Interview mit Nash Rothanburg & Andreas Paulsen von Byrdi

Read the English version

Archaischer Folk erfreut sich schon seit einiger Zeit wieder großer Beliebtheit. Bands wie Wardruna und Heilung haben einen regelrechten Hype ausgelöst, Myrkur hat für ihr Akustik-Album „Folkesange“ exzellente Kritiken erhalten und auch BYRDI zeigen mit ihrer neuen Platte „Byrjing“, wie berührend alte Musik auch heute noch klingen kann. Im folgenden Interview erklären Nash Rothanburg und Andreas Paulsen, warum Chorgesang ein essentieller Teil ihres Ausdrucks ist, weshalb sie Persönliches gerne in Form von mythologischen Archetypen verarbeiten und welcher weitverbreitete Irrtum über den nordischen Glauben sich anhand ihres neuen Albums aufklären lässt.

Wie läuft es bei euch momentan? Wie gut könnt ihr euch mit der nach wie vor wegen der Pandemie angespannten Lage arrangieren?
Andreas: Es wird langsam ziemlich anstrengend, von allen getrennt zu sein, auch wenn ich verstehe, dass es vielen Menschen im Königreich schlechter geht als mir. Ich habe das Glück, von zu Hause aus arbeiten zu können und meine Tochter in den Kindergarten bringen zu können, sodass ich meine Arbeit erledigen kann und sie mit anderen Kindern in Kontakt kommt.
Nash: Diese „Sache“, die in diesen Tagen auf der Welt vor sich geht, hat mich oder meine Familie in keiner nennenswerten Weise betroffen. Ich überlasse den Wahnsinn und die erzwungene Massenhysterie den Leuten, die in städtischen Gebieten leben.

Ihr spielt eine archaisch anmutende Form von Folk. Wie hat sich eure Vorliebe für diese spezielle Musikrichtung entwickelt?
Andreas: Wir haben beide schon Folk Metal gehört, bevor wir uns vor 20 Jahren kennengelernt haben, Bands wie Vintersorg, Thyrfing, Åsmegin, Enslaved und solche Sachen. Wir sind beide riesige Blind Guardian-Fans, auch wenn wir heutzutage nicht mehr viel Zeit damit verbringen, ihre Musik zu hören, und als junge Männer waren wir sehr inspiriert von Tolkiens literarischem Universum und dem verlockenden Sog der nordischen Mythen.
Obwohl ich also nicht an der ersten BYRDI-LP „Eventyr“ beteiligt war, spielten Nash und ich zusammen in einer Folk-Metal-Band, bevor BYRDI gegründet wurde. Wir haben also schon vor BYRDI Folk-Musik gemacht, aber keine ganzen Alben. Aber als wir anfingen, die Musik für „Ansur:Urkraft“ zu machen, ging es darum, die Musik auf den Punkt zu bringen, nicht zu kompliziert, und was wir zu diesem Zeitpunkt fühlten, war Musik, die unser spirituelles, tiefes Eintauchen in unser nordisches Erbe begleitet.

Hört ihr auch gern andere Arten von Musik, die man angesichts der Ausrichtung von BYRDI vielleicht nicht vermuten würde?
Andreas: Ich spiele Bassgitarre in der Black-Metal-Band Endezzma, was vielleicht nicht so überraschend ist, aber musikalisch ist das ganz anders als BYRDI. Wenn es darum geht, Musik zu hören, bei mir läuft momentan David Bowie, Renaissance, Genesis und 35Tapes. Und Opeth, natürlich. Ich habe eine Tochter, die bald zwei Jahre alt ist, also spielen wir bei uns zu Hause viel klassische Musik wie Mozart, Holst und Mahler, Film-Soundtracks wie „The Sound Of Music“ und härteres Zeug wie Type O Negative und andere Elektro/Goth-Sachen. Sie steht sehr auf Thorbjørn Egner, also viel davon, natürlich.
Nash: Ich bin ein wenig vom Musikhören abgedriftet. Früher war ich das, was man einen Metalhead nennen könnte, aber in den letzten Jahren habe ich mich in einer ruhigeren Klanglandschaft wiedergefunden. Ich bevorzuge alte progressive Bands aus den 70ern wie Genesis, Camel und andere verschiedene Acts aus diesem Bereich. Ich habe auch eine Vorliebe für norwegische progressive Projekte wie Wobbler, Caligonaut und Jordsjø. Andere einheimische Bands und Künstler, denen ich gerne meine tinnitusgeplagten Ohren leihe, sind Aurora, Girl In Red und Odd Nordstoga.

In eurer Musik spielen hymnische Chorgesänge eine große Rolle. Was begeistert euch gerade an diesem Stilmittel so sehr, dass ihr es zu einem Grundpfeiler eures Stils gemacht habt?
Andreas: Ich habe schon als Kind in einem Kirchenchor gesungen und habe Chormusik schon immer geliebt. Als ich etwa sieben Jahre alt war, sah ich den schwedischen Film „Ronja Røvardotter“, der fantastische, meist a capella gesungene, mehrstimmige Vokalmusik enthält, und bis heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich sie höre und singe. Ich war zutiefst beeindruckt von der ehrfurchtgebietenden Emotion, die diese rauen Bestien von Männern mit ihrem Gesang zu vermitteln wussten.
In der High School oder Oberschule – oder wie auch immer man es nennen mag – hatte ich drei Jahre Musikunterricht und ein großer Teil davon war mit Chormusik verbunden. Mein Hauptinstrument war der Gesang, da ich dachte, ich könnte mir die Gitarre selbst beibringen. Meine Lehrer Ivar und Øystein waren große Inspirationen und sie brachten mir Mozart, ABBA, norwegische Volksmusik und Barbershop nahe. Wir sangen Mozarts Requiem mit 150 Leuten im Chor und vielleicht 15-20 Streichern und anderen Instrumenten. Das war die tiefsinnigste und profundeste musikalische Erfahrung meines Lebens und ich vermute, das wird wohl mein Leben lang so bleiben. Ivar ist leider verstorben, aber ich versuche immer noch, ihn jedes Mal zu beeindrucken, wenn ich mit den Vocals in BYRDI arbeite. So arbeiten die geehrten Toten direkt durch BYRDI mit unserer größten Liebe und unserem größten Respekt.
Um also deine Frage zu beantworten – es ist eine Kombination aus den Melodien, die zu den Texten passen, und der klanglichen Herangehensweise an unseren Sound, die wir als inspirierend empfinden, um damit musikalisch zu arbeiten. Sowohl gesangstechnisch, aber auch, wenn wir Neuland zu beackern haben. In der Band benutzen wir eher den Begriff polyphon als den Begriff Chor, auch wenn unsere Tonalität in der klassischen westlichen Musiktheorie verwurzelt ist, brechen wir immer wieder die Regeln der Komposition und müssen das auch tun, um musikalisch sozusagen ins Schwarze zu treffen.

Eure Lieder sind sehr ruhig und fast schon minimalistisch arrangiert. Wie schwierig ist es, mit so bescheidenen Mitteln zu arbeiten und zugleich dafür zu sorgen, dass die Songs dennoch nicht langweilig werden?
Andreas: Ich denke, dass wir mit einer Art von Musik arbeiten, die für diejenigen, die nicht danach suchen, vielleicht ein bisschen langweilig ist, und das ist in Ordnung. Wir versuchen, den Hörer im Auge zu behalten, aber wirklich viel Energie stecken wir nicht in diesen Aspekt des Prozesses. Es geht hauptsächlich darum, dass es uns gefällt, und wenn wir zufrieden sind, werden hoffentlich auch diejenigen, die diese Art von Musik mögen, einen guten Vibe davon bekommen.
Nash: Ich würde das Wort schwierig nicht verwenden, für mich ist das etwas Negatives, und BYRDI erlaubt keine Negativität innerhalb seiner Grenzen. Wir machen Musik auf diese Weise, weil wir uns so ausdrücken, wenn wir uns in einem kreativen Prozess befinden. Wir haben uns nicht vorgenommen, einen musikalischen Blickwinkel zu finden, mit dem wir arbeiten müssen, um kreativ sein zu können. Die Kreativität kommt ganz natürlich von innen, ohne große Schwierigkeiten.
Ich liebe es, mit so wenigen Werkzeugen wie möglich zu arbeiten, da ich gerne sehe, was wir erschaffen können. Manche Bands benutzen elektrische Gitarren, Schlagzeug und Bass, andere verwenden Blechblasinstrumente und wieder andere setzen Software ein. BYRDI verwendet Akustikgitarren, Handtrommeln, Maultrommeln und so weiter. Die Bescheidenheit liegt im Auge des Betrachters, denn wir haben das nie als bescheidene Art und Weise betrachtet, etwas zu schaffen.

Ob man Musik als spannend oder ermüdend wahrnimmt, ist freilich subjektiv. Was muss ein Song mitbringen, um euch zu begeistern?
Andreas: Das ist vergleichbar mit Stand-Up-Comedy, denke ich. Wenn etwas so überzeugend ist, dass es einen definierten Charakter oder eine Identität gibt, die es von anderen Dingen abhebt, einen einzigartigen Ansatz hat und einige Überraschungen mit sich bringt, würde ich sagen, dass das für mich das Wichtigste ist. Es hängt also von meiner Stimmung ab. An manchen Tagen ist die Produktion wichtig, an anderen nicht. Aber es muss Emotionen hervorrufen.
Nash: Subjektiv gesehen muss ein Song mir eine bestimmte Atmosphäre und Energie geben, um ein guter Song zu sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Mainstream-Pop, Klassik, Folk oder was auch immer ist. Solange er mich berührt, finde ich ihn spannend.

Ich vermute, es ist nicht leicht, mit unaufdringlicher Musik wie eurer die Bekanntheit von Bands wie Wardruna oder Heilung zu erreichen. Stört es euch, dass ihr womöglich längerfristig nur ein Nischenpublikum erreichen werdet?
Andreas: Wir sind sehr aufgeregt und glücklich darüber, dass Menschen, die mit unserer Musik in Berührung kommen, etwas Persönliches durch diese Begegnung gewinnen können. Das Ziel von BYRDI ist es, als Musiker zu wachsen und gleichzeitig gute Erfahrungen und Erinnerungen für schwere Zeiten zu schaffen. Dass wir gemeinsam Kunst machen und das Gefühl haben, dass wir uns bei jeder neuen Runde, die wir gehen, besser darauf verstehen, diesen Drang zu vermitteln. Unser natürlicher Modus Operandi ist nicht, dass wir Musik machen, damit die Leute sie mögen, sondern dass wir Musik machen, die wir selbst mögen. Aber am Ende des Tages bin ich ein Musikfan und ich schätze es sehr, dass andere Leute unsere Musik mögen.
Nash: Bei BYRDI ging es nie darum, berühmt oder bekannt zu werden. Wenn es darum gegangen wäre, wären wir uns wohl alle einig, dass wir mit Pop oder Rock besser dran wären, meinst du nicht? Wir alle wussten von Anfang an, dass BYRDI für uns und unsere persönliche Entwicklung und Erinnerungen ist. Aber ich bin total begeistert, dass die Leute auf der ganzen Welt BYRDI zu mögen scheinen. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Urtümlicher Folk spricht seit einiger Zeit viele Menschen an. Viele dieser Fans scheinen einen Wunsch nach Ursprünglichkeit zu hegen. Wie kann man eurer Meinung nach mehr im Einklang mit der Natur leben, ohne in den Eskapismus abzudriften?
Andreas: Das ist etwas, worüber ich viel nachdenke, und es würde wahrscheinlich einen Abend dauern, das Thema auch nur anzukratzen. Nash und ich haben in den letzten zehn Jahren darüber gesprochen. Ich denke, dass es vielen jungen Menschen auf der ganzen Welt an einer direkten Verbindung zu einer übergreifenden spirituellen Erzählung fehlt, oder anders ausgedrückt – es fehlt ihnen an Wissen über die Geschichte und Kultur ihres Landes oder ihrer Umgebung. Vielleicht auch an einer Verbindung zur Natur, die ihre eigentliche Umgebung ist – wenn es überhaupt noch etwas davon gibt. Das schafft eine riesige Leere und ist sehr schwer zu beheben, weil es so eng mit den Bausteinen der Identität zusammenhängt, und es braucht viel Zeit, Hingabe, Disziplin und den Willen zu akzeptieren, dass man über eine ganze Menge Dinge überraschend falsch liegen kann, wenn man versucht, seine Verbindung zur Natur neu zu lernen. Die Natur ist so vieles, es ist schwer zu begreifen, wovon wir ein Teil sind und was passiert, wenn wir von der Verbindung zur Natur abgeschnitten sind.
Normalerweise würden wir nicht auf politische Themen eingehen, aber dieses Mal machen wir eine Ausnahme, wegen der Schwere der Situation, in der wir uns befinden: Nietzsche prophezeite das Chaos, das über uns hereinbrechen würde, wenn wir den christlichen Gott töten, und dass es keine Möglichkeit gäbe, all das Blut wegzuwaschen, das in der Folge vergossen werden würde. Kommunismus, Nazismus und Faschismus haben die menschliche Rasse durch den Fleischwolf gedreht, und heute sehen wir, wie die „Woke“-Krankheit die Universitäten, die Politik und jetzt auch die Unternehmen wie eine unterdrückende ideologische Geisteskrankheit auffrisst. Cancel-Culture und die tollwütigen Anschuldigungen, dass jeder, der sich den ständig wechselnden Forderungen der absoluten Minderheiten, die mit diesem absoluten Dreck hausieren gehen, nicht beugt, als Teufel der Unterdrückung abgestempelt wird. Das klingt sehr danach, als würde sich die Geschichte wiederholen. Meine Hypothese ist, dass diese wahnsinnigen Unterströmungen letztlich aus einer Abkopplung von der Natur und in der Folge als Überkorrektur aus einer Quelle der Postmoderne stammen und durch ein Prisma der verlorenen kulturellen Identität bewaffnet werden. Dies ist keine pro-christliche Haltung, aber historisch gesehen hat sich das Christentum den Kulturen, mit denen es in Europa in Kontakt kam, übergestülpt und sie mehr oder weniger usurpiert. Wenn also heute die meisten Menschen überwiegend Atheisten sind oder sich selbst als leicht agnostisch bezeichnen – da gibt es eine große Leere des spirituellen und kulturellen Selbstbewusstseins und unsere heidnische kulturelle Vergangenheit ist nicht nur mit der Natur verbunden – sie ist von der Natur selbst diktiert. Auf jeder Ebene. Daher denke ich, dass es aus norwegischer oder europäischer Sicht nur natürlich ist, dass das, was seit Tausenden von Jahren in der Vergangenheit unsere natürliche Lebensweise war, in unseren Genen sitzt und unsere Vorfahren durch unser eigenes Wesen wirken. Wenn man sich zu sehr von dem entfernt, was uns vertraut ist, muss man mit Konsequenzen rechnen. Kümmere dich um deine Umgebung und hinterlasse sie in einem besseren Zustand, als du sie selbst geerbt hast.
Mein Tipp: Leg routinemäßig dein verdammtes Smartphone weg, log dich aus dem Internet aus, lies nicht jeden Tag die Nachrichten, lies zehn Klassiker pro Jahr, erforsche deine Familiengeschichte, plane Wanderungen mit Freunden oder Familie – und lies Bücher über Geschichte, Religion, Mythologien, Kunst, Biologie, Musik und all die fantastischen Dinge, die es da draußen gibt, an denen wir uns erfreuen können. All diese Weisheit! Und versuche gleichzeitig, dich über alles zu freuen, was in deinem Leben gut ist. Denn es ist bald zu Ende und wird sich nie wiederholen.
Gehe hinaus in die Natur und spüre den Wind auf deiner Haut, das Salz des Meeres, den Fels unter deinen Füßen und suche die Schönheit der Natur dort, wo du lebst. Oder in Reiseentfernung zu deinem Wohnort. Die Suche nach einer heidnischen Verbindung zur Natur ist in uns, aber wir müssen die Natur tatsächlich aufsuchen, um den Geruch, den Geschmack, die Berührung und den animistischen Zugang zu dem, was Natur ist, zu erleben. Bringe das Opfer.
Nash: Was Andreas gesagt hat! Die Menschheit ist aus den Fugen geraten und ich persönlich entscheide mich dafür, mich so weit wie möglich von den verrückten Linken und den Spinnern auf der rechten Seite fernzuhalten. Jede Seite schreit nach Entwicklung, Freiheit und Wohlstand, aber nichts scheint zu passieren. Sie bewerfen sich gegenseitig mit Anschuldigungen, anstatt zu versuchen, Frieden zu finden.
Also, lege dein Telefon weg, halte dich von der westlichen und östlichen Mainstream-Nachrichten-Propaganda fern und suche nach Abenteuern, die etwas anderes als medieninduzierte Angst vermitteln können. Durchstreife die Natur und komme wieder in Kontakt mit ihr. Die Menschheit hat eines ihrer wichtigsten Güter verloren, indem sie Betonstädte um sich herum gebaut hat. Wir sind ein Teil der Natur, nein, eigentlich haben wir eine Symbiose mit ihr. Irgendwann dachte jemand, wir stünden über allem und jedem, aber für mich, der ich das lächerliche Verhalten um mich herum sehe, ist es offensichtlich, dass wir, indem wir uns selbst entfernen, auch uns selbst und die wahre Magie, die in uns lebt, und unsere Symbiose mit der Natur zerstören.

Den Opener „Solsnu“ eures neuen Albums „Byrjing“ habt ihr bereits 2018 veröffentlicht, das Album ist nun erst drei Jahre später erschienen. Was hat sich in dieser Zeit bei euch getan?
Andreas: Wir hatten einen großen Streit mit dem Typen, der das Album mischen sollte, und das führte zu einem schnellen Mixing und Mastering für den Song in Verbindung mit einem Konzert, das wir am Tag von „Solsnu“ im Jahr 2018 hatten. In der Zwischenzeit wurden Kinder geboren, Arbeitsbelastung und Verantwortung nahmen zu, Ausbildung, Familie und andere Verpflichtungen hatten Vorrang. Schließlich steckte Mattis „Malphas“ Elvestuen seine geballte Zeit und Energie in den Mix und das Mastering, und wir konnten endlich unsere vertraglichen Verpflichtungen gegenüber unserem Label Trollmusic erfüllen und die Platte veröffentlichen.
Nash: Das Leben hat sich weiterentwickelt. Ich bin gerade dabei, meinen Abschluss an der Universität zu machen, neben dem ganz normalen Familienleben, bei dem man Zeit investieren muss, um alles im Gleichgewicht zu halten. Davon abgesehen schätze ich, dass wir noch mindestens zwei weitere Alben haben, was bedeutet, dass wir mit der Musik noch nicht abgeschlossen haben.

Der Song soll bereits über eine Million Mal gestreamt worden sein – eine ziemlich beeindruckende Zahl für eine Underground-Band. Wie erklärt ihr euch die Bekanntheit dieses Songs?
Nash: Ich habe keine Ahnung. Ich denke, diese Frage muss an alle Leute gerichtet werden, die den Song hören, meinst du nicht? Ich mag ihn wegen bestimmter Elemente, aber andere mögen ihn vielleicht aus anderen Gründen. Eines ist sicher: Nie in meinen kühnsten Träumen hätte ich erwartet, dass der Song wie derzeit 1,3 Millionen Streams auf Spotify haben würde. Ich möchte jedem einzelnen Streamer von ganzem Herzen ein riesiges Dankeschön aussprechen.

Euer zweites Album „Ansur:Urkraft“ habt ihr an verschiedenen Naturschauplätzen wie Wäldern und Gebirgen aufgenommen. Wie seid ihr demgegenüber an die Aufnahme von „Byrjing“ herangegangen?
Andreas: Nicht ganz anders. „Ansur“ haben wir selbst aufgenommen, sowohl in meiner Hütte in Hallingdal als auch in der Hütte meiner Mutter in den Bergen von Valdres, aber bei „Byrjing“ haben wir einen Techniker mitgebracht, der uns sowohl beim Aufbau der Mikrofone und bei den Aufnahmen als auch beim Abmischen der Platte half. Wir haben das Album in der Hütte meiner Mutter in Valdres aufgenommen und der Chor auf „Solsnu“ wurde in einer kleinen ländlichen Kirche in Landåsbygda aufgenommen.
Der Hauptunterschied ist also, dass wir ein professionelleres Setup mit Mikrofonen und dem Aufnahmeprozess hatten – weniger Alkohol und Feuerrituale und mehr Effizienz. Wir haben auch einige Overdubs und die Aufnahme von Giulias Harfe in einem Studio in Oslo gemacht.

Auf „Byrjing“ zieht ihr Ragnarök, den Weltuntergang in der nordischen Mythologie, als Beginn für etwas Neues heran. Was kommt laut euren Songs nach diesem vermeintlich endgültigen Ereignis?
Nash: Ragnarök war nie das Ende. Das ist ein weit verbreitetes Missverständnis, denn im nordischen Pantheon ging es schon immer darum, die Dinge im Kreis zu sehen. Wenn du die letzten paar Strophen in der „Voluspa“ gelesen hättest, dann hättest du verstanden, dass nach Ragnarök eine neue, grüne und üppige Erde entsteht, und dass das, was einmal war, von denen, die überlebt haben, in Erinnerung behalten werden soll. Diesen Teil rezitieren wir tatsächlich in „Solsnu“. Wenn wir sterben, machen wir Platz für etwas Neues, Stärkeres und Besseres, und es ist ein nie endender Kreis, richtig? Du kannst diesen Kreislauf des Lebens in jedem Aspekt und jeder Ecke des Universums finden. Ragnarök ist also das Ende des Alten, aber die Geburt von etwas Neuem und Frischem, und das ist der Grund, warum das Album mit „Solsnu“ eröffnet wird.
„Byrjing“ ist eine Reise von einem Seinszustand zum anderen. Es ist tief in einem persönlichen Übergangsritus verwurzelt, aber das Thema, die Gefühle und Gedanken sind universell. Mit anderen Worten, es ist aus meiner Perspektive geschrieben, aber diese Themen berühren uns alle an irgendeinem Punkt im Leben. Das Album handelt nicht vom Verlust und der Hilflosigkeit, sondern eher vom Weg zurück, wieder jemand zu sein, die Wiedergeburt meines Ichs. So ist das letzte Lied und der Titelsong auch der Beginn dieses neuen Augenpaars, das ich in dieser Zeit der Veränderung gewonnen habe.

Die Beschreibung des Konzepts der Platte, die ihr in den sozialen Medien geteilt habt, liest sich eben nicht wie eine wortwörtliche Fortsetzung der Mythologie, sondern wie ein Sinnbild für persönliche Erfahrungen mit Verlust, Zerstörung und Erneuerung. Was reizt euch daran, solche Themen in Form von mythologischen Archetypen zu ergründen?
Andreas: Die Mythen sind sehr stark, weil sie Weisheiten aus einer Zeit vor Strom und Öl vermitteln. Harte Zeiten. Als die Natur jeden Tag versuchte, dich zu töten, und unsere Kultur nordisch war. Es sind überlebende kulturelle Artefakte aus einer Zeit, in der mündliche Überlieferung die Norm war, und die Bilder stammen aus einer Zeit, bevor christliche Werte unsere Küsten erreichten.
Für mich ist es eine Möglichkeit zu lernen, auf eine neue Art und Weise zu denken, in der die Geschichten und die Werte, die von den verschiedenen Charakteren repräsentiert werden, mehrdeutig und nicht sofort offensichtlich sind. Es braucht Zeit, sie kennenzulernen, da ihre symbolischen Werte vielschichtig und von solcher Komplexität sind, dass jedes Mal, wenn ich denke, dass ich eine gewisse Weisheit erlangt habe, es in der Regel sehr bald darauf kompliziert wird. (lacht) Es wird wahrscheinlich ein lebenslanges Studium erfordern.
Aber wie bei den griechischen Mythen sind auch in den nordischen Mythen einige verschlüsselte Botschaften eingebaut und sie sind die destillierte Weisheit vieler Denker und Geschichtenerzähler der Vergangenheit, und um den Verstand mit diesen Geschichten zu beschäftigen, gehen wir in das Unbekannte im Inneren. Die Archetypen und Charaktere sind ein Fenster in eine erzählende Vergangenheit und flüstern noch immer die Weisheit der alten Welt.

An dem Album waren auch einige namhafte Gastmusiker*innen beteiligt. In welchem Ausmaß haben sie auf die Songs Einfluss genommen – haben sie schlicht ihre vorgegebenen Parts gespielt oder euch darüber hinaus noch kreativen Input gegeben?
Nash: Die Mitwirkenden, mit Ausnahme von Mathias Gyllengahm, hatten keinen Einfluss auf die Gesamtkreativität der Songs, aber sie hatten alle die Erlaubnis, innerhalb des Rahmens, den wir ihnen gaben, kreativ zu sein. Mit anderen Worten: Wir haben diese feinen Musiker gebeten, mit ihrer Erfahrung dazu beizutragen, das bereits Geschaffene zu verbessern. Das Schlagzeug und die Perkussion waren bereits vorhanden, auf einer grundlegenden Ebene, aber Kjell Braaten wurde die Freiheit gegeben, das zu tun, was er für den Song als gut empfand. Trygve Ramnefjell und seine Flöten sind wahrscheinlich die Teile, die von ihm erdacht und entwickelt wurden, wenn ich mich richtig erinnere.
Mathias und seine Tastengeigenmagie hat ihre eigene, jenseitige Fähigkeit, etwas zutiefst Tiefes und Wahrhaftiges in uns zu treffen, wo immer er seine Melodien platziert. Er ist wahrscheinlich der eine Musiker, der versteht, worum es bei BYRDI geht, und wir sind zutiefst dankbar für all seine Ideen und seinen kreativen Input. Er ist auch Co-Songwriter des Titelsongs des Albums.
Wir sind zutiefst dankbar für das, was diese feinen Menschen für das Album und BYRDI getan haben. Sie haben uns geholfen, unsere Ziele und Absichten zu erfüllen.

Was habt ihr für BYRDI als Nächstes geplant?
Nash: Im Moment ist aufgrund von Schule, Arbeit und Familie nichts geplant, aber irgendwann und wenn die Umstände stimmen, werden wir wahrscheinlich wieder neue Musik aufnehmen.

Auf Metal1.info beenden wir Interviews traditionell mit einem kurzen Brainstorming. Welche Gedanken kommen euch bei den folgenden Worten?
Folk aus anderen Ländern: Nash: Wahrscheinlich eine dumme Antwort, aber ich denke dabei schlicht an „Folk aus anderen Ländern“. Nicht mehr und nicht weniger. Ob ich die Musik mag oder nicht, ist eine ganz andere Frage.
Säkularisierung: Nash: In meinen Augen hat die Religion, ich spreche nicht von deinem persönlichen Glauben, den Menschen nur Unrecht getan. Sie wurde geschaffen, um zu unterdrücken, zu diktieren und Reichtum und Macht zu erlangen, auf Kosten des „freien Geistes“. Deshalb denke ich, dass es eine gute Idee war, Staat und Religion zu trennen.
Black Metal: Nash: Ich höre selten neuen Black Metal, aber ab und zu greife ich zu guten alten Alben von u.a. Burzum, Satyricon und Enslaved. Wenn man auf Black Metal steht, sollte man sich Hymnr gleich mal anhören. Es ist neu, aber die Seele der Person, die die Musik geschaffen hat, ist alt.
Andreas: Eine Fundgrube für fantastische Musik und ein Tor für junge Menschen zu Mythologie, Psychologie, Literatur, Geschichte und anderen spannenden Dingen.
Mythologie in Mainstream-Medien: Nash: Ich denke, dass es eine Möglichkeit ist, altes Wissen und Perspektiven aufzuzeigen und zu teilen.
Andreas: Oft ein bisschen plump dargestellt, aber ich denke, es wird insgesamt verstanden, dass es wichtig ist. Es ist unser kulturelles Erbe und die Alten waren nicht dumm, ganz im Gegenteil.
Klimakrise: Nash: Teilweise menschengemacht und teilweise ein natürlicher Zyklus. Und was die menschengemachte Seite angeht, sehe ich nur gierige Politiker mit leeren Versprechungen und Worten der Gier.
Andreas: Eine Mischung aus menschengemachten Problemen und natürlichen Phänomenen. Da gibt es viel zu tun.
Streaming-Konzerte: Nash: Eine gute Möglichkeit, Musik und so weiter zu verbreiten, also warum nicht?!
Andreas: Eine sehr gute Möglichkeit, seine Musik bekannt zu machen und wenn man mehr auf der künstlerischen Seite ist, ist es eine tolle Möglichkeit, neue Ideen für seine Musik mit verschiedenen anderen Kunstformen auszuprobieren. Werde kreativ damit.

Zum Abschluss nochmals danke für eure Antworten. Die letzten Worte möchte ich gerne euch überlassen:
Legt das Telefon weg, geht nicht ins Internet, schaut nicht jeden Tag die Nachrichten und lest alte Bücher.

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert