Interview mit Silenius und Protector von Summoning

Nach sieben Jahren sind Silenius und Protector endlich mit einem neuen SUMMONING-Album zurück. Die Gründe für die lange Wartezeit, die Veränderungen im Songwriting und eine kleine Einschätzung zur literarischen Szene erläutern die beiden im folgenden Interview.

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Hallo! Vielen Dank, dass Ihr Euch Zeit für das Interview nehmt. Wie geht es und wie schreiten die Promotionen für das neue Album voran?
Silenius: Danke, es geht uns gut, alles läuft momentan sehr gut. Boxset und ein paar der lLP-Versionen sind schon ausverkauft.

Schlanke sieben Jahre habt Ihr Euch diesmal Zeit gelassen, so lange wie noch nie in der Geschichte von SUMMONING. Gibt es dafür spezielle Gründe?
Silenius: Ja und nein. Auf der einen Seite haben wir auch zwischen Let Mortal Heroes Sing Your Fame und Oathbound eine mehrjährige Pause gehabt, somit ist das jetzt keine allzugroße Umstellung. aber natürlich hat es auch konkrete Gründe für die Pause gegeben. Zum einen war ich eine lange Zeit völlig ausgepowert und schlicht ideenlos, was die Zukunft von SUMMONING betraf. Ich spielte auch einige Zeit damit, das Ganze zu beenden oder Protector alleine mit der Band weitermachen zu lassen. Zwischenzeitlich, um auf andere Gedanken zu kommen, arbeitete ich für die dritte Veröffentlichung von Kreuzweg Ost für Cold Spring Records, was mich aber nur noch weiter von SUMMONING enfernte. Und dann kam unerwarteterweise ein Herzinfarkt dazwischen. Dieser war aber der Wendepunkt in meinem Leben, SUMMONING bedeutete mir plötzlich wieder was und ich begann zaghaft, aber stetig, für diese Band zu komponieren. Am Anfang waren die Ideen noch sehr holprig, aber mit der Zeit entwickelten die Songs eine Eigendynamik und ich wusste plötzlich in welche Richtung ich zu gehen hatte. Irgendwann ging dann alles wie von selbst und die Ideen kamen ganz von alleine.
Protector: Ich hatte keine Inspirationsprobleme oder gar gesundheitliche Probleme. Mein einziges Problem war, dass Silenius so lange inaktiv war und ich daher blockiert war. Gleich nach der Veröffentlichung von Oathbound begann ich, Songs zu schreiben. In kurzer Zeit hatte ich schon sieben Songs bzw. Songfragemente in der Hoffnung, dass Silenius sie bald mit mir vollenden würde. Als abzusehen war, dass Silenius länger nicht musikalisch tätig sein wird, spielte ich mit der Idee, die Songs als eine art Solo-Protector-Mini-CD zu veröffentlichen, aber nach kurzer Zeit gab ich diese Idee auf.

Summoning - Interview 2013 IKommt es mir nur so vor oder ist die Musik zwar auf der einen Seite langsamer, insgesamt aber auch progressiver und in ihren Strukturen verschachtelter geworden?
Silenius: Dass unsere Musik mehrstimmig ist, ist nichts Neues. Diesmal haben wir aber versucht, die Lieder etwas kürzer und abwechslungsreicher zu halten. Hörer, die unsere alten Alben nicht kennen, werden das jetzt nicht so nachvollziehen können und unsere musik noch immer als monoton und meditativ bezeichnen.
Protector: Aufgrund der langen Zeit seit dem letzen Album haben sich viele Ideen angesammelt, die alle in den Songs Platz fanden. Wie Silenius schon sagte, waren wir immer schon sehr mehrstimmig, allerdings hört man jetzt aufgrund der weniger hall-lastigen Produktion die einzelnen Melodien und rhythmischen Details auch besser heraus.

Manche Keyboard-Sounds erinnern mich stark an die Phase von Minas Morgul, seht Ihr das auch so?
Protector: Ich nehme an, du vergleichst den Titelsong „Old Mornings Dawn“ mit Songs wie „The Passing Of The Grey Company“ (ganz genau, Anm. d. Red.). Das ist auch der einzige Vergleich, den ich auch nachvollziehen kann. Der Grund dafür ist, dass ich erstmals seit „Dol Guldur“ wieder einen Song komponiert habe, der deutlich in die Mittelalterrichtung geht und demenstsprechende Sounds hat. Allerdings habe ich diesmal Sounds von echten Mittelalterinstrumenten wie eine Schalmei verwendet, während ich damals weniger Möglichkeiten hatte und z.B. einen verfügbaren Saxophonsound auf Mittelaltersound hinzutrimmen versucht habe.

Auf der anderen Seite finde ich, der Sound klingt dieses Mal insgesamt natürlicher, beispielsweise gibt es wesentlich weniger Hall auf dem Gesang als beispielsweise noch auf „Stronghold“.
Protector: Das ist richtig. Alle Instrumente sowie die Stimme und die Gitarren haben deutlich weniger Hall. Der auslösende Moment für diese Entscheidung war, dass wir aufgrund der höheren Mehrstimmigkeit einen klareren Sound benötigten. Das führt auch folglich zu einer höheren Natürlichkeit, denn für gewöhnlich werden Instrumente nicht mit so viel Hall produziert, wie wir es noch bis zur letzten CD getan haben.

Auch der „erdige“ Sound auf „The White Tower“ hat mich (angenehm) überrascht. Welche Absicht verbirgt sich dahinter, das Lied unterschiedet sich so ja doch erheblich vom Rest.
Silenius: „The White Tower“ hat auf mich eine sehr nostalgische, fast wehmütige Stimmung, allerdings denke ich nicht, dass er vom Sound aus den übrigen Songs herausticht. Vielleicht meinst du, dass dieser Song etwas gitarrendominanter ist und sich die Flötenmelodien fast zerbrechlich im Hintergrund halten.
Protector: Vom Keyboard her finde ich den Song sogar noch unerdiger und mehr fantasymäßig als die anderen, während die Gitarren im Gegensatz dazu am rauhesten und black-metal-mäßigsten klingen.

Gibt es generell eine andere Herangehensweise ans Songwriting als noch vor zehn, fünfzehn Jahren?
Silenius: Ja, definitiv. Die Herangehensweise war diesmal komplett anders. Bei allen vorangegangenen Alben kam ich immer schon mit den Basisriffs für die Songs an, die in der Abfolge für sich stimmig waren und Protector fügte dann nach und nach seins Parts hinzu.
Diesmal musste ich komplett von vorne anfangen und in den Akt des Komponierens erst einmal langwierig hineinfinden. Das Resultat war, dass ich eine Unzahl an mittelmäßigen Riffs komponierte, die aber in keinem Zusammenhang standen. Erst durch das Hinzufügen weiterer Melodien kristalllisierte sich heraus, was davon überhaupt brauchbar war und was nicht. Auch zu einem späteren Zeitpunkt, als die Lieder schon standen, wurde trotzdem kräftig umgemodelt; oft Melodien wieder verworfen und neu hinzukomponiert. Manchmal wurden sogar ganze Melodieblöcke ausgetauscht und ständig wurde schon am Sound gearbeitet, was es so bisher auch noch nicht gegeben hat.

Summoning - Interview 2013 IIHabt Ihr ein bestimmtes Lieblingslied auf der Platte? Ich frage vor allem deshalb, weil meine Favoriten eher am Ende auftauchen, sind sie da in einer schnelllebigen Zeit nicht eventuell „verschwendet“, weil der Hörer gar nicht mehr so weit kommt?
Silenius: Komisch, dass du das so sagst. Die erste Reaktion von Max von Napalm Records war, dass die Platte gegen Ende hin abfällt. Überhaupt scheint das bei uns Gang und Gebe zu sein, dass die Fanreaktionen völlig unterschiedlich ausfallen. Jeder hat andere Lieblingslieder, jeder hält andere Lieder für die schwächsten und jeder vergleicht das neue album mit einem anderen alten Album von uns. Es gibt also keine homogene Meinung, was ich aber alles in allem als sehr positiv betrachte.
Protector: Ergänzend zu Silenius Beschreibungen möchte ich noch hinzufügen, dass es interessant ist, dass auch die Grundstimmung der Songs teilweise völlig konträr empfunden wird. Während wir die neue CD als viel melancholischer bis hin zu depressiver betrachten, gibt es Hörer, die die neue CD als lebendiger und sogar fröhlicher empfinden.
Aber zu deiner Frage, meine Lieblingssongs sind „Caradhras“ und „Earthshine“. Ersteres, weil er sehr mehrstimmig ist mit ungewöhlichen Melodien, Sounds und besonders komplexen Percussions, der zweite Song ,weil er sehr langsam und getragen ist und ich sehr zufrieden mit dem Gesang bin, wo ich melodischen- und Black-Metal-Gesang in gewisser Weise vereinen konnte.

Eure Musik war von jeher episch und orientierte sich an ebenso epischen Schriftwerken. Könntest Du Dir ein Konzept vorstellen, in dem das wagnerische Leitmotiv mit einer speziellen Melodie für auftretende Charaktere oder bestimmte Orte eine tragende Rolle übernimmt oder ist das für Euer Konzept zu kompliziert umzusetzen?
Silenius: Du meinst so ähnlich wie Howard Shore in „Der Herr der Ringe“? Natürlich wäre sowas möglich, allerdings haben wir noch nie darüber nachgedacht. Das alles klingt zu sehr nach Metal-Oper und dieser Begriff ist für mich eher sehr negativ besetzt, weil er sehr kitschbehaftet ist und bei einigen Bands oft ins musicalhafte abdriftet. Auch bräuchte man hierzu auch eine durchgehende Geschichte, welche wir so nie hatten.

Kommen wir an dieser Stelle doch gleich mal zum textlichen Hintergrund, passt ja gerade ganz gut. Welche Themen habt Ihr dieses Mal verarbeitet?
Silenius: Vier Dongs handeln lose von der Legende von Eärendil, dem Seefahrer, der mit dem Silmaril auf der Stirn von den Herren des Westens zu einem Stern gemacht wurde. Zwei Lieder behandeln uralte Gedichte von Tolkien zur Zeit des ersten Weltkriegs, welche zwar schon eine Ahnung vom zukünftigen Schaffen gaben, aber noch nicht unmittelbar mit den später bekannten Werken in Verbindung standen. Es gibt auch wieder zwei Texte, die nicht von Tolkien stammen, aber seinem Universum angepasst wurden und ein paar Zeilen haben wir selber verfasst, vor allem die der Chöre.

Ist es nach zwanzig Jahren und etlichen Alben mittlerweile schwierig, Inspirationen wohl in musikalischer als auch in lyrischer Hinsicht zu finden?
Silenius: Natürlich haben wir in lyrischer Hinsicht viele Themengebiete und Gedichte Tolkiens abgearbeitet. Durch die Fragmente und vielen verschollenen und wiedergefundenen Gedichtansätze gibt es aber noch immer viel zu entdecken. Und da wir ja mittlerweile auch von anderen Autoren Texte übernehmen und diese in das Tolkienuniversum integrieren, ist es eigentlich kein großes Problem. Was sich aber durchaus geändert hat zu früher, ist dass wir früher ausschließlich die dunkle Seite aus Tolkiens Welt behandelt haben, während wir bei neueren Alben durchaus der heroischen Seite Tribut zollen.

 

Welches Fantasybuch müsste Deiner Meinung nach noch unbedingt verfilmt werden?
Silenius: Offen gestanden bin ich in den letzten Jahren davon abgekommen, viele Fantasybücher zu lesen oder neue Autoren zu entdecken und die Bücher, die ich gelesen habe, haben mich nicht in dem Maße beeindruckt, als dass ich sie jetzt hervorheben würde. Somit fällt mir jetzt spontan eigentlich nichts ein.

„Der Herr der Ringe“ ist ja schon eine Weile durch, wie fandest Du die Umsetzung von „Der kleine Hobbit“?
Silenius: Ich habe diesmal stäflicherweise versäumt, den Film im Kino zu sehen, da ich zu der Zeit vollauf mit SUMMONING beschäftigt war und ich den Besuch immer weiter hinausgeschoben habe, bis es zu spät war. Natürlich habe ich mir am ersten Verkaufstag sofort die DVD gekauft und mir hat er, offen gesagt, sehr gut gefallen; im Gegensatz zu den durchwachsenen Kritiken in diversen Foren, finde ich, dass es das gute Recht von Peter Jackson ist, seine eigene Interpretation aus dem vorhandenen Stoff zu machen und viele Dinge hinzuzufügen, die im Buch gar nicht oder nur ansatzweise erwähnt werden.

Um mal kurz in der Literaturecke zu bleiben, findet Ihr heutige Fantasy noch ansatzweise so spannend und visionär wie das Werk Tolkiens beispielsweise?
Silenius: Nein, natürlich nicht. Heutige Fantasy ist vergleichbar mit Massentierhaltung. Durch die offenbar niemals endende Nachfrage, kommen jeden Monat unzählige Neuerscheinungen wie am Fließband daher und es ist mittlerweile ziemlich unübersichtlich geworden. Wie gesagt, habe ich mittlerweile nicht mehr so die Muße und ehrlich gesagt auch ein bißchen das interesse verloren. Somit bin ich nicht wirklich up-to-date, was übrigens auch für die momentane Metalszene gilt.

Habt Ihr eigentlich eine kommerzielle Auswirkung der Tolkien-Verfilmungen auf Eure eigenen Plattenverkäufe gespürt?
Silenius: Das ist schwer zu sagen. Geschadet hat uns wahrscheinlich nicht. Durch die Filme sind Tolkiens Werke natürlich ungemein populär geworden und das sage ich, obwohl ich schon zu einer Zeit Fan war, als es nur die Bücher gab und selbst da war Tolkien schon immens populär. Ob es einen direkten Zusammenhang gibt, ist für uns aber nicht messbar.

Wie wichtig sind Euch noch Reviews von der Presse oder allgemein, wie viel bedeutet es Euch noch, Euer Schaffen mit anderen Menschen zu teilen?
Protector: Natürlich ist uns die Reaktion von der Presse und den Fans wichtig. Wir sind immer sehr neugierig auf die ersten Reviews und wie unsere Songs aufgenommen werden. Es ist interessant zu sehen, wie gewisse Songs ganz anders empfunden werden als wir sie empfinden. Allerdings ist es auch wichtig, dass wir immer nur für unseren Geschmack Musik schreiben und nicht in Erwartung irgendwelcher positiven Reviews. Meinungen und Kritiken können uns zwar manchmal zum Nachdenken bewegen, aber niemals unsere Richtung diktieren.

Summoning - Interview 2013 IVGab es jemals Konflikte mit Euren Nebenprojekten? Musikalisch sollten da ja keine Probleme auftreten, aber wie ist es alleine mit dem zeitlichen Engagement, Summoning verschlingt bei vollem Einsatz sicher eine Menge Zeit und reguläre Jobs habt Ihr ja auch noch.
Silenius: Es gibt eigentlich keine Probleme. Durch die Arbeit an unseren anderen Projekten geht natürlich auch viel Zeit drauf und das ist natürlch auch der Grund, warum SUMMONING-Alben nurmehr sporadisch erscheinen. Auch wenn diesen Projekten kein kommerzieller Erfolg beschieden ist, weil sie von Grund auf sehr auf ein Nieschenpublikum hinzielen, sind sie uns doch sehr wichtig, da sie uns ermöglichen, kompositorisch frei zu schwimmen und nicht auf der Stelle zu treten. Sie sind quasi eine Art Jungbrunnen für uns, um uns eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren und eine art Freigeist in kompositorischer Hinsicht.
Protector: Unsere anderen Projekte mögen vielleicht das Tempo von SUMMONING verzögern, allerdings sind sie auch mit ein Grund, warum SUMMONING nach 20 Jahren ohne Bandsplit immer noch existieren. Diese Projekte haben es uns ermöglicht, all unsere Ideen zu verwirklichen, die wir in SUMMONING nicht unterbringen können und so SUMMONING niemals zu einer Routinearbeit werden lassen. Ich arbeite z.B. sehr gerne mit Frequenzmodulatonen und konstruiere eigene elektronische Sounds, sowas für SUMMONING zu verwenden, wäre einfach nur ein Betrug an den Fans und hätte mit SUMMONING gar nichts zu tun. Statt also SUMMONING für persönliche Experimente zu missbrauchen, können wir all unsere Ideen an sinnvollerer Stelle verwenden.

Plant Ihr in der Band eigentlich weit in die Zukunft bzw. tut Ihr das überhaupt? Lässt sich schon sagen, ob die Fans wieder so lange auf eine neue Veröffentlichung werden warten müssen?
Silenius: Unseren momentanen Plan haben wir auf unserer Facebookseite und Homepage bekannt gegeben und er betrifft noch ausstehende Veröffentlichungen für diese und nächstes Jahr. Dann werden wir wieder länger pausierern.

Machen wir zum Schluss noch das obligatorische Metal1-Wortspiel, Du kennst es vielleicht noch vom letzten Mal. Deine ersten Gedanken zu den folgenden Begriffen:
Protector:
NSU-Prozess: Metal ist keine Musik für Untertanen, deshalb sollte Untertanen-Ideologie wie der Faschismus bei keinem Metalfan Symphatien hervorrufen.
Klimawandel: wird eine längere, schwere Aufgabe für die Menschheit, die ohne gröberen Systemwandel nicht verwirklichbar sein wird.
Jean-Christophe Grangé: wir sind mit diesem Autor nicht vertraut.
Epik, Lyrik und Dramatik: wir würden hier jetzt gerne klugscheißen, aber unsere Schulzeit ist lange vorbei und Reclamheftchen hatten wir auch schon lange keine mehr in der Hand.
Metal1.info: ich hoffe, wir hören uns in sieben Jahren wieder

Damit wären wir endgültig durch, vielen Dank noch mal für Eure Zeit und Geduld, die Fragen zu beantworten, die letzten Worte gehören Euch.
Silenius: Einen großen Dank an unsere Fans. Nichts hat uns und unser Label mehr überrascht, als diese überwältigende Wiedersehensfreude so vieler Fans aus aller Herren Länder. Da wir ja nie live gespielt haben und sieben Jahre in der kompletten Versenkung verschwunden waren, hatten wir ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, von so vielen Leuten vermisst zu werden.

Publiziert am von Jan Müller

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