Interview mit Ludvig Swärd von Forndom

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Auf „Faþir“ hat Ludvig Swärd sein Folk-Soloprojekt FORNDOM in neue Bahnen gelenkt: Beeinflusst von zeitgenössischer klassischer Musik hat der Schwede ein atmosphärisch dichtes Album geschaffen, das eher nach Ambient als nach urig-akustischer Musik klingt. In unserem Interview spricht Swärd unter anderem über seine unkonventionelle Herangehensweise an das Schreiben und Aufnehmen der Songs, die mythologischen und historischen Hintergründe der Platte und die Angst vor dem Ungewissen.

Obwohl FORNDOM weithin als Folk-Projekt angesehen wird, klingt dein neues Album „Faþir“ mit seinen Klangflächen auch stark nach Ambient und Filmmusik. Beziehst du deine Inspiration auch aus diesen Formen von Musik?
Ja, persönlich würde ich sagen, dass ich alle Arten von Musik höre, die ich irgendwie atmosphärisch finde, aber ob das in den Ohren anderer als Metal, Elektronic oder Klassik gilt, ist mir egal. Aber in letzter Zeit war es viel zeitgenössische klassische Musik. Ich würde aber nicht sagen, dass sie die einzige Inspirationsquelle ist. Am Ende kommt die tiefste Inspiration von innen – ein Gedanke, ein Gefühl.

Nordvis, das Label, bei dem du unter Vertrag stehst, bringt auch viel (Black) Metal heraus und die Hörerschaften von Metal und Folk überschneiden sich heute sehr stark. Hast du selbst auch einen Bezug zu Metal-Musik?
Ich habe früher viel Black Metal gehört, als ich jünger war, und natürlich hat das auch einen Einfluss auf die Musik, die ich heute komponiere. Aber ich würde nicht sagen, dass ich generell ein großer Metal-Fan bin, abgesehen von einigen alten Klassikern und Bands, die ich immer noch gerne höre.

Wie bereits erwähnt hört man auf „Faþir“ neben der Perkussion weniger einzelne, scharf abgegrenzte Töne, sondern vielmehr lange Klangflächen. Wie genau hast du diese erzeugt – sind das alles Streichinstrumente?
Ja, das stimmt, da dieses Album hauptsächlich auf dem Klavier komponiert wurde, hat es mich sehr viel Mühe gekostet, es in meine reguläre Klangwelt einzupassen. Die ursprüngliche Idee war, es purer aufzunehmen, aber mit der Zeit hatte ich einfach das Gefühl, dass etwas fehlt, was mich dazu veranlasste, mit verschiedenen Tools in Bezug auf Modulation und Effekte zu experimentieren. Man könnte meinen, dass diesem Album die restlichen Instrumente fehlen, wie z.B. die Tagelharpa, aber gleichzeitig lag der Fokus für dieses Album nicht auf den Instrumenten selbst, sondern eher auf dem Gesang und dem Wort selbst. Ich habe versucht, einige dieser Instrumente während des Prozesses hinzuzufügen, aber am Ende hatte ich das Gefühl, dass es ohne sie besser ist.

Ist dies eine Entwicklung, die du beibehalten willst oder wirst du auf zukünftigen Alben auch wieder mehr Instrumente einsetzen?
Nein, das Komponieren am Klavier war großartig, um das Album selbst zu schreiben, aber gleichzeitig hat es mich auf eine Idee, wie es klingen sollte, festgenagelt, was den Aufnahmeprozess ziemlich schwierig machte und einschränkte. Aber ich habe aus meinen Fehlern gelernt und werde zweifellos in Zukunft direkter mit den endgültigen Instrumenten und Sounds komponieren. Die Alben werden weiterhin einen zeitgenössisch-klassischen Touch haben, mit Einflüssen aus der skandinavischen Folkmusik. So wird es bei der nächsten Veröffentlichung eine Rückkehr vieler alter Instrumente geben, es wird aber auch einen noch akustischeren Sound haben.

Auch kompositorisch ähneln die Songs einander sehr stark. Was würdest du jemandem entgegnen, der das Album für zu eintönig hält?
Ja, das sind sie, und im Grunde besteht der Großteil davon aus denselben Akkorden mit verschiedenen Variationen, die beiden letzten Songs haben sogar denselben Beat. Aber gleichzeitig schreibe ich nie einzelne Songs, sondern betrachte jeden Song als Teil einer größeren Einheit. Ich konzentriere mich lieber auf einen roten Faden als auf einen Mix aus verschiedenen Geschmäckern, da ich finde, dass dies dem Album mehr Tiefe und Sinn verleiht. Ich war auch sehr inspiriert vom Jahreslauf und dem Leben und dem Tod an sich, weshalb ich das ganze Album lang etwas Monotones beibehalten und nur die Perspektive ändern wollte. Wenn man tiefer in dieses Album hineinschaut und versucht, es zu verstehen, denke ich, wird man auch verstehen, dass alles einen bestimmten Zweck hat.

Mit sieben Songs zu insgesamt etwa 35 Minuten ist „Faþir“ ziemlich kurz geraten. Warum hättest du es unpassend gefunden, das Album um noch einen oder zwei Songs zu erweitern?
Aus dem gleichen Grund, aus dem ich nicht spreche, wenn es nichts mehr zu sagen gibt. Ich schreibe Musik nicht als reine Unterhaltung, sondern weil ich damit etwas zu sagen habe. Ich habe immer die Teile des Albums herausgefiltert, von denen ich denke, dass sie nicht zu einer Einheit beitragen oder die sich unnötig anfühlen. Nur weil ich etwas geschrieben habe, heißt das nicht unbedingt, dass es einen Platz auf diesem spezifischen Album verdient, wenn es an sich nichts damit zu tun hat.

Der Albumtitel „Faþir“ bedeutet übersetzt „Vater“. Weshalb hast du dich für diesen Titel entschieden?
Nun, in erster Linie habe ich ihn aufgrund der Tatsache gewählt, dass es auf dem Album um die Beziehungen zwischen dem Vater und dem Sohn geht – oder anders gesagt – um die Beziehungen zwischen dem Gott und dem Anbetenden. Der Odin-Kult kam als Einfluss von den römischen Heeren und dem Mithras-Kult, als sich germanische Menschen mit ihnen am Limes im heutigen Deutschland trafen, um am Handel teilzunehmen oder sich als römische Hilfstruppen anzuschließen. Im römischen Mithras-Kult gab es verschiedene Rollen, wobei der „Vater“ – also der Feldherr – die höchste war. Diese ganze soziale Struktur folgte auch den germanischen Reisenden, wenn sie in ihre Heimat zurückkehrten – sehr oft wohlhabend durch die Entlohnung für ihre Taten. Mit diesem Geld konnten sie sich auch in ihrer Heimat eine ähnliche Sozialstruktur sichern – wo sie Männer anheuern oder adoptieren konnten, die für sie kämpften und ihre Leibwächter wurden, also Väter wurden. Das beeinflusste natürlich auch die Religion selbst. Auf dem skandinavischen Festland war es unter Anführern und Königen Tradition, die Abstammung von einem bestimmten Gott zu beanspruchen, während es in Island viel üblicher war, den Gott als einen engen Freund zu sehen.
Die Wahl von „Vater“ als Titel hat also je nach Perspektive viele verschiedene Bedeutungen und Aspekte. Aber natürlich war es auch eine persönliche Entscheidung – eine Widmung an meinen eigenen Vater, der ein großer musikalischer Einfluss für mich war.

Meines Wissens dreht sich das Album thematisch um den natürlichen Zyklus von Leben und Tod. Kannst du uns etwas Genaueres darüber erzählen?
Wie ich bereits erwähnt habe, wollte ich das Album so schreiben, dass es sowohl Aspekte des Lebens als auch des Todes enthält. Das Album ist mehr oder weniger wie eine Reise geschrieben, die mit der Dunkelheit beginnt, worauf dann das Licht folgt, um sich später in dunklere Teile zu wagen, mit einem hoffnungsvollen Ende.

Obwohl der Tod die natürliche Folge des Lebens ist, ist die Angst davor tief in uns verwurzelt. Geht es dir auch noch so, wenn du dich gedanklich mit derlei Themen beschäftigst, oder konntest damit schon deinen Frieden finden?
Nun, ich denke, die Angst vor dem Unbekannten ist das, was die meisten Menschen fürchten. Man denke nur an all die Situationen im Leben, in denen man nicht weiß, wie es weitergeht, nachdem etwas Größeres passiert ist. Selbst in solchen Situationen kann eine „negative“ Konsequenz schöner sein, als in Ungewissheit zu leben. Der Tod ist eines der wenigen Dinge, über die wir nie Antworten bekommen werden, solange wir leben, er wird immer in einen Mantel der Ungewissheit gehüllt sein, und doch wissen wir alle, dass er eintreten wird. Ich habe nie geglaubt, dass der Tod selbst das Ende von allem ist, sondern eher der Anfang von etwas Neuem.

Die Gewissheit des Todes hindert uns freilich nicht daran, ein schönes Leben zu führen. Dennoch scheint „Faþir“ eine sehr bedrückende Grundstimmung zu haben. Würdest du es dennoch als lebensbejahendes Album bezeichnen?
Nein, natürlich würde ich es nicht als lebensbejahende Platte im Sinne von „glücklich“ bezeichnen, sondern eher als ein Album, das sich mit dem Zyklus des Lebens und der Reise von diesem Leben zum nächsten beschäftigt.

Auf dem Cover sieht man das Gesicht eines Mannes, der sein linkes Auge mit der Hand bedeckt, vor einer nebeligen Naturszenerie. Inwiefern ist dieses Bild mit dem Konzept des Albums verknüpft?
Das Bild ist mit der Rückseite der physischen Veröffentlichung verknüpft – dort ist eine Statue von Odin abgebildet, die sich auf der Vorderseite spiegelt – so spiegeln sich der Gott und der Anbetende, der Vater und der Sohn.

Auf der Platte ist Jayn H. (Darkher) als Gastsängerin zu hören – allerdings nur sehr unauffällig im Hintergrund. Warum war es dir wichtig, ihre Stimme auf „Faþir“ zu haben?
Ich habe schon immer die natürlichen Eigenschaften von Jayns Stimme geliebt und wollte sie als Gastsängerin auf ein paar Songs haben, als Repräsentation des Todes selbst – der in der nordischen Welt als Frau angesehen wird. Wir lernten uns bei einem Festival in Polen kennen und wurden gute Freunde. Da ich zu der Zeit an dem Album arbeitete und diese speziellen Ideen hatte, fragte ich sie, ob sie an einem Gastauftritt interessiert wäre, was sie auch war.

Anlässlich der Veröffentlichung deines neuen Albums wäre auch eine Tour mit Darkher und The Devil‘s Trade geplant gewesen. Diese musste wegen der Corona-Epidemie und der notwendigen Gegenmaßnahmen abgesagt werden. Wie wahrscheinlich ist es, dass ihr diese Tour nach der Krise nachholen könnt?
Das ist im Moment alles noch sehr ungewiss. Sie wurde zunächst um ein Jahr auf das aktuelle Jahr verschoben. Aber so wie es jetzt aussieht, wird sie wahrscheinlich auf das nächste Jahr verlegt werden. Es ist wirklich traurig, dass diese ganze Situation so abläuft, aber auf der persönlichen Ebene betrifft es mich nur sehr wenig. Ich würde gerne so schnell wie möglich wieder auf die Bühne gehen und auftreten, aber ich möchte nicht das Leben eines anderen Menschen riskieren.

Ich habe den Eindruck, dass die dichte Atmosphäre der Platte zu einem nicht unwesentlichen Teil auch von der vielschichtigen Produktion herrührt. Wie hättest du das live umgesetzt?
Ich habe die wichtigsten Teile der Produktion immer live gespielt, während ich den Rest als Backing-Track laufen ließ. Vielleicht wird der Tag kommen, an dem alles komplett mit Live-Instrumenten gespielt wird, aber im Moment denke ich, dass es mit mir und zwei Perkussionisten live gut funktioniert.

Um nochmal auf die aktuelle Situation zurückzukommen: Schweden ist eines der wenigen Länder, in welchen zumindest anfangs kaum einschränkende Maßnahmen gegen das Coronavirus ergriffen wurden. Für wie sinnvoll hältst du diese Herangehensweise?
Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich nicht sagen, dass sich die Situation so sehr von vielen anderen Ländern unterscheidet, aber wenn man es von Anfang an betrachtet, war es sicherlich viel liberaler als die meisten Länder der Welt, indem man den Leuten selbst mehr Verantwortung übertrug, anstatt sie durch den Staat zu etwas zu zwingen. Ich denke, das ist ein vernünftiger Weg. Das einzige Problem ist, dass es immer noch eine Menge Leute gibt, die gegen die Empfehlungen verstoßen und ihr Leben so leben, wie sie es immer getan haben. Auch wenn ich die liberalere Variante bevorzuge, denke ich, dass es klüger gewesen wäre, von Anfang an strengere Maßnahmen zu ergreifen, damit viel mehr Leute das Problem erkennen, um ihnen später mehr Eigenverantwortung überlassen zu können.

Auf Metal1.info beenden wir unsere Interviews üblicherweise mit einem kurzen Brainstorming. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen in den Sinn?
Unsterblichkeit: Gedenken.
Klimakrise: Ist sicherlich etwas, gegen das wir alle etwas tun können, das aber letztlich in den Händen der Industrien und Machthaber liegt.
Elektronische Musik: Ist großartig, nicht zuletzt als Werkzeug, um Atmosphären zu schaffen, die mit akustischen Instrumenten nicht möglich wären. Dennoch würde ich nicht sagen, dass ich sie bevorzuge, wenn ich ein akustisches Gegenstück als Option zur Verfügung habe.
Neuheidentum: Um die alten Religionen verstehen zu können, müssen wir uns erst einmal in den Geist und die Gesellschaft der Vergangenheit hineinversetzen.
Instrumentalmusik: Wahre Musik sollte immer die Fähigkeit in sich tragen, über das hinauszugehen, was mit Worten ausgedrückt werden kann.
Derzeitiges Lieblingsalbum: Fratres / Tabula Rasa von Arvo Pärt.

Vielen Dank für deine Zeit. Die letzten Worte würde ich gern dir überlassen:
Das Vergnügen war ganz meinerseits!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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