Review Orphaned Land – All Is One

Wie, jetzt schon? „All is One“? Beim letzten, 2010 erschienenen Album „The Never Ending Way Of ORwarriOR“ ließ die Band im Vorfeld noch verlauten, dass sie nicht zu jenen Gruppen zählt, die alle zwei Jahre ein Album raus hauen. So komplexe Musik braucht eben ihre Zeit. Deshalb die sechs langen Jahre zwischen „Mabool“ und dem Krieger. Nun das: Nach nur drei Jahren ein neues Album von ORPHANED LAND.

Nachdem „The Neverending Way Of ORwarriOR“, was der Titel schon dezent andeutet, ziemlich zerprogt war, hat die Band das einzig Richtige gemacht: Die Songs auf „All Is One“ sind kompakter, fast durchweg eingängiger und direkter. Der Radikalkur sind aber auch die Growls und die komplexeren Songstrukturen zum Opfer gefallen. Ausverkauf? Drei für eins? Der Kontrast zu den beiden Vorgängern fällt teilweise extrem aus. Die progressiven Elemente sind nach wie vor vorhanden, genauso wie die bandtypischen Trademarks: Chöre, Streicher, Piano, türkisch-orientalisch angehauchte Zwischenstücke, arabische und hebräische Lyrics. Etwas pflichtschuldig werden diese aber brav eines nach dem anderen in die Songs eingebaut. Das führt dazu, dass es nun einen Song mit Chor, einen Song auf hebräisch und einen mit Gitarrensolo gibt. Was ja an sich noch kein Problem wäre, hätte die Band nicht zwei Alben vorher bewiesen, dass sie auch wesentlich eleganteres Songwriting beherrscht. Einerseits ist „All Is One“ also ein Aufatmen nach dem anstrengenden Weg des „ORwarriOR“, aber nach dem noch immer perfekten Zusammenspiel von Metal und Prog, Metalzitaten und religiösen Anspielungen auf „Mabool“, dem Album, das nebenbei auch das Genre des sogenannten „Oriental Metal“ definierte, ist „All Is One“ etwas sehr flach ausgefallen.

Ein Verdienst dieser Band, die gerüchteweise auch kurz für den Friedensnobelpreis im Gespräch war, ist ihre Vermittlungsrolle im Nahen Osten. Nach wie vor kann wohl keine zweite israelische Musikgruppe von sich behaupten, auch in der arabischen Welt eine derart große Fangemeinde zu haben wie ORPHANED LAND, geschweige denn, auch in der Türkei und anderen muslimischen Ländern regelmäßig Konzerte zu geben. Die Verständigung zwischen den Religionen und den Kulturen war seit den ersten Alben „Sahara“ und „El Norra Alila“ nicht nur Anliegen, sondern auch inhaltliches Thema der Band. Die neue Eingängigkeit sei also auch dem Versuch geschuldet, die bisher sehr erfolgreiche Vermittlung der Band zwischen jüdischen, arabischen, christlichen und atheistischen Fans weiter voranzutreiben. Die Band muss aber Acht geben, dass sie mit der auf diesem Album schon teilweise arg verflachten Botschaft nicht an Glaubwürdigkeit einbüßt: „Who cares if you’re a Muslim or a Jew?“, heißt es im Titelsong. Das ist ja eine edle Botschaft, allerdings ist die Sachlage in Israel und den umliegenden Ländern wohl doch etwas komplexer, als es die Band hier neuerdings suggeriert. Die Sintflutgeschichte des Konzeptalbums „Mabool“, die geschickt christliche, muslimische und jüdische Mythologie mit IRON-MAIDEN-Zitaten (die ihrerseits selbst größtenteils aus den selben Mythen stammen) verquickte, war da nicht nur wesentlich origineller, sondern auch dem Spannungsfeld, in dem sich die Band bewegt, angemessener und, musikalisch wie inhaltlich, schlicht überzeugender.

„All Is One“ ist so ein musikalisch mehr als solider Vertreter des Genres geworden, das diese Band nicht weniger als ins Leben gerufen hat: Allerdings müssen ORPHANED LAND, wie gesagt, aufpassen, dass sie ihre hochpolitische und damit sogar weit über die Musik hinaus wichtige Position nicht zu sehr verkitschen, zu verflachen und damit letztlich ihre Street-Credibility einbüsen. Im Falle von ORPHANED LAND wäre das fatal. Die Band hat sich über die Jahre selbst in eine sehr schwierige und komplizierte Situation gebracht. Es wäre schade wäre um eine Gruppe, die sich an komplexe und brisante Themen wagt, um diese inhaltlich wie musikalisch angemessen und innovativ aufzuarbeiten, wenn sie nun daran scheitern sollte.

Wertung: 7 / 10

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2 Kommentare zu “Orphaned Land – All Is One

  1. Mir wird das ganze Konzept langsam zu Holzhammer-Positiv… Ich hab ja nichts gegen eine positive Message bei Musik, aber das hier ist mir fast too much :D

  2. Ich muss ja sagen, dass mir „The Never Ending Way“ seinerzeit kaum mehr gefallen hat, da finde ich den direkteren Ansatz, auch ohne Growls, sogar verheißungsvoll. Ich fand das melodische Element an Orphaned Land immer wichtiger als das metallisch-rhythmische. Die musikalische Verflachung finde ich (auch deshalb) nicht so problematisch, viel eher doch die inhaltliche, das Cover und der Albumtitel sehen mir schon ein wenig nach Holzhammer aus.

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