Interview mit Zach Schottler von Skull Fist

Vier Jahre ist es her, dass die Kanadier SKULL FIST mit „Way Of The Road“ zuletzt ein neues Album veröffentlicht haben. Seither ist Vieles passiert und während die globale Viruspandemie sicherlich zur langen Wartezeit beigetragen hat, war sie doch nicht der Hauptgrund dafür, dass der Nachfolger „Paid In Full“ erst jetzt erscheint: Bandkopf Zach Schottler trägt sein Herz bekanntermaßen auf der Zunge und machte keinerlei Hehl daraus, dass SKULL FIST bei ihrer langjährigen Plattenfirma NoiseArt mehr als unglücklich waren und sich die Truppe erst kürzlich endgültig von ihr lösen konnte. Wir sprachen mit Mr. Schottler über die Unwegbarkeiten der letzten vier Jahre und darüber, was in Zukunft ansteht.

Das Logo der Band Skull Fist

Hallo, Zach und vielen Dank für deine Zeit! Die letzten zwei Jahre waren für Musiker nicht gerade leicht – wie geht es dir?
Ich glaube, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie so verbittert war (lacht). Das Virus und alles, was damit zusammenhängt ist ein unglaublich kompliziertes Thema. Man könnte da natürlich eine Standardantwort geben und sagen, dass das ja jeden gleichermaßen betrifft und das wäre auch vollkommen korrekt. Aber inzwischen weiß ich gar nicht mehr wirklich, wie ich darüber denke. Manche Bands spielen wieder Konzerte und generell verhalten sich viele Menschen so, als wäre alles wieder beim Alten, aber stimmt das denn wirklich? Ich weiß es einfach nicht – für manche Menschen scheint das jedenfalls so zu sein. Vermutlich hängt es am Ende davon ab, was man als „normal“ ansieht. Ich selbst bin bereits ein Jahr vor der Pandemie in den Wald gezogen und habe mich weitgehend isoliert, weshalb sich für mich eigentlich überhaupt nichts verändert hat. Ich lebe im Wald und habe keinerlei Freunde – es ist also nicht so, als wäre ich großartig unterwegs gewesen (lacht). Persönlich hatte ich also keine Schwierigkeiten, aber mit der Band verhält es sich natürlich anders: Das Dasein als Musiker ist im Augenblick ein ziemlicher Witz. Natürlich war es schon immer prekär und ein bisschen einseitig, aber so etwas wie jetzt gab es zuvor noch nie. Es tut mir wirklich leid für all die Leute, die das tatsächlich als ihren Lebensunterhalt vorgesehen hatten.

Womit verdienst du denn deinen Lebensunterhalt?
Ich habe eine ganze Reihe an Jobs. Am Wochenende arbeite ich für eine Bekleidungsfirma und versuche, 40 Stunden in zwei oder drei Tage zu pressen. Unter der Woche produziere ich Musik für Extremsport-Videos. Das ist witzig – da klaue ich Ideen von SKULL FIST und benutze sie für Sportvideos (lacht). Außerdem habe ich Gerüchte gehört, dass unser neues Album dreifach mit Platin ausgezeichnet wird, also muss ich bald wahrscheinlich gar nicht mehr arbeiten … (lacht)

Ich bin sicher, viele Leute haben die romantische Vorstellung, dass du von SKULL FIST leben kannst …
Ernsthaft: Die Arbeit, die man aufwenden muss, um als Vollzeit-Musiker leben zu können, ist enorm. Ich glaube nicht, dass es irgendetwas auf der Welt gibt, dass ich so dringend machen möchte, dass ich mich dafür derart aufopfern würde. Wenn man Musik als Karriere verfolgen möchte, dann macht die Musik selbst nur zehn Prozent davon aus. 90 Prozent der Zeit ist man mit anderen Dingen beschäftigt – man verbringt täglich Stunden am Telefon und damit, Emails zu lesen und zu versenden.

Das Cover von "Paid In Full" von Skull FistUnd doch gibt es nun ein neues Album von SKULL FIST, das vier Jahre nach eurer letzten Platte erscheint. Was war in dieser Zeit bei der Band los?
JJ (Tartaglia, Schlagzeug, Anm. d . Red.) hat seinen Glauben gefunden – nein, das habe ich erfunden (lacht). „Paid In Full“ sollte eigentlich schon 2020 erscheinen und wir hatten die Musik bereits im Februar aufgenommen. Als wir damals über das Coronavirus gesprochen haben, mussten wir noch darüber lachen und wir waren uns sicher, dass das recht schnell wieder vorbei sein würde. Da lagen wir offensichtlich falsch. Wenn man nicht gerade ein Mönch ist, ist es wohl verständlich, dass man vier Jahr später gedanklich nicht mehr am gleichen Platz ist. Allerdings gehen diese Veränderungen schleichend vonstatten, weshalb es für einen selbst schwer ist, sie zu bemerken. Es ist aber nicht zu leugnen, dass ich sowohl emotional als auch musikalisch heute anders ticke als vor vier Jahren: Ich bin älter, hässlicher und wahrscheinlich deutlich pessimistischer (lacht). Ich will mich aber nicht beschweren, denn ich denke, dass jeder in der Band zur Zeit an einem guten Platz ist. Wir sind alle etwas entspannter und saufen uns nicht mehr zu Tode. Ich glaube, viele Spannungen sind dadurch entstanden, dass wir dauernd blau waren. Musikalisch sind wir inzwischen deutlich selbstbewusster. Es fällt uns leichter, herauszufinden, was wir wirklich machen wollen und nicht, was vielleicht von uns erwartet wird.

Würdest du also sagen, dass „Paid In Full“ euer bisher reifstes Album ist?
Ja, auf jeden Fall. Es gibt darauf z. B. keinen Song namens „Get Fisted“, also muss es reifer sein (lacht). Es ist definitiv noch immer ein waschechtes SKULL-FIST-Album, aber wir trauen uns mehr und schlagen auch neue Wege ein.

Würdest du die Platte auch als Neustart bezeichnen?
Vielleicht kann man das so nennen, ja. Für mich persönlich ist es auf jeden Fall ein Neuanfang. Alle bisherigen Alben sind z. B. bei einer anderen Plattenfirma erschienen und mit dieser Situation waren wir sehr unzufrieden. In diesem Punkt sind wir jetzt deutlich zufriedener, weil wir jetzt noch immer Musik über ein Label veröffentlichen, dabei aber nicht das Gefühl haben, dass wir ausgenutzt werden.

Insgesamt fällt das Album langsamer und eingängiger als seine Vorgänger aus …
Das stimmt, aber das haben wir keineswegs so geplant. Ich habe mich nicht hingesetzt und versucht, mehr Midtempo-Songs zu schreiben und ich würde auch nicht planen, mehr in die Speed-Metal-Richtung zu gehen – es hat sich einfach so entwickelt. Das läuft so: Man schreibt zehn Songs und findet dann meistens, dass neun davon scheiße sind, also muss man weitere zehn Nummern schreiben (lacht). Was ich sagen will, ist, dass es kein Kalkül hinter der stilistischen Ausrichtung von „Paid In Full“ gibt.

Ihr habt jüngst einen Vertrag mit Atomic Fire Records abgeschlossen und du machst kein Geheimnis daraus, dass du mit euren Bedingungen bei NoiseArt sehr unzufrieden warst. Kannst du etwas ins Detail gehen?
Ich würde mich seltsam fühlen, wenn ich den Leuten vormachen würde, dass bei SKULL FIST alles super läuft, wenn es in Wirklichkeit ganz anders ist. Wann immer so etwas passiert, ist es mir daher wichtig, offen darüber zu sprechen – auch, weil anders Bands dann gewarnt sind und ihnen nicht das Gleiche passiert.

Ein Foto der Band Skull Fist

Worauf sollte eine Band denn achten, wenn sie ihren ersten Plattenvertrag unterzeichnet?
Sie sollte unter keinen Umständen Geld vom Label annehmen. Sie sollte das Geld für ein Album unbedingt selbst auftreiben. Wenn eine Plattenfirma dir 10.000 Dollar gibt, dann hat sie dich am Haken – sie können dich z. B. mit einer sehr geringen Beteiligung an den Albumverkäufen abspeisen und ich rede hier von nicht mehr als 15 oder 16 Prozent. Wenn man die Produktion aber selbst bezahlt hat, kann man auch 50 oder 60 Prozent verlangen, weil man in einer viel stärkeren Verhandlungsposition ist. Und auch für das Label hat das Vorteile: Wenn sie nichts in dich investieren müssen, ist das Risiko natürlich viel geringer. Zu den 10.000 Dollar für die Albumproduktion kommen ja nochmal 10.000 für Presswerk, PR usw. dazu – schon haben sie 20.000 Dollar auf dich verballert, bevor die Platte überhaupt erschienen ist. Und es ist nicht unbedingt einfach, die wieder reinzuholen. Wenn man sich selbst finanzieren kann, dann hilft einem das ein großes Stück weiter, aber es hilft auch der Plattenfirma.

Und diesmal konntet ihr die Kosten komplett selbst stemmen?
Nein, ich habe jetzt Schulden bei der Bank (lacht)! Quatsch, das war natürlich nur Spaß. Ja, diesmal haben wir alles komplett selbst übernommen. Ich hatte dieses Geld eigentlich gespart, um eine Hütte im Wald bauen zu können, aber das muss jetzt noch ein bisschen warten.

Lief die Zusammenarbeit mit Atomic Fire bisher zu deiner Zufriedenheit?
Ich würde niemals damit hinterm Berg halten, wenn es nicht so wäre! Wenn etwas Bullshit ist, dann sage ich das in aller Deutlichkeit. Aber Atomic Fire waren bisher absolut cool zu uns. Als wir angefangen haben, über einen möglichen Vertrag zu sprechen, war ich von der Idee ganz und gar nicht begeistert, weil ich eigentlich nicht mehr zu einer Plattenfirma wollte. Ich hatte gerade 12.000 Dollar bezahlt, um mich von einem freizukaufen und hatte keinerlei Interesse daran, mich schon wieder an ein Label zu binden. Im Laufe der Verhandlungen wurde aber deutlich, dass sie uns einen Vertrag anbieten wollten, von dem beide Parteien in gleicher Weise profitieren würden – das hat mich zunächst wirklich überrascht! Ich musste also zugeben, dass nicht jede Plattenfirma scheiße ist, was mir gar nicht so leicht gefallen ist (lacht).

Was ist eigentlich mit NoiseArt passiert? Gefühlt hat das Label schon vor Jahren seinen Betrieb eingestellt.
Das ist schwer zu sagen, aber nach dem, was unser Anwalt uns erklärt hat, verhält es sich so: NoiseArt haben in der Vergangenheit nur sehr wenig Musik veröffentlicht und wenn sie das Label jetzt vollständig schließen würden, ginge das Geld, das diese Veröffentlichungen abwerfen, komplett verloren. Man lässt die Firma also bestehen, um weiter abkassieren zu können. Würden sie das Label aufgeben, würden sie die Rechte an den Alben verlieren und folglich auch nichts mehr daran verdienen. Ich weiß auch, dass sie beileibe nicht die Einzigen sind, die diese Geschäftspraktik verfolgen. Uns wurde auch erklärt, dass es eine gute Taktik zur Vermeidung von Steuern ist, wenn man seine Bands nicht aus ihren Schulden rauslässt. Ich bin wirklich froh, dass wir dort weggekommen sind, denn hätten wir „Paid In Full“ bei ihnen veröffentlicht, hätte es vermutlich so gut wie keinerlei Promotion gegeben.

Ist der Titel „Paid In Full“ eine Anspielung auf eure Erfahrung mit Plattenfirmen?
Naja, „Powerslave“ hat schon einer verwendet … (lacht) Ich habe den Song kurz bevor wir aus unserem Vertrag herausgekommen sind, geschrieben, also denke ich schon, dass er damit zu tun hat. Er handelt aber auch generell davon, dass man sich nicht ausnutzen lassen sollte.

Ich weiß nicht genau, warum mir das Sorgen macht, aber bitte sag uns, dass „Paid In Full“ nicht die letzte Platte von SKULL FIST sein wird!
Ich würde niemals mit der Musik aufhören! Das und Skateboard fahren ist so ziemlich das einzige, was ich mache – und jetzt haben wir Winter, also kann ich nicht skateboarden. Wie gesagt, ich bin ein bisschen älter und ein bisschen pessimistischer geworden, aber Musik ist nach wie vor meine große Leidenschaft. Ich habe auch noch immer eine ganze Menge ungenutzter Riffs (lacht).

Wie läuft das Songwriting bei euch ab? Schreibst du alle Songs?
Ich bin immer offen für die Ideen der Anderen – als Jonny (Nesta, Gitarre, Anm. d. Red.) noch in der Band war, hat er einen Song geschrieben, der eigentlich auch auf das Album gekommen wäre. JJ hat seine eigenen Projekte, also denke ich, dass er eher dort kreativ ist. Ich wohne außerdem relativ weit von den anderen entfernt, weshalb es schwierig ist, sich spontan zu treffen, um an Songs zu arbeiten. Ich schreibe also meistens alleine und schicke ab und an ein Demo zu den Jungs. Die Meinung der Anderen ist mir also auf jeden Fall wichtig. Es ist unglaublich schwierig, die eigene Arbeit objektiv zu betrachten, weshalb eine zweite und dritte Meinung immer mehr als willkommen sind.

Warum habt Ihr eigentlich „Heavier Than Metal“ für das neue Album nochmal eingespielt?
Weil ich dich vorhin angelogen habe: Ich habe doch keine neuen Riffs mehr auf Lager (lacht)! Spaß beiseite: Über die Jahre ist mir aufgefallen, dass immer weniger Leute die Nummer kennen, wenn wir sie live spielen – in zehn Jahren kennen den Song wahrscheinlich nur noch Leute, die alle unsere Platten haben. Ich will das verhindern und ich finde auch, dass der Song einen Platz auf einem vollwertigen Album verdient hat. Ich finde auch, dass es diesmal besser gelungen ist als bei der Neuaufnahme von „Ride The Beast“.

Wie du schon gesagt hast, hat Jonny die Band inzwischen verlassen. Wie kam es dazu?
Er hat mir auf die Fresse gehauen (lacht). Nein, das ist natürlich nicht passiert – wäre mich auch egal gewesen. Das hätte er 100 Mal machen können und wir wären immer Ein Bandfoto von Skull Fistnoch zusammen in der Band. Ich habe erst neulich seine neue Band Thunderor live gesehen – ich nenne sie gerne die „Anti-SKULL-FIST“, weil JJ ja auch dabei ist (lacht). Sie waren echt gut und Jonny ist ja auch ein überragender Gitarrist. Wir sind noch immer gute Freunde und haben nach dem Gig auch noch gequatscht. Aber im Laufe der Jahre sind unsere musikalischen Vorstellungen auseinander gedriftet und jetzt kann Jonny wieder das machen, was er wirklich will. Als wir an „Paid In Full“ gearbeitet haben, wurden diese veränderten Prioritäten so offensichtlich, dass wir sie nicht mehr ignorieren konnten. Es kam auch nicht zum Streit, sondern wir haben beide festgestellt, dass wir nicht mehr in der gleichen Band spielen sollten, weil wir musikalisch permanent anecken. Wir sahen das beide wirklich absolut gleich, weshalb der Split in keinster Weise negativ war. Da habe ich viel aus der Vergangenheit gelernt: Die Besetzung von „Heavier Than Metal“ zerbrach, weil wir unsere Probleme nie gelöst haben. Wir haben sie so lange ignoriert, bis es zum Streit kam und dann sind wir mit einem schlechten Gefühl auseinandergegangen. Inzwischen ist das auch schon 13 Jahre her und wir verstehen uns heute alle bestens, aber damals hätten wir uns anders verhalten müssen. Denn Kritik ist so wichtig! Wenn ich einen beschissenen Song schreibe, muss man es mir sagen! Und wenn ich live scheiße spiele, will ich es auch wissen! Andernfalls verbessert man ja auch nichts. Wenn man in einer Band spielt, sollte man unbedingt kritikfähig sein!

Habt Ihr denn schon einen Nachfolger gefunden?
Ja. Es ist jemand hier aus Toronto, ein Heavy-Metal-Gitarrist, mit dem ich schon seit Kindertagen befreundet bin. Er ist ein wirklich cooler Typ und er wird den Job aller Wahrscheinlichkeit nach bekommen. Ich möchte ihn vor der endgültigen Entscheidung aber einmal auf eine ausgewachsene Tour mitnehmen. Viele Leute sagen, dass sie es kaum erwarten können, auf Tour zu gehen, aber wenn es dann wirklich losgeht, merken sie, dass das ganz anders ist, als sie es sich vorgestellt haben. Aber ich habe ein gutes Gefühl.

Werden SKULL FIST denn bald durch Deutschland und Europa touren?
Tatsächlich haben wir erst heute Morgen darüber gesprochen. Wir haben zusammen mit Enforcer eine Tour für Mai gebucht. Das Problem ist aber, dass wir für sieben Tage in Quarantäne müssten, sollte sich einer von uns dieses Omicron-Ding einfangen. Und das würde uns finanziell ganz schön in die Scheiße reiten. Wir müssen tatsächlich warten, bis klar ist, wie das reguliert wird. Obendrein möchte ich wirklich nicht derjenige sein, der jemand anderem Omicron anhängt.

Wie stehst du denn zu Einlassbeschränkungen für Konzerte in Form von Maskenpflicht oder Impfnachweis?
Ich versuche, dazu keine Meinung zu haben. Das ist wirklich kein leichtes Thema und die Frage hat unzählige Implikationen. Natürlich gibt es fast genauso viele Argumente dafür, wie es welche dagegen gibt. Und ich bin wirklich alles andere als ein Experte für sozial- und gesundheitspolitische Fragen.

Noch einmal vielen Dank für deine Zeit!

Ein Foto der Band Skull Fist

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert