Interview mit Emmanuel Jessua von Hypno5e

Die französische Progressive-Metal-Band HYPNO5E hat gerade erst ihr neuestes Werk „Shores Of The Abstract Line“ veröffentlicht. Wie ihre Musik mit Filmen zusammenhängt, was es mit der Albumaufteilung in Küsten auf sich hat und warum sie so viele Sprachsamples verwenden erklärt euch Mastermind, Sänger und Gitarrist Emmanuel Jessua.

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Zunächst einmal Gratulation zu eurem neuen Album „Shores Of The Abstract Line“. Seid ihr zufrieden mit eurer Veröffentlichung?
Es war ein sehr schwieriger Prozess, wir mussten Dinge verschieben und auch das ursprüngliche Veröffentlichungsdatum wurde um ein Jahr verschoben. Dennoch sind wir mit der Veröffentlichung selbst zufrieden, der Sound ist großartig, das Album macht Sinn für uns. Aber das Schwerste war der Mixing-Prozess, wir wollten es in Florida machen lassen, direkt nachdem wir das Schlagzeug aufgenommen hatten, aber es lief dann anders wegen des Produzenten, Deadlines waren nicht so sein Ding, also mussten wir warten und warten, bis er endlich einen Mix abliefert, aber der kam nie, also hat schließlich ein anderes Studio in Los Angeles Unterstützung angeboten und es abgemischt. Allerdings hatten sie nur begrenzt Zeit, weil das Studio schon ausgebucht war. Das Resultat hat uns nicht überzeugt. Ich meine, es war sehr gute Arbeit, aber das Ergebnis war nicht der typische HYPNO5E-Trademark-Sound, den wir erwartet hatten. Also nahmen wir uns die Zeit und haben alles noch einmal von vorne gemacht. Wir wollten ein ordentliches HYPNO5E-Produkt veröffentlichen, auf das wir stolz sein können. Wir haben die Gitarren neu aufgenommen und dann alles selber gemischt. Als der Mix fertig war, lief alles glatt und jetzt sind wir mehr als erleichtert!

Euer Bandname wird immer stilisiert mit einer 5 statt einem s geschrieben. Hat das nur ästhetische Gründe oder steckt eine andere Bedeutung hinter der Zahl 5?
Die 5 stammt vom Titel unserer ersten EP „H492053“, wir wollten etwas davon behalten, also wählten wir die 5!

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Ihr beschreibt eure Musik als „Cinematographic Metal“. Kannst du kurz erklären, warum ihr diesen außergewöhnlichen Begriff gewählt habt?
Einige Leute denken vielleicht, dass das sehr prätentiös ist unsere Musik so zu nennen, aber so ist es eigentlich nicht gemeint. Wir wollen nur die Art und Weise, wie wir Musik betrachten, transportieren. Wir stellen uns Bilder durch Musik vor und empfinden unsere Musik wie Filme. Unsere Songs sind sehr lang und bestehen aus mehreren Teilen. Dieses Format passt zu der Geschichte, die wir mit jedem Album erzählen wollen. Wir könnten unsere Musik auch experimentell, atmosphärisch oder progressiv nennen, aber wir wollten all diese Genres in etwas Persönlicherem vereinigen, es hilft uns eine einzigartige Stimmung zu erschaffen.
Vielleicht versteht man es noch besser, wenn man meinen Hintergrund kennt. Neben all den musikalischen Projekten, in die ich involviert bin, HYPNO5E, A Backward Glance On A Travel Road, Lake Keepers und weitere, die teilweise meinen Hunger nach Erschaffung und kreativer Arbeit stillen, sind auch Filmen und Fotografieren und sogar Filmmusikschreiben unverzichtbare Teile meines kreativen Lebens. Daher arbeite ich auch als Filmregisseur und Kameramann. Du siehst also, diese Dinge sind ziemlich untrennbar für mich und natürlich folglich auch für HYPNO5E.

Die Musik auf eurem neuen Album ist eine sehr ungewöhnliche und trotzdem wiedererkennbare Mischung aus verschiedenen Genres mit einer insgesamt sehr tristen Stimmung. Was habt ihr an eurem Sound im Vergleich zu den letzten zwei Alben verändert? Ist es für euch wichtig euren ganz eigenen, spezifischen Sound zu erschaffen?
Der Sound jedes Albums ist ganz anders. Wir wollten einen massiven Sound, klar und kraftvoll, und wir wollen auch, dass der Hörer alle Details wahrnimmt, die in jedem Song zu finden sind. „Des Deux l’Une Est l’Autre“ ist sehr roh aufgrund des Budgets und der Eigenproduktion. „Acid Mist Tomorrow“ wurde besser und zusammenhängender im Bezug auf das, was wir ausdrücken wollten, produziert und ist näher an „Shores Of The Abstract Line“ dran, allerdings mit ein paar Unterschieden in der Produktion aufgrund des Besetzungswechsels. Theo nahm das Schlagzeug auf und Jo die Gitarren, dadurch brachten sie ihren Sound, ihre Persönlichkeiten und ihre Einflüsse in die Kompositionen ein.

Lass uns über euer neues Album reden. Eine Sache, die besonders auffällt, ist die recht hohe Anzahl an Sprachsamples in Spanisch, Englisch und Französisch, die fast schon wie eine Filmerzählung wirken. Gibt es eine zusammenhängende Geschichte? Was ist die Funktion der Samples auf dem Album?
AlbumcoverSamples haben verschiedene Funktionen, wir benutzen sie, um von einem musikalischen Abschnitt zum nächsten überzuleiten, um den Hörer zu führen. Wir haben sie wegen ihres Klanges, der Sprache und der Bedeutung gewählt. Es hilft uns wirklich eine Stimmung zu erzeugen, eine Atmosphäre, die Musik alleine nicht erzeugen könnte und die uns wieder zum Ausdruck „cinematographisch“ führt. Manchmal, wenn wir komponieren und nicht wissen, was wir als nächstes tun sollen, können Samples eine große Inspirationsquelle sein und sind direkt mit dem Musikschreiben verbunden.

Die Songs sind in verschiedene Küsten unterteilt und gehen von Osten nach Westen, dann zur zentralen Küste und dann von Norden nach Süden. Was ist das Konzept hinter dieser Idee?
Eine Reise, ob nun eine innere, eine metaphysische oder eine tatsächliche, nicht einmal wir wissen das wirklich. Wir wollten etwas Abstraktes beschreiben, das jeder in seiner eigenen Subjektivität interpretieren kann. Das Album beschreibt die Wanderung eines Charakters auf einer Insel, die in vier Küsten und einer zusätzlichen zentralen unterteilt ist. Die Reise ist endlos, bringt Erinnerungen und erkundet deren verschiedene Schichten.

Der zentrale Song auf dem Album ist „Tio“, eine Ballade und der einzige Song, der auf Spanisch statt auf Englisch gesungen ist. Sprichst du wirklich Spanisch, oder musstest du lernen, in dieser Sprache zu singen? Hast du auch Lieblingslieder auf eurem neuen Album, oder zumindest Songs, mit denen du am zufriedensten bist?
Ich habe in meiner gesamten Kindheit in Bolivien und Mexico gelebt, elf Jahre lang. Ich bin sehr mit Südamerika verbunden, am meisten mit Bolivien, wohin ich so bald wie möglich zurück möchte. Ich habe dort letztens einen Film gedreht: „Alba, Les Ombres Errantes“. Spanisch ist meine zweite Sprache. Es ist mit Sicherheit mein Lieblingslied auf diesem Album, das persönlichste.

Emmanuel JessuaSchreibt ihr die Songs zusammen in eurem Proberaum, oder gibt es eine Person, die alle Songs schreibt?
Ich entwickle die Ideen, komponiere die Gitarren, akustische Instrumente wie portugiesische Gitarren oder Charango, dann versammeln wir uns in unserem Homestudio um die Songs zu bauen. Wir wählen ein paar Riffs, die wir mögen und beginnen die Songs vorzuproduzieren. Théo schreibt das Schlagzeug auf dem Computer, dann fügt Gredin den Bass hinzu. Wir machen alles vom Schreiben bis zu den Arrangements gerne im Studio und wir wissen nicht, worauf die Songs hinauslaufen, bevor wir sie tatsächlich aufgenommen haben. Sogar danach können sich Dinge noch ändern. In gewisser Hinsicht versuchen wir meine Ideen zusammen zu ordnen, sodas jeder was an den Tisch bringen kann, bis wir alle zufrieden sind. Wir sammeln die ganze Zeit neue Riffs und nehmen sie das ganze Jahr lang auf, sodas wir sie nur noch zusammenfügen und an Übergängen arbeiten müssen, wenn wir uns treffen, um ein neues Album aufzunehmen. Der Prozess dauerte zwei oder drei Wochen, während der wir die Gitarren aufgenommen haben, den Rest haben wir im Laufe des Jahres aufgenommen und haben dabei ein paar Gitarren neu aufgenommen. Normalerweise hält uns das Arbeiten an Strukturen bis zum Mastering beschäftigt, weil wir immer alles selber aufnehmen und abmischen. Dieses Mal haben wir uns entschieden das Schlagzeug in einem Studio in den USA aufzunehmen und das Album dort abmischen zu lassen, das ist einer der Gründe, warum die Veröffentlichung so lange gedauert hat, das Studio hat den Mix monatelang behalten, ohne uns zu benachrichtigen, wir waren nicht einmal sicher, ob wir unsere Aufnahmen jemals wieder zu Gesicht bekommen würden! Nach drei Monaten der Stille haben wir endlich erfahren, dass das Studio den Mix zu einem anderen Studio in Los Angeles geschickt hat, damit dieses ihn zu Ende bringt. Nach langen Gesprächen haben wir unseren Mix schließlich am selben Ort zurückbekommen, wo wir ihn vor Monaten zurückgelassen hatten. Wir entschieden uns die Veröffentlichung noch einmal zu verschieben, um den Mixing-Prozess neu zu beginnen. Diesen Sommer sind wir uns dann schließlich einig geworden und haben das Ergebnis zum Mastern verschickt.
Da der Mastering-Prozess den Sound verändert, hat dieser Prozess auch Zeit gebraucht. Letztlich wurde das Album im März 2014 komponiert und war fertig zum Pressen im Oktober 2015. Ein langer Prozess voller Hinterhalte, aber das Endergebnis stellt uns wirklich zufrieden, unser Ziel wurde erreicht.

Nachdem ihr eure Musik schon als cinematographisch beschreibt, plant ihr dann auch ein Video für einen der Songs zu veröffentlichen?
Das erste Musikvideo für das neue Album ist bereits in Arbeit, wir haben schon Teile davon gedreht, der Rest kommt bald und hoffentlich werden wir es im Frühling veröffentlichen. Wir würden gerne so viele Videos wie möglich drehen und werden das tun, sobald wir Zeit haben.

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Geht ihr auf Tour, um euer Album zu promoten?
Wir sind hauptsächlich in Frankreich auf Tour, aber hatten auch schon Shows in Deutschland und den Niederlanden. Wir planen mehr Headlinershows in Frankreich für den Frühling, eine Tour mit The Ocean findet im Mai statt und einige Festivals im Sommer. Unser Booker, The Link Production, leistet sehr gute Arbeit und unser Management arbeitet auch an internationalem Booking. Wir haben Glück, dass ein so großartiges Team mit uns arbeitet und wollen gern umfangreich und überall touren, wo es nur geht.

Hört ihr auch Musik abgesehen von Metal?
Wir hören alle verschiedenste Musikgenres. Uns mit vielen verschiedenen Einflüssen zu füttern hilft uns den HYPNO5E-Sound zu erschaffen. Wir lieben elektronische Musik, klassische, traditionelle Musik aus der ganzen Welt, wir mögen sogar einige Mainstreamkünstler. Aber wir hören auf gelegentlicher Basis etwas Metal. Unser Geschmack ist wie unsere Musik, eine Verschmelzung vieler, vieler Dinge.

Ich würde das Interview gerne mit unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden: Ich werde dir ein paar Stichworte geben und du sagst uns das Erste, was dir dazu einfällt.
Küsten: Insel
Französische Filme: 29 Palms
Hypnose: Eine Band
Lieblingsalbum: Atahualpa Yunpanki, die komplette Diskographie
Paris: Party

Danke für deine Zeit. Irgendwelche letzten Worte an unsere Leser?
Danke, dass ihr so weit gelesen habt, ich hoffe wir treffen uns unterwegs!

Publiziert am von Simon Bodesheim

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