann mit dem Spitznamen „The Mountain King“ ist niemand anderes als der legendäre erste Sänger von Savatage, Kopf hinter Jon Oliva’s Pain und Songwriter beim kommerziell erfolgreichen Trans-Siberian Orchestra. Zahlreiche Gastauftritte bei anderen Bands (z. B. Avantasia, Kamelot, Elvenking) sollten seinen Bekanntheitsgrad zumindest „vom Hören her“ auch darüber hinaus gesteigert haben.

Dass es für die kompromisslose Verwirklichung seiner Songideen ein Soloalbum braucht, zeigt nicht zuletzt, dass Jon Oliva’s Pain ein solches eben nicht ist. Und so wird jeder, der einen Überblick über JON OLIVAs Karriere hat, schnell feststellen, dass er auf „Raise The Curtain“ eine ganz andere musikalische Facette zeigt. Denn keineswegs gibt es hier Power Metal mit symphonischen Anleihen, sondern ein buntes Potpourri aus seinem bisherigen Schaffen, gemischt mit einer kräftigen Dosis vom Progressive Rock der 70er Jahre. Und das klingt einfach klasse!

Gerade der Progressive Rock hat es dem voluminösen Mann angetan. Dies zeigt bereits der Opener, der über fünf Minuten lang Gitarreneskapaden und Hammondorgel-Töne mit einer einzigen Textzeile kombiniert, die zugleich der Songtitel „Raise The Curtain“ ist. Stellt dies gewissermaßen eine logische Einleitung dar, ist es doch für einen Hörer, der nicht an instrumentale Bands gewohnt ist, eine nicht zu unterschätzende Belastungsprobe. Glücklicherweise macht das darauf folgende „Soul Chaser“ keine Gefangenen und gibt die Richtung von „Raise The Curtain“ vor: Es darf durchaus eingängig werden.

Im Einzelnen zeigen die Lieder eine erstaunliche Vielfalt, die den Rahmen sonstiger Veröffentlichungen von JON OLIVA sprengt. Auf „Ten Years“ erwarten uns überraschende Blechblastöne sowie ein fast tanzbarer Rhythmus, der auch „Father Time“ auszeichnet. Beide Songs sind Ohrwürmer erster Güte. Die Hammondorgel kehrt dabei und danach noch häufiger wieder, am prominentesten vermutlich im Refrain von „Big Brother“. „Armageddon“ hingegen erinnert mit seinen zahlreichen Samples und seiner Opulenz vielleicht am meisten von allen Titeln an Jon Oliva’s Pain – sicher nicht jedermanns Sache, aber für Fans großes Kino. Etwas schräg schiebt sich „Stalker“ in das Album, auf dem JON OLIVA noch einmal seine (zumindest im Studio) vielfältige Stimme austobt.

Ein besonderes Lob aber verdienen die Balladen, besonders das großartige „I Know“ – was für ein Track! In diesem gefühlvollen, langen und doch nie langweiligen Song zeigt sich, welche Erfahrung JON OLIVA im Schreiben solcher Lieder gesammelt hat. Gegen dieses Meisterstück fällt der Rest der ruhigeren Songs („Soldier“ sowie die Halbballade „Can’t Get Away“) zwar zwangsläufig etwas ab, spielt aber immer noch in der Oberklasse der Metal-Balladen.

So, genug geschwärmt. Wer irgendeines der Projekte von JON OLIVA mag oder einen Faible für abwechslungsreiche Alben und – wichtig – keine Hammondorgel-Allergie hat, sollte sich „Raise The Curtain“ anschauen. Es lohnt sich!

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

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