Interview mit Asger Mygind von Vola

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In der Vergangenheit haben wir schon des Öfteren von der dänischen Prog-Band VOLA berichtet, gehören sie doch zu den Interessanteren unter den Newcomern des Genres. Sie tourten bereits als Support von Haken, Monuments oder Dream Theater, sind nun aber nach zwei Alben in den Headliner-Olymp aufgestiegen. Beim Tourstop in München sprachen wir mit Sänger Asger Mygind

Dies ist eure erste Headliner-Tour. Wie fühlt sich das Upgrade an?
Es fühlt sich wie eine Belohnung an. Dass jeden Abend so viele Leute kommen, ist ein großartiges Gefühl. Das gesamte Band-Paket (mit Arch Echo und Rendezvous Point) ist sowieso sehr attraktiv. Ich hatte keine Ahnung, was uns erwarten würde, aber ich bin mit den Besucherzahlen meist sehr zufrieden. Natürlich bringt all dies mehr Verantwortung für uns mit. Als Headliner beenden wir den Abend und wir versuchen immer, dass es der Knaller wird. Wir spielen natürlich ein viel längeres Set. Außerdem haben wir jetzt ein riesiges Backdrop mit unserem Album-Cover drauf. Alles in allem steckt viel Arbeit darin, aber jetzt sind wir froh, hier zu sein, und freuen uns zu sehen, dass während der Tour alles wie geschmiert läuft.

Ihr verkauft ja euer Merchandise selbst. Euer Bassist Nicolai Mogensen hat auch den Job des Tourmanagers übernommen. Das klingt nach viel Stress.
Definitiv haben wir viel weniger Freizeit dadurch. Wir müssen also jetzt die Zeit nutzen, die uns bleibt, bevor wir unser Equipment abladen und in die Halle bringen, um mal einen Spaziergang zu machen und den Kopf frei zu bekommen. Sobald die Halle geöffnet wird und wir mit dem Aufbau beginnen, ist es harte Arbeit bis zum Ende der Show.

Hattet ihr dann überhaupt Zeit, euch eure Support-Bands anzuschauen?
Ich schaue mir jeden Abend ein klein wenig von ihren Gigs an. Ich finde, beide Bands bringen viel Abwechslung ins Spiel. Arch Echo bedienen mehr die technische Seite des Prog, und Rendezvous Point sind einfach episch. Und wir wiederum sind nochmals anders, insofern bedienen wir ein breites Sound-Spektrum.

Ihr habt dieses Jahr auf dem „Heart Sound“-Festival in Frankreich gespielt, welches den Kampf gegen Leukämie unterstützt, indem die Einnahmen an betroffene Familien gespendet werden. Wie alle anderen Bands habt auch ihr ohne Bezahlung dort gespielt. Wie kam es dazu und wie wichtig war es für euch?
Es war großartig, ein Teil davon zu sein, natürlich auch, weil auch andere Bands dabei waren, die wir bewundern, zum Beispiel Leprous oder Humanity’s Last Breath. Das Gesamtpaket fühlte sich richtig an. So einen guten Zweck zu unterstützen, während man für enthusiastische Fans spielen kann, zusammen mit befreundeten Bands, war einfach etwas Besonderes. Wir waren gerne dabei und würden es wieder tun.

Ihr habt letztens bekannt gegeben, dass ihr an einem neuen Album arbeitet und dass es wahrscheinlich härter werden wird als der Vorgänger „Applause Of A Distant Crowd“. Was könnt ihr bereits darüber erzählen?
Nun, wir schreiben seit einigen Monaten an neuem Material. Und zu diesem Zeitpunkt schlägt es eben eine härtere Gangart ein als das Vorgängeralbum. Es ist wirklich interessant für uns, mal ganz neues Territorium zu betreten. Der Prozess des Songschreibens ist auch ein anderer. Unser Schlagzeuger Adam Janzi hat uns ein paar Grooves geschickt, an denen er gearbeitet hat. Diese waren dann die Grundlage für unsere Ideen. Auf diese Weise sind wir bisher noch nicht ans Komponieren herangegangen. Eins der Stücke ist so gut wie fertig, alles andere ist vielleicht so circa zur Hälfte fertig. In den kommenden Monaten werden wir daran arbeiten und fertige Songs daraus machen. Außerdem wird sich zeigen, wovon die Texte handeln sollen. Das weiß ich momentan noch nicht.

Ist das so deine/eure momentane Stimmung, diese härtere Gangart?
Ich denke, das hat damit zu tun, dass „Applause Of A Distant Crowd“ eher rockig war. Es war einfach Zeit für etwas Metallischeres. Wir wollten brachiale Akkorde, nicht nur einzelne Gitarrenlinien. Ich bin zum Beispiel ein Fan der Deftones oder von Korn. Das hat sich wahrscheinlich ein bisschen eingeschlichen.

Das neue Album wird also Metal werden, um es einfach auszudrücken?
Ja, es wird wohl eher Metal werden.

Was meinst du, wie eure Fans darauf reagieren werden?
Wenn ich Musik höre, ist es mir egal, ob es Rock oder Metal ist. Für mich ist gutes Songwriting wichtig, sowie ein ansteckendes Riff oder ein eingängiger Refrain, oder natürlich ein schöner, gefühlvoller Melodieteil. Und das gibt es unabhängig von der Zuordnung zu einer Musikrichtung. Mit geht es nicht ums Genre, sondern um die Qualität der Musik. Ich hoffe einfach, unsere Fans haben dazu eine ähnliche Einstellung und werden uns folgen.

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Kann es sein, dass ihr eure Setliste von Gig zu Gig etwas abgeändert habt?
Ein kleines bisschen, ja. Außerdem mussten wir sie früher jeweils an kürzere Auftritte anpassen. Aber im Prinzip versuchen wir jetzt schon, an den Punkt zu kommen, wo wir eine gleichbleibende Setliste haben. Denn wenn man sich dann einmal im Fluss befindet, kann man es genießen, alles fließen zu lassen, und muss sich nicht mehr so viele Gedanken machen, sondern kann sich während der Show einfach treiben lassen.

Wie habt ihr entschieden, welche Songs letztendlich auf der Setliste sein werden? Ihr hattet ja eure Fans in den sozialen Medien gefragt, was sie unbedingt hören wollen.
Ja, es interessiert mich, welche Lieder die Fans am meisten mögen und sich als großartigen Live-Song vorstellen können. Natürlich war es auch wichtig, viele Songs vom letzten Album „Applause Of A Distant Crowd“ mit dabei zu haben. Aber wir wollten auch etwas Älteres dabeihaben, und so kam ein Song von unserer zweiten EP „Monsters“ mit auf die Setliste. Wir wollten das Spektrum im Vergleich zu unseren Shows als Support-Act erweitern.

Im Lied „A Stare Without Eyes“ gibt es diese Textzeile: „Es ist immer noch ein Funken Wahrheit darin enthalten, wenn man weiß, wann man lügen muss“. Wie darf man das verstehen?
Diese Textzeile bedeutet, dass man ehrlich zu sich selbst sein sollte, wenn es darum geht, wann und wie man sich am besten fühlt. Zumindest der Charakter, von dem der Song handelt, bildet sich ein, dass es doch etwas Wahres hat, wenn man sich selbst belügt, um sein Ziel zu erreichen. Das bleibt natürlich offen für Interpretationen.

Und worum geht es in “Green Screen Mother”?
Es geht darum, wie man mit dem Internet umgeht. Das Internet ist hier die Mutter-Figur. Es behandelt das Thema, dass man sich in der Online-„Realität“ verloren fühlt. Man versucht, dort Bindungen aufzubauen, die ein Schrei nach Hilfe sind, wenn man sich allein fühlt. Man versucht dann dort, stabile und starke Bindungen und Freundschaften aufzubauen, aber eigentlich ist alles flüchtig und unpersönlich und distanziert. Am Ende fühlt man sich doch allein.

Ihr habt alle Abschlüsse in Musik und wurdet jahrelang in diversen Musik-Sparten unterrichtet. Wie wichtig ist es deiner Meinung nach für die Entwicklung eines Musikers, eine fundierte Ausbildung zu haben?
Einerseits war es gut, eine Musikschule besucht zu haben, denn es gab mir die Freiheit, Musik zu erschaffen. Ich hatte Zeit, daran zu arbeiten. Diese Zeit hätte ich ohne die Schule nicht gehabt. Ich hatte gute Lehrer und passende Übungsräume. Mit der Zeit hat es mir als Sänger mehr Selbstvertrauen gegeben, als ich dann Gesang studierte. Ich traute es mir dann auch, zum Beispiel meiner Familie etwas vorzusingen. Andererseits wäre es interessant zu wissen, wo VOLA heute ohne Ausbildung wären. Ich halte es nicht für komplett unwahrscheinlich, dass wir trotzdem nah dran wären an dem Status, den wir momentan haben.
Obwohl unsere Musik technisch klingt, versuchen wir nicht absichtlich, es so klingen zu lassen. Und die Musikschule hatte darauf auch nicht wirklich einen Einfluss. Insofern war das Studium eher gut dafür, Feedback zu bekommen zur eigenen Musik bzw. einfach Raum und Zeit für Musik zu haben.

Was sind die schönen Seiten des Tourens, und was die eher unschönen?
Für mich ist das Schönste, auf der Bühne zu stehen. Aber davon abgesehen gefällt mir die Kameradschaft untereinander im Tourbus. Es ist ja wie ein Arbeitsplatz für vier Wochen, und mit netten Kollegen ist es eben schöner. Außerdem mag ich es, wenn ich die Städte erkunden kann. Einfach mal rauskommen aus der Tour-Blase, mit einem Podcast im Ohr, während man herumläuft. Ich mache das gerne, sofern genügend Zeit bleibt.

Und die weniger schönen?
Es gibt natürlich ein Platz-Problem, wenn man mal in Ruhe etwas am Computer komponieren will oder dergleichen. Und natürlich vermissen diejenigen, die Familien zuhause haben, ihre Familien. Das kann ebenfalls hart sein.

Wie sieht es mit euren Fans aus? Ich hörte, ihr habt Fans, die zu acht Gigs oder mehr gekommen sind.
Ich liebe es, nach der Show mit den Fans zu reden. Dann ist alles relaxt, denn wir haben die Arbeit ja hinter uns. Es ist toll, mit den Fans zu reden, die wirklich dankbar für unsere Musik sind. Und dass jemand so viele Auftritte besucht, ist herzerwärmend. Es erfüllt mich mit Stolz, dass es Leute gibt, denen unsere Musik so wichtig ist, dass sie sie so oft hören möchten.

Kennst du von solchen Fans dann auch die Namen?
Ja, ich kenne ihre Namen. Man baut im Lauf der Zeit tatsächlich eine Art Beziehung auf.

Was sind die wichtigsten drei Dinge, die man mit auf Tour nehmen sollte (neben dem Equipment und solchen Sachen wie Duschgel natürlich)?
Das Smartphone. Nicht unbedingt zum Telefonieren, sondern um Podcasts anzuhören und damit in eine andere Welt abtauchen zu können. Und das gleiche gilt für mein iPad, denn damit kann ich Netflix-Serien in meiner Koje anschauen. Als Drittes wäre eine warme Jacke wichtig.

Und das gute alte Buch ist out?
Podcasts haben ja denselben Effekt, nur dass man die Worte gesprochen hört. Und ich will eben dabei rumlaufen können, das kann ich mit einem Buch nicht. Aber im Urlaub irgendwo beim Faulenzen lese ich manchmal schon.

Gibt es ein Buch, welches du deinen Fans empfehlen möchtest?
Ja, „Oracle Night“ von Paul Auster.

Wann hast du mit dem Singen begonnen und wer waren deine Vorbilder?
Ich war ungefähr acht Jahre alt, als ich begann zu singen. Und zwar mit einem Spielzeug-Keyboard mit eingebauter Schlagzeug-Maschine. Ich startete dann das Schlagzeug und spielte Gitarre dazu und sang. Wenn ich mich recht erinnere, war das erste Lied, welches ich kannte, „Mr. Tambourine Man“. Ansonsten übte ich mich an vielen Bob-Dylan-Liedern. Danach habe ich tatsächlich jahrelang Schlagzeug in einer Band gespielt. Doch dann entschied ich mich, Frontmann zu werden und Gitarre zu spielen. Daran trug wohl James Hetfield die Schuld. Er war mein Vorbild, ich fand ihn so cool. Auch heute noch mag ich seine Bühnenpräsenz.

Wie hältst du deine Stimme im Schwung?
Ich trinke vor jeder Show Tee. Dann wärme ich die Stimme auf. Im Anschluss mache ich Liegestütze, um Endorphine freizusetzen. Danach nehme ich ein Bonbon, welches sich „Vocal Zone“ nennt. Es ist wie ein Lakritz mit einigen Inhaltsstoffen, die gut für die Stimme sind. Danach entspanne ich, während das Equipment aufgebaut wird, und dann bin ich bereit für den Auftritt.

Nimmst du heutzutage selbst manchmal noch Gesangsstunden um neue Techniken zu erlernen?
Nein. Wenn ich heutzutage Schwierigkeiten habe, eine bestimmte Note zu singen, weiß ich eigentlich, was ich tun muss, um am Ende da hinzukommen. Vielleicht nehme ich später irgendwann mal wieder Gesangsstunden, aber im Moment denke ich an sowas nicht.

Gibst du selbst manchmal Unterrichtsstunden auf Tour als Zubrot, wie andere Musiker es auch machen?
Ja, manchmal. Zu Beginn der Tour habe ich zum Beispiel in Kopenhagen Gitarrenstunden gegeben.

In „Smartfriend“ singst du: “Das ist es, was du aus mir gemacht hast, einen großen Fehler, einen Verräter, einen Schöpfer, der versagt hat“. Bitte erzähle mehr über den Sinn des Textes.
Es spiegelt die moderne Gesellschaft wider, wie sie uns dazu bringt, ständig alles neu updaten zu müssen. Ansonsten fühlt man sich hintenan gestellt. Der Song spielt daher mit dem Image einer Person, die die ganze Technologie quasi in sich aufsaugt und immer mehr zum Cyborg wird, der selbstzerstörerisch wirkt. Die Person bereut es, das getan zu haben, denn sie merkt, dass es sie umbringen wird. Der Text richtet sich also gegen Unternehmen und deren Werbung, die uns dazu bringen, immer mehr zu kaufen. Es zeichnet also ein dunkles Zukunftsszenario. Es handelt sich ergo um einen Plan, der scheitern muss, denn er zerstört uns. Zum Beispiel bin ich ein Fan der „Black Mirror“-Serie auf Netflix, die ebenfalls dunkle Szenarien aufzeigt, die aus der Technologie erwachsen, die wir nutzen. Und „Smartfriend“ ist meine kleine Interpretation einer „Black Mirror“-Episode.

Welcher eurer Songs ist am schwersten zu spielen oder zu singen auf der Bühne?
“Ruby Pool” ist besonders schwierig, denn die Melodie und der Gesang müssen wirklich auf den Punkt sein, anderenfalls wird es falsch klingen. Nicolay und ich singen synchron. Wir müssen also wirklich drin sein in der Materie, sonst klingt es schlecht. Die Klangumgebung ist nämlich sehr dünn, das heisst, man hört jede Unregelmäßigkeit im Gesang. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es auf dem Keyboard komponiert wurde. Danach wurde es als Gesangslinie übertragen, was echt schwierig war. Ja, ich denke, das ist der anspruchsvollste Live-Song.

Stimmt es denn, dass ihr eure Songtexte nicht im Booklet veröffentlicht? Hat es einen bestimmten Grund?
Ich weiß jetzt gar nicht genau, ob vielleicht in der Vinyl-Version die Lyrics abgedruckt sind. Wahrscheinlich hat unser Label gedacht, die Fans lesen die Texte eh im Internet nach. Und es ist deren Job, das alles zu planen. Ich selbst habe früher immer die Texte im Booklet der CDs gelesen, die ich gerne gehört habe. Allerdings ist das schon viele Jahre her, insofern vermisse ich es gerade nicht. Aber wenn unsere Fans gerne die Lyrics im Booklet hätten, sollten wir vielleicht eine neue Version des Albums rausbringen, oder aber im neuen Album an die Texte denken.

Worum geht es im Song „Feed The Creatures“?
Er handelt davon, dass viele Menschen in ihren Gedankenmustern feststecken. Und diese zwingen dich dann dazu, auf bestimmte Weise durchs Leben zu gehen. Je mehr Aufmerksamkeit du diesen negativen Gedanken schenkst, umso stärker werden sie und umso mehr manipulieren sie dein Leben. Der Song handelt also davon, dass man negativen Gedanken nicht zu viel Macht einräumen darf, sonst kontrollieren sie dich am Ende.

Hast du für dich selbst einen Weg da raus gefunden?
Ja. Das ganze Album „Inmazes“ ist ja biografisch. Heutzutage befinde ich mich in einer viel gesünderen und glücklicheren Umgebung.

Um langsam zum Ende zu kommen, beantworte bitte noch die Frage, mit welchen Bands du gerne mal touren würdest (von denen, mit denen ihr noch nicht auf Tour wart)?
Da würde ich sagen, Metallica ist die Nummer Eins, weil sie jahrelang so einen großen Einfluss auf mich hatten. Außerdem könnte man dann für richtig große Menschenmengen spielen, also perfekt, um die eigene Musik an den Mann zu bringen. Dann würde ich natürlich auch gerne mit den Deftones touren. Ich bin wirklich angetan davon, wie sie den Spagat zwischen Rock und Metal schaffen. Ich finde, wir würden gut zu ihnen passen. Des Weiteren waren Porcupine Tree seit 2004 eine große Inspiration für mich. Ich folgte auch Steven Wilsons Solo-Karriere. Und zum Schluss noch Opeth. Das wären meine vier Wünsche.

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Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin)

Dieses Interview wurde persönlich geführt.

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