Interview mit Xenoyr von Ne Obliviscaris

Es ist schon verrückt, wie innovativ, wie anders und wie genial ein einziges Album doch sein kann. Eben war ich noch fest der Meinung, schon so gut wie alles gehört zu haben, was die Metal-Welt so hergibt, da kommen NE OBLIVISCARIS mit einer so unsagbar heftigen Hammerplatte um die Ecke, dass ich mein musikalisches Verständnis neu ordnen muss. Was ich bei meiner bisherigen Metal-Sozialisation in dieser Form noch nie zu hören bekam, das gibt es auf „Portal Of I“ im Überfluss. Wir haben Xenoyr, dem sympathischen Sänger der Band auf den Zahn gefühlt – Was sagt er selbst zum Debüt, wie sehen die Zukunftspläne aus und was meint er zum Trend der Digitalisierung von Musik?


Hy! Zuerst einmal vielen Dank dass du dir die Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten. Wie geht’s dir heute so? Viel zu tun zwischen der Veröffentlichung eures Debüts und der Festivalsaison, oder?
Mir geht’s sehr gut, vielen Dank, sehr beschäftigt wie immer. Und ja, mitten zwischen der Veröffentlichung unseres Debüts und den Shows, die wir spielen, haben wir nicht viel Freizeit. Dies ist unser erstes Album, daher ist das alles für uns eine große Lernkurve, so viel gibt’s zu berücksichtigen und so viele neue Dinge, die wir abwickeln müssen, zeichnen sich ab. Da kommen wir gerade hin!

NE OBLIVISCARIS sind wohlbekannt, speziell im Prog Death Metal-Underground, aber ich nehme an, dass die meisten unserer Leser bisher noch nicht viel von euch gehört haben. Bitte stell euch mal vor.
Wir haben eine kleine Underground-Anhängerschaft, doch im großen Plan der Dinge sind wir relativ unbekannt. Hier in Australien sind wir ein bisschen abgeschnitten vom Rest der Welt, damit decken wir also wenig ab. Für diejenigen, die uns nicht kennen: Wir sind eine sechsköpfige Metal-Band, die die meisten Metal-Stile in sich aufnimmt, mit einer Neigung zu verschiedenen Nicht-Metal-Stilen. Wir können extrem heavy, extrem melodisch und progressiv oder einfach akustisch und minimalistisch sein. Unsere Musik ist etwas für Aufgeschlossene, die auf der Suche nach einer emotionalen Reise sind.

NE OBLIVISCARIS ist latein und bedeutet „Vergiss nicht“/“Do not forget“. Was ist der Sinn dahinter? Und bezieht sich der Song „Forget Not“ darauf?
Es gibt eine Verbindung zum Song, obwohl es mehr eine Art Requiem darstellt. Der Bandname hat so viele Aspekte, so viele Interpretationen, die die Menschen selbst herstellen können… Wir wollten etwas, auf das sich die Leute beziehen können. Es könnte bedeuten, das Leben einer verlorenen Liebe zu zelebrieren, es könnte auch einfach eine simple Erinnerung an das Leben sein, das du vor dir hast… Die Menschen müssen ihren Verstand öffnen, für sich selbst denken. Das Leben ist zum Leben da, vergiss niemals was wichtig für dich ist.

Meiner Meinung nach ist “Portal Of I” das brillanteste Metal-Output im Jahr 2012. Es ist so melodisch, und doch so komplex, daher denke ich, dass es einfach eine Bereicherung für die Szene ist. Was denkst du persönlich über euer Debüt? Und bist du zufrieden mit dem bisherigen Feedback?
Das ist sehr nett von dir, es bedeutet viel, diese Art Feedback zu hören. Wir wussten, dass unser Album gut wird, doch wir haben niemals mit diesen Reaktionen gerechnet, die wir bisher bekommen haben. Es ist überwältigend. Um das alles sacken zu lassen, braucht es etwas Zeit. Wir haben alles reingesteckt und es rührt uns, dass so viele Menschen unsere Musik so sehr zu schätzen wissen. Es ist schön, das endlich nicht mehr in den Händen zu haben.

Lass uns über euer Debüt reden. Wieso habt ihr es mit „Portal Of I“ betitelt? Das klingt sehr persönlich, gibt es also ein spezielles Konzept? Wenn ja, welche Idee steckt dahinter?
Das erste Album jeder Band ist etwas ganz spezielles. Dies ist der Moment, in dem wir der Welt zeigen, wer wir sind. Das Album ist kein wirkliches Konzeptalbum, obwohl es eine Reise ist, so wie jeder einzelne Song auch. Der Titel ist offen für Interpretationen. Für uns repräsentiert es, wer wir sind, und wohin wir unseren Hörer mitnehmen möchten. Das „I“ kann das persönliche Beiwerk darstellen, die Menschen können es nutzen, um die persönliche Reise aufzunehmen, wo auch immer sie hin möchten. Wir hoffen darauf, euch damit zu inspirieren!

Gib uns ein paar Infos über das Songwriting. Ist jedes Bandmitglied involviert oder nur einer oder zwei von euch? Und wie viel Zeit nimmt der Prozess des Songwritings ein?
Wir steuern alle dem Prozess bei, normalerweise kommt jemand mit einem neuen Riff zur Probe, dann jammen wir und schauen, wohin es uns führt. Von dort an diskutieren wir über Optionen oder Richtungen, je nachdem, wie es sich anfühlt. Als ob es gerade fortschreiten oder fließen würde. Es kann Wochen oder Monate dauern, einen Song zu schreiben… wenn du sechs unterschiedlich beeinflusste Musiker hast, dann ist es nicht einfach, sich zu einigen, obwohl wir damit beginnen, uns viel besser zu verstehen, nachdem wir nun schon für eine ziemliche lange Zeit zusammen sind.

”Portal Of I” verbindet Genres, die ich noch nie auf diese Weise zusammen kombiniert gehört habe. Black Metal und Jazz, Flamenco, Death Metal, Progressive Metal, und speziell die Violine lauert hinter jeder Ecke. Sag uns doch etwas über eure Einflüsse und über die Idee hinter diesem abenteuerlichen Genre-Mix. Irgendwelche Lieblingsmusiker außerhalb der Metal-Szene?
Aufgrund dessen, dass wir sechs aufgeschlossene Musiker sind, die sich nicht vor Experimenten fürchten und gewillt sind, im Team zu arbeiten, ist das so. Wir sind beeinflusst von Bands wie Emperor, Enslaved, Opeth, Sigur Ros, Devin Townsend, Cynic und vielen anderen Musikstilen… es gibt so viele Bands die uns als Musiker beeinflusst haben, es ist nicht einfach, Haupteinflüsse festzulegen. Ein paar Lieblingsbands/-musiker außerhalb des Metal sind für mich persönlich Sopor Aeternus & The Ensemble Of Shadows und Nick Cave & The Bad Seeds.

Gib uns ein paar Infos über die Entscheidung, eine Violine in NE OBLIVISCARIS aufzunehmen. Sind diese virtuosen Violinen-Klänge eines der Trademarks der Band?
Ursprünglich wollten wir entweder ein Cello oder eine Violine in unserem Sound. Wir wollten zusätzliche Dynamik und ein Gefühl für größere Melodien… Die Violine hat ein wunderschönes und bewegendes Gefühl. Ich schätze, man könnte sagen, dass die Violine auf eine Art und Weise einer unserer Sounds ist, der uns identifiziert. Eine Violine ist nicht oft so bedeutend im Sound einer Band, vor allem nicht im Metal.

Ihr habt einen Deal mit code666 unterschrieben. Wie seid ihr mit ihnen in Verbindung gekommen und seid ihr zufrieden?
Wir stehen schon seit ein paar Jahren mit code666 in Verbindung. Sie haben uns zunächst kontaktiert, zu dieser Zeit waren wir allerdings noch nicht dazu bereit, etwas zu veröffentlichen. Für unsere erste Veröffentlichung sind wir so sehr zufrieden, wie es eine Band nur sein kann, wir haben absolut Respekt vor dem Label, sie sind Geburtsort für viele großartige Bands und sehr integer, sie nehmen Bands unter Vertrag, an die sie glauben, und sie beeinträchtigen den eigenen Sound der Bands nicht.

War es für euch wichtig, “Portal Of I” als physisches Medium zu veröffentlichen? Früher oder später wird sowieso alles digital veröffentlicht und viele Bands folgen diesem Trend.
Es war definitiv wichtig, je mehr Optionen du für die Leute hast, desto mehr Leute wirst du erreichen. Und ich persönlich glaube an den Aspekt des Physischen, das hat mehr Bedeutung für mich. Ich muss mich selbst in die Kunst und in die Lyrik einer Band einsaugen lassen, während ich die Musik höre. Es geht um das Anerkennen des Künstlers. Ein digitaler Download hat auf diesem Wege eine geringere Haltbarkeit.

Gibt es Tour-Pläne für die Zukunft? Irgendwelche Bands, mit denen ihr gerne touren möchtet?
Wir touren in den kommenden Monaten durch Australien und spielen als Headliner auf dem Progfest, einem Festival für progressive Musik aller Genres. 2013 werden wir hoffentlich auf dem Weg ins Ausland sein, wir werden also sehen wo wir hin gelangen, die Zeit wird es uns verraten. In Australien gibt es wenige Gelegenheiten, je schneller wir ins Ausland kommen, desto besser. Ich persönlich würde sehr gerne mit Bands wie Enslaved, Ihsahn, Satyricon, Shining, Unexpect, A Forest Of Stars, Arcturus und Borknagar touren… Und ich könnte noch viele weitere Bands aufzählen.

Ein paar Infos über die Zukunft von NE OBLIVISCARIS: Können wir in den nächsten Jahren auf eine neue Veröffentlichung zählen? Wird es eine Veränderung im Sound der Band geben? Irgendwelche neuen Genres, die ihr beim nächsten Mal einbringen wollt?
Wir schauen immer, dass wir unseren musikalischen Horizont stets erweitern, daher kann alles beim nächsten Release passieren. Wir sind dabei, neues Material zu schreiben und es wird durchaus etwas anderes, trotzdem wird es den NE OBLIVISCARIS-Sound und das -Gefühl geben. Ich bin schon stolz darauf, was wir bisher geschrieben haben. Hoffentlich werden wir 2014 wieder veröffentlichen.

Zuletzt möchte ich mit dir ein kleines Brainstorming machen. Was fällt dir zuerst ein wenn du folgende Begriffe liest?
– Deathcore: Nicht wirklich mein Stil, jemand sollte mir mal was Interessantes empfehlen.
– Lord Of Steel: Klingt wie Manowar? Das bringt mir ein paar alte Erinnerungen zurück… damals bin ich durch all deren Alben und Texte gegangen und habe gezählt, wie oft sie die Worte „Power“, „Metal“, „Wind“, „Steel“, „Glory“ und „Fire“ erwähnt haben. Wirklich ziemlich amüsant.
– Vinyl: Wir schauen, dass wir „Portal Of I“ bald auf Vinyl veröffentlichen (derzeit suche ich nach Satyricons „Dark Medieval Times“… unmöglich, ich weiß. Hat’s Irgendjemand?)
– Metal1.info: Eine großartige, sehr informative Metal-Seite… bräuchte allerdings eine Übersetzung
– Rotwein: Ich bin kein Biertrinker. Nach einem langen Tag einen Rotwein und währenddessen Black Metal hören, das ist das Leben. Wenn ich doch nur in einem Wald in Norwegen wohnen könnte…

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